Erwin Pröll - Seit 20 Jahren kein bisschen leise

Erwin Pröll - Seit 20 Jahren kein bisschen leise
Seit zwei Jahrzehnten regiert er Nieder­österreich. Für Politologen ist das Phänomen Erwin Pröll keine Überraschung.

Unter den Landeshauptleuten Österreichs gilt er als der Mächtigste. Morgen, Montag, feiert Erwin Pröll sein 20-jähriges Amtsjubiläum. Die Politologen Peter Filzmaier und Thomas Hofer finden das nicht ungewöhnlich. Aber Langzeit-Landeshauptleute haben es heute auch zunehmend schwerer.

KURIER: Seit 20 Jahren ist Erwin Pröll als Landeshauptmann im Amt. Ist das typisch in Österreich?
Peter Filzmaier: Landeshauptleute für viele Jahre sind nicht untypisch. Man denke an Josef Pühringer in Oberösterreich oder Michael Häupl, die seit Mitte der 90er-Jahre amtieren. Das liegt an den relativ klaren Mehrheitsverhältnissen und an einem Wählermarkt, der sich weniger rasch verändert als im Bund. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurde das anders.

Neigt sich die Ära der Langzeit-Landeshauptleute angesichts neuer Polit-Konkurrenz – wie Frank Stronach – dem Ende zu?
Filzmaier: Es wird immer schwieriger, nicht nur wegen der neuen Parteien. Die Zahl der Stammwähler ist deutlich geringer geworden. Vor 50 Jahren waren 80 Prozent und mehr fix von einer Partei überzeugt. Heute ist es vielleicht noch ein Viertel, das bei Wahlen dieselbe Partei wählt.
Thomas Hofer: Der Strukturwandel in der Kommunikation bedeutet, dass langfristige Politikerkarrieren viel schwieriger machbar sind. Politiker sind aufgrund der neuen Informationsdichte prinzipiell von jedem kritisierbar. Das war früher anders. Allerdings: Die Kurzlebigkeit von politischen Phänomenen zeigt auch, dass der Aufbau von persönlicher Reputation und einer klaren politischen Linie erfolgversprechend sein kann. Be­liebigkeit steht langfristigem Erfolg sicher entgegen.

Die ÖVP Niederösterreich hat ihre Wahlkämpfe immer stark auf ihren Landeschef zugeschnitten. Ist Erwin Pröll mit seinem Rekordergebnis von 54,4 Prozent im Jahr 2008 nicht auch ein Phänomen? Wie war das möglich?
Filzmaier: Die ÖVP-Wahlkämpfe in Niederösterreich sind tatsächlich auf Erwin Pröll fokussiert. Das ist insofern eine kluge Strategie, als für viele unentschlossene Wähler die Person Pröll eher wählbar ist als die Partei ÖVP, welche auf Bundes­ebene viel schlechtere Ergebnisse erzielt. Insofern ist Pröll ein entscheidender Faktor.
Hofer: Das Paradoxe ist, dass das nur über die persönliche Positionierung möglich ist. Pröll hat in Österreich den Trend zur Personalisierung früh umgesetzt. Er ist das letzte Mal auch gegen die eigene Koalition im Bund angetreten und hat auf Kosten des Images der Bundes-ÖVP Wahlkampf gemacht. Der Trick dabei ist: Pröll macht seine persönliche Positionierung zur Landesposition.

Bei allen Vorteilen, die der Bekanntheitsgrad mit sich bringt – birgt eine so lange Amtszeit auch Gefahren?
Hofer: Das gerade Gesagte ist auch eine Gefahr: Natürlich ist die ÖVP-NÖ derzeit von ihrem Obmann stärker abhängig als umgekehrt. Das ist dann ein Problem, wenn ein Neuer oder eine Neue übernehmen soll. In einer solchen Situation kann man dann – zumindest vorübergehend – nur verlieren.
Filzmaier: Auch besteht die Gefahr, dass sich Eigenschaften wie Entscheidungsstärke und feste Überzeugungen abnützen, weil sie dazu führen können, dass jemand "immer mehr" er­reichen müsste – was als Erwartungshaltung niemand erfüllen kann. Und rechtzeitig einen Nachfolger aufzubauen, daran sind viele starke Landeshauptleute gescheitert.

Was unterscheidet Erwin Pröll von anderen Landespolitikern, die nicht so lange im Amt sind oder waren?
Hofer: Der Machtinstinkt ist sicher um einiges ausgeprägter als bei anderen. Und er zieht noch stärker als andere Landesfürsten auch gegen die eigene Bundespartei zu Felde. Zuletzt war das bei der Wehrpflicht-Debatte so. Pröll hat das aus seiner Sicht Richtige gemacht – und für den Wahlkampf in Nieder­österreich wird das auch nützlich sein. Dass Spindelegger dabei suboptimal aussteigt, war sekundär.

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