Ein Paradeiser-Paradies für den Sinneswandel

Die KURIER-Aktion: Wer eine Tomatenpflanze in Pflege nimmt, kann ein ganz besonderes Geschmackserlebnis ernten.

Rot, prall und rund, ganz ohne Delle, wirkten die Tomaten auf dem Foto, obwohl ein offensichtlich gewichtiger Stein auf ihnen ruhte. Noch vor einigen Jahren meinte ein Schweizer Samenhändler, mit dieser Fotografie die Werbebotschaft für seine Produkte optimal im Versandkatalog präsentiert zu haben, nämlich knallhart, schnittfest.

Denn der Handel suchte nach Sorten, die auch drei Wochen nach der Ernte und vor allem nach extrem langen Transportwegen quer durch Europa im Supermarktregal wie frisch gepflückt aussahen. Die Antimatsch-Tomaten wurden geboren.
In einem kalifornischen Labor erblickte Ende der 80er-Jahre das Produkt "Flavr Savr" mithilfe von Gentechnik das Licht der Konsumwelt. Die Genmanipulation war kein Verkaufsschlager.

Schließlich ließ sich - noch dazu billiger - derselbe Effekt, nämlich der einer verzögerten Reifung, auch auf natürlichem Weg, und zwar durch Neuzüchtungen, erzielen.

Unverdient

Gut schmeckte das nicht. Die in Österreich übliche, zärtlich klingende Bezeichnung "Paradeiser" - gleichsam ein optisches und akustisches Symbolbild für den sonnigen Sommer - haben sich viele dieser Produkte einfach nicht verdient.
"Es gibt ein negatives Zusammenspiel zwischen Aroma und Haltbarkeit", sagt Wolfgang Palme, der Gemüseexperte des Lehr-und Forschungszentrums Schönbrunn. Das heißt, die wohlschmeckendsten Früchte sind in der Regel soft und saftig, statt hart und von der Antimatschpartie.

Die gute Nachricht aus dem Regal: Der Gegentrend hat eingesetzt. In erster Linie deshalb, weil sich der Wassergeschmack nicht mehr so gut verkaufen lässt. Eine neue Generation von Konsumenten fragt aber nicht nur nach mehr Geschmack auf dem Teller, sie entdeckt mittlerweile auch zunehmend den Reiz der Farben und Formenvielfalt.

Denn klar ist: Wer sich auch ein wenig mit den Geheimnissen der Kochkunst befasst, entdeckt, dass Tomate nicht einfach Tomate ist, sondern jedes Gericht durch den gezielten Einsatz spezieller Sorten erst zum Erlebnis wird. Doch wo gibt es sie, die Früchte der Sorte "Grünes Zebra", die auch im vollreifen Zustand grün gefärbt sind oder das riesige, fleischige "Ochsenherz"?

Wer Ausgefallenes genießen will, muss es sich in der Regel selbst aus Samen ziehen. Der Verein "Arche Noah", mit seinem kostbaren Schatz der großen Samenbank, hat in jahrelanger Pionierarbeit eine immer größer werdende Klientel für das Rare begeistern können, speziell unter den Hobbygärtnern.

Vielfalt

Das Lehr-und Forschungszentrum Schönbrunn konnte vor allem dank seiner Seminare und durch die Auslese robuster Sorten und Arten unter den Besonderheiten Berufsgärtner und Landwirte zu mehr Vielfalt inspirieren.
In den Versuchsglashäusern des Zentrums, am Zinsenhof bei Melk, sind vor sieben Wochen 500 Tomatenpflanzen der Sorte "Dattelwein" angebaut worden, und zwar in Biokultur und aus Biosamen. Aus der gemeinsamen Kinderstube werden sie am kommenden Samstag entlassen und stehen an diesem Tag zur persönlichen Abholung an drei Standorten bereit ( siehe auch Geschichte links ) oder werden in den folgenden Tagen mit der Post verschickt.

Wer Paradeis Partner werden möchte, kann sich gratis eine der Pflanzen nach Hause holen, ihre Entwicklung beobachten und schließlich reichlich ernten.

Naschen

"Dattelwein" gehört zu den Cherrytomaten, ist aromatisch und verführt zum Naschen. Die Partnerschaft soll zum Gemüsegarteln ermutigen, zum Beobachten der Natur und nicht zuletzt der Esskultur wieder auf die Sprünge helfen. Denn diese ist der Generation Fast Food, die mit künstlichen Geschmacksverstärkern groß geworden ist, weitgehend verloren gegangen. Kinder, denen fünf Geschmacksvarianten zur Verkostung angeboten wurden, konnten nur mehr zwei voneinander unterscheiden - Zeit für die Genuss-Revolution.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Tipp

Kommentare