Ehrenbürger im NS-Schatten

Ehrenbürger im NS-Schatten
Expertise belastet früheren SPÖ-Stadtvize, Gemeinderat stimmt über Ehrenstatus ab.

Früher als von den Rathausverantwortlichen geplant, ist in Amstetten nun die Debatte um die Ehrenbürgerschaft des Ex-NS-Landeskreisleiters und SPÖ-Vizebürgermeisters Paul Scherpon hochgeschwappt. Nachdem 2011 die noch aufrechte Ehrenbürgerschaft für Adolf Hitler widerrufen worden war, engagierte die Stadt eine Historikerin, die das ins schräge Licht geratene Wirken des "Bezirkshauptmanns" Scherpon während der Nazi-Zeit durchleuchtete. SPÖ-Bürgermeisterin Ursula Puchebner kündigte nun an, dass es am 14.Mai im Gemeinderat eine Abstimmung über den 1967 verliehenen Ehrenstatus für Scherpon geben wird.

Grüngemeinderat Raphael Lueger hatte 2011 die Diskussion um Scherpon losgetreten. Alljährlich zu Allerheiligen legen Stadtpolitiker offiziell einen Gedenkkranz auf dessen Grab, kritisierte der Jungpolitiker. Die profunde Expertise der für das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) tätigen Historikerin Claudia Kuretsidis-Haider liegt im Rathaus seit Mitte Jänner auf. Im Februar trug die Forscherin ihre Recherchen den Gemeinderatsfraktionen vor. Dort wurde Stillschweigen bis zur Gemeinderatssitzung am 14.Mai vereinbart.

Vorwurf

Weil ihr und der SPÖ in einem Bericht samt Kommentar in der Zeitung Standard vorgeworfen wurde die NS-Aktivitäten Scherpons im Dunkeln halten zu wollen, geriet Stadtchefin Puchebner in Rage. In einem vierseitigen Brief nahm sie ausführlich zu den geplanten Schritten Stellung und wehrte sich heftig gegen die Attacken der Zeitung. Eine Vielzahl von Aktivitäten würden zeigen, dass Gewalt, Hetze und Täuschung in der Stadtpüolitik und auch von ihr verabscheut würden, erklärte Puchebner.

Längst sei ein Treffen mit den Nachkommen Scherpons und weiters mit den Gemeinderatsfraktionen in die Wege geleitet, um die Abstimmung am 11. Mai vorzubereiten. Vorwürfe, dass sie parteiinterne Probleme befürchte, wenn sie "eine rotbraune Melange" aufrühre, weist Puchebner entrüstet zurück. "Für mich ist klar, dass solche Angelegenheiten zuerst in den zuständigen Gremien und dann auch ausführlich in der Öffentlichkeit diskutiert werden", sagt die Bürgermeisterin im KURIER-Gespräch.

Wie ihre Fraktion im Gemeinderat über die Scherpon-Ehrenbürgerschaft abstimmen wird, wollte die SPÖ-Obfrau nicht preisgeben. Ebenso wenig ihre persönliche Entscheidung.

Paul Scherpon

Historikerin Kuretsidis-Haider durchleuchte das Wirken des Landkreisleiters PaulScherpon in einem rund 8000 Euro teuren Gutachten sehr intensiv. Es zeigt sich das Bild eines der Obrigkeit ergebenen Beamten, der sich mit dem Nazi-Regime arrangiert hat.
Als hoher Bezirksbeamter fiel er durch seine drastische Wortwahl gegenüber „Zigeunern und Juden“ auf. In der Reichkristallnacht 1938 war es durch sein Einwirken auf die Polizei möglich, dass das jüdische Bethaus und jüdische Geschäfte vom Nazi-Mob angezündet werden konnten. 1944 bat er den Reichsgauleiter „arbeitsschwache Juden“ abzuziehen und ins KZ zu bringen, aber so, dass es die Bevölkerung nicht merkt.
Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft versuchte Scherpon, der von den russischen Besatzern abgesetzt worden war, seine NSDAP-Angehörigkeit mit guten Taten zu mildern. Die Historikerin fand dafür keine Belege. Ende 1945 trat er der SPÖ bei und war bis 1965 Gemeinderat und auch Stadtvize. 1967 wurde ihm vom Gemeinderat einstimmig die Ehrenbürgerschaft verliehen. 80-jährig starb er 1970.

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