Aus für dritte Piste: Forderungen nach Lärmschutz und Nachtflugregelung
Die Lärmbelästigung in den Anrainergemeinde des Flughafens sei extrem belastend. Nach dem Aus für die dritte Piste müsse nun über Nachtflugregelungen gesprochen werden, fordern Vertreter der Bürgerinitiativen (Symbolbild).
Zusammenfassung
- Die Flughafen Wien AG hat überraschend das Aus für die geplante dritte Piste verkündet, was Bürgerinitiativen als Erfolg feiern, während einige Gemeinden Entlastung vermissen.
- Die Diskussionen konzentrieren sich nun auf Verbesserungen im Zwei-Pisten-System, Lärmschutzmaßnahmen und die Notwendigkeit von Nachtflugregelungen.
- Das Dialogforum bleibt zentrale Plattform für Verhandlungen zwischen Flughafen, Gemeinden und Initiativen, um soziale und ökologische Anliegen zu adressieren.
"Ich saß in meinem Lehnstuhl mit Blick auf die Zeit im Bild", schildert Adolf Obrist den Moment, als er davon erfuhr, dass die Flughafen Wien AG am Dienstagabend die Absage der dritten Piste verkündet hat. "Wir waren erfolgreich. Seit gestern ist der Sinn unserer Bürgerinitiative erfüllt", dachte der Obmann der Bürgerinitiative "Lärmschutz Groß-Enzersdorf" (Bezirk Gänserndorf) und ging zum Computer, um seine Mitstreiter über den Erfolg zu informieren.
Die Meldung, dass das Projekt der dritten Piste nicht weitergeführt wird, kam für viele überraschend. Selbst für das Dialogforum, eine Plattform für den Interessensausgleich zwischen Flughafen, Anrainergemeinden, Bundesländern und Bürgerinitiativen. „Wir haben eher im Frühjahr oder Sommer 2026 damit gerechnet“, sagt Dialogforum-Obmann Jürgen Maschl.
Zwei-Pisten-System gut gestalten
Er ist auch SPÖ-Bürgermeister der Gemeinde Schwadorf (Bezirk Bruck/Leitha) neben Schwechat, deren Einwohner seit Jahren unter Fluglärm leiden. Die dritte Piste hätte seiner Gemeinde sowie Margarethen am Moos oder Groß-Enzersdorf sogar eine gewisse Entlastung gebracht. Umso wichtiger ist es jetzt für Maschl, "die Zukunft im Zwei-Pisten-System“ zu gestalten. Die bestehenden Maßnahmen müssten evaluiert und geschaut werden, welche Verbesserungen oder technischen Neuerungen umgesetzt werden können, "um die Bevölkerung bestmöglich zu schützen.“
Ganz so überraschend war die Nachricht für Obrist nicht. Obwohl alle Genehmigungen für die dritte Piste vorlagen, hatte er "so ein Bauchgefühl", weil "nix weiter ging". Den 25. November verbucht der Oberhausener jedenfalls als Erfolg. "Unsere Bürgerinitiative wurde nur deswegen gegründet, um die dritte Piste zu verhindern."
Pisten-Aus bestätigt Kampf der Bürgerinitiativen
„Das müssen wir jetzt erst einmal verdauen.“ Rechtsanwältin Susanne Heger, Obfrau des Vereins „Aviation Restart“ und einst mit ihrer Bürgerinitiative im Originalverfahren zur dritten Piste aktiv, fühlt sich mit dem Pisten-Aus in ihrem Kampf für eine nachhaltigere Luftfahrt bestätigt. „Wir sind sehr froh und es ist das eingetreten, was wir immer schon gesagt haben. Nämlich, dass das Projekt auf tönernen Füßen steht.“ Nun werde ein neues Kapitel aufgeschlagen.
"Es ist ein Sieg der Vernunft über die Hybris. Ein Sieg der Zivilgesellschaft. David gegen Goliath", fasst Jutta Leth, Obfrau der Bürgerinitiative "SOS Ostregion" ihre Freude in Worte. Dass die Flughafen Wien AG das Projekt nun doch nicht umsetze, sei für den Steuerzahler ein großer Vorteil, er müsse nicht noch ein Milliarden-Projekt mittragen. Zudem würde für eine dritte Piste am Flughafen eine riesige Fläche Ackerland verschwendet werden.
"Es ist ein Sieg der Vernunft über die Hybris. Ein Sieg der Zivilgesellschaft. David gegen Goliath."
Obfrau Bürgerinitiative "SOS Ostregion"
Dass die Politik rund um den Flughafen den Wohnbau weiter forciere, versteht die Medizinerin nicht. "Dann haben wir einen Flughafen in einer der dichtest besiedelten Gegenden des Landes?", wirft sie die Frage auf, ob dies sinnvoll sei. Sie selbst lebt in Zwölfaxing (Bezirk Bruck/Leitha). "Es ist furchtbar, wenn gestartet und gelandet wird", ist sie vom Fluglärm direkt betroffen. Wegziehen war für Leth aber nie eine Option: "Meine Familie lebt seit über 300 Jahren hier. Mit einem Bauernhof kann man nicht so einfach umziehen."
Dritte Piste hätte Entlastungen gebracht
"Die dritte Piste hätte für alle Gemeinden vor und nach der Piste 16/34 eine massive Entlastung gebracht. Jetzt muss man weiter verhandeln, wie man hier entlastet", sagt Manfred Peter, Obmann der ARGE Fluglärm, dass eine dritte Piste auch Positives gebracht hätte. Er selbst lebt in Schwadorf, ganz in der Nähe der Piste 16. "Beim Start habe ich 70 oder 80 Dezibel im Hof - das ist sehr laut", schildert er seine Erfahrungen. Er profitiere natürlich davon, dass ab 21 Uhr dort nicht mehr gestartet werden darf.
- Aktuell ist seit 17 Monaten ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, nachdem der Flughafen um eine Fristverlängerung zum Bau der dritten Piste bis 2033 angesucht hatte.
- Das Land NÖ hatte diese genehmigt, nach Einsprüchen von Bürgerinitiativen - vertreten von Susanne Heger -, wurde diese Fristverlängerung bis 2030 gewährt.
- Der Flughafen ging in Revision.
Monika Obereigner-Sivec, SPÖ-Bürgermeisterin von Groß-Enzersdorf, spricht einen Punkt an, den alle Befragten kritisch sehen: Die kolportierten 52 Millionen Passagiere pro Jahr. Derzeit liegt die Zahl bei 32 Millionen. "Wie soll sich das in dem Zwei-Pisten-System ausgehen, ohne, dass eine Mehrbelastung für die Bevölkerung entsteht?" Hier müsse es Gespräche mit dem Flughafen geben, sie sieht das Dialogforum sehr gefordert.
Angst, dass Flugbewegungen auf zwei Pisten steigen
„Das ist der Punkt, der sehr viel Besorgnis bei den Bürgern bringt. Sie fürchten, dass die Flugbewegungen steigen“, bestätigt Dialogforum-Geschäftsführerin Juliana Ghasemipour. Der Schwadorfer Bürgermeister sieht es wie seine Amtskollegin aus Groß-Enzersdorf: Es wird Gespräche mit dem Flughafen geben müssen, obsolet werde das Dialogforum mit dem Aus der dritten Piste nicht. Im Gegenteil: "Flugregelungen, Pistenverteilungen, Abflugzeiten, Lärmschutz, das werden wir weiter oder noch stärker aufs Tapet bringen", so Maschl.
Ghasemipour betont, dass nun der Fokus darauf liege, „weitere Verbesserungen zu schaffen". Zuletzt wurde im Vorjahr ein neues, zweites, Lärmschutzprogramm mit siebenjähriger Laufzeit aufgelegt, mit dem erneut etwa der Einbau von Schallschutzfenstern gefördert wird, wenn nächtens mehr als 30 Dezibel im Schlafzimmer gemessen werden. Ein derartiges Programm gab es bereits, es war aber ausgelaufen.
"Wir müssen die bisherigen Errungenschaften für die Bevölkerung beibehalten", stimmt Obereigner-Sivec zu. Ebenso wie Manfred Peter. Das Dialogforum habe 2019 Forderungen gestellt, die das Zwei-Pisten-System verbessern sollen. Die Neuauflage des technischen Lärmschutzes sei ein Punkt, ein zweiter die Reaktivierung des Umweltfonds. Hier müssen die Gemeinden noch zustimmen, "aber es fängt an zu laufen", so der ARGE-Obmann.
Regelung für Nachtflüge wird gefordert
Dieser Fonds werde Ausgleichszahlungen an die belasteten Gemeinden leisten. Unterschrieben ist dieser noch nicht, wie Ghasemipour informiert. „Man muss mit dem Flughafen verhandeln, wie der Schutz und der soziale Frieden in der Region aufrecht erhalten werden können“, sagt sie.
Ein weiteres Thema, das alle Beteiligten ansprechen, sind die Nachtflüge. "Ich wohne in Groß-Enzersdorf, direkt unter der Einflugsschneise", spricht Obereigner-Sivec von einer enormen Lärmbelastung. Obwohl sie damit aufgewachsen sei, passierte es, dass sie nachts vom Fluglärm aufwacht. "Das ist sehr belastend", klagt sie. "Es braucht eine Nachtruheregelung", spricht Manfred Peter vom nächsten Ziel, das das Dialogforum erreichen muss. "Es braucht eine Lärmgebührenverordnung", denkt Leth an, dass laute Flugzeuge einfach mehr zahlen müssen.
Juristin Heger ist selbst aufgrund der Lärmbelastung aus ihrem Wiener Bezirk weggezogen. Sie fordert ebenfalls ein Nachtflugverbot, wie im vergleichbaren Airport Zürich. „Dort ist die Nachtflugpause in der Betriebsordnung festgelegt“, sagt Heger, die das Dialogforum kritisiert und den Mediationsvertrag als „larifari“ bezeichnet, der vor Gericht nicht halten würde. Die Deckelung der Nachtflüge in Schwechat werde ständig überschritten: „Im Sommer gab es 80 Flugbewegungen.“
Wo nimmt man den Fluglärm weg?
Für Ghasemipour sind solche Forderungen denkbar, etwa eine echte Nachtflugpause statt einer bloßen Deckelung. Denn die Starts und Landungen auf der aktuellen Piste 16/34 belasten bei Südostwind die Region Groß-Enzersdorf stark. Die dritte Piste hätte hier Entlastung bringen sollen. Die Groß-Enzersdorfer Bürgermeisterin sieht solche Maßnahmen skeptisch: "Nimmt man den Fluglärm bei einer Piste weg, kommt er wo anders dazu..."
Als "historisches Ereignis" bezeichnet Roman Kral, Sprecher der Grünen in Bruck an der Leitha das Aus für die dritte Piste. "Die Freude bei uns Grünen Bruck und Wilfleinsdorf ist riesengroß. Fünfundzwanzig Jahre, also ein Vierteljahrhundert Widerstand gegen dieses Steinzeitprojekt haben sich endlich gelohnt", jubelt er.
"Just zu dem Zeitpunkt in dem die Austro Control den "gekurvten Anflug" als „Mogelpackung“ enttarnt hat und wir das öffentlich gemacht haben, stellen sie fest, dass die 3. Piste nicht wirtschaftlich ist", mutmaßt Kral. "Dieser Zusammenhang liegt für uns klar auf der Hand."
Weitere Maßnahmen gefordert
Man wolle "weiterhin an der Seite der Bevölkerung in der Ostregion stehen und uns für das Recht auf Gesundheit und Lebensqualität einsetzen. Der Fluglärm steigt jährlich, es ist auch ohne der 3. Piste jetzt schon zu laut. Die Absage der 3. Piste entbindet den Flughafen Wien keinesfalls hier endlich tätig zu werden. Maßnahmen für weniger Lärm und mehr Ruhe, sowie gegen Gesundheitsgefahren wie z.B. Ultrafeinstaub sind zwingend zu ergreifen", fordert auch Kral.
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