„Die Volkskultur lebt davon, dass man sie lebt“

„Die Volkskultur lebt davon, dass man sie lebt“
Manuela Göll, die Leiterin der Volkskultur NÖ, über die neue Lust an der Tradition und wie modern Dirndl und Co. sind

Volksmusik, Dirndl, traditionelles Handwerk – was vor einigen Jahren nicht unbedingt dem Zeitgeist entsprach, erfreut sich aktuell auch unter Jungen wieder großer Beliebtheit. Die „Hüterin“ dieser lieb gewonnenen und neu entdeckten Traditionen ist Manuela Göll, seit Herbst vergangenen Jahres Geschäftsführerin der Volkskultur NÖ. Sie folgte damit auf Dorothea Draxler, die sich nach 31 Jahren in den Ruhestand verabschiedete.

„Es ist mein Traumjob. Ich habe Hobby und Leidenschaft zu meinem Beruf gemacht“, betont Göll. Die „Volkskultur“ wurde der Weitraerin sozusagen in die Wiege gelegt. „Ich bin mit allen Arten von Musik aufgewachsen. Meine Eltern, meine vier Geschwister und ich haben zu Hause immer viel gesungen und musiziert“, erzählt Göll. „Ich weiß nicht, wie wir geklungen haben, aber wir hatten viel Freude daran“, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Das Musizieren zu Hause oder bei der Stadtkapelle Weitra. Oder die Dirndl der Schwestern im Schrank. Oder das Feiern der Jahresfeste. Das war eben „ganz normal“. Und „das drückt aus, was Volkskultur ist. Die alltäglichen Traditionen“, sagt Göll.

Nach der Matura verließ sie das Waldviertel und absolvierte in Wien ein Studium an der Universität für Bodenkultur und einen WU-Lehrgang. Zurück in NÖ arbeitete sie elf Jahre bei der Landwirtschaftskammer und seit 2011 als Kommunikationschefin in der Agrarmarkt Austria Marketing GmbH (AMA).

„Die Volkskultur lebt davon, dass man sie lebt“

Musik gehört für Manuela Göll einfach dazu. Nicht nur als Leiterin der Volkskultur NÖ, sondern auch aktiv als Sängerin und als Chorleiterin in Zwettl

„Musik hat mir gefehlt“

Neben dem Job verlor Göll die Musik aus den Augen. „Aber das hat mir gefehlt.“ Sie fasste den Entschluss, das Singen zu professionalisieren, bewarb sich in St. Pölten am Kirchenmusikkonservatorium und studierte Gesang und Chorleitung. „Den Kirchenchor Zwettl leite ich nun schon 14 Jahre. Für das Singen muss neben dem Job einfach Zeit sein. Der Donnerstagabend ist mir etwa heilig, da ist Chorprobe“, sagt Manuela Göll. Und so, fügt sie hinzu, hat ihr Lebensweg trotz aller Umwege zur Volkskultur geführt.

Dort hatte sie sich für die Geschäftsführung beworben und diese am 1. Oktober 2022 übernommen. „Ich bin viel unterwegs, weg von zu Hause, aber es macht Spaß, ist für mich keine Arbeit“, betont sie. Volks- und Chormusik, Tracht, Bräuche, Handwerk und Volkstanz umfasst das Portfolio. „Die Volkskultur lebt davon, dass man sie lebt. Würde man sie unter einen Glassturz stellen, wird sie schnell langweilig“, betont Göll. Was stark die Volksmusik betrifft. „Musik entwickelt sich seit Jahrtausenden“, sagt Göll. Die Mischung von traditionellen und modernen Einflüssen finde sie spannend. „Wir wollen Lust darauf machen und Raum für Interpretation geben, dann ist es auch für Junge interessant“.

„Die Volkskultur lebt davon, dass man sie lebt“

Zwei Leidenschaften in einem: Singen und Tracht

Ähnliches gelte für die Tracht. Wobei der Trend zur Nachhaltigkeit der traditionellen Kleidung zugutekomme. „Junge Leute tragen wieder gerne das G’wand der Großeltern und keine Sachen, die man nach dreimal Waschen wegwirft.“ Und wie bei der Musik dürfe sich auch das Dirndl modernen Einflüssen nicht verschließen. „Früher durfte man ein Dirndl nur mit gewissen Schuhen oder Tüchern kombinieren, aber Tracht soll keine Modeerscheinung sein, man soll Freude an der Kleidung haben“, sagt Göll. Die selbst nicht selten das Dirndl mit Turnschuhen kombiniert. Denn das Wichtigste ist: „Tracht gehört getragen.“

Die Volkskultur NÖ versucht, die neue Lust an der Tradition zu begleiten. mit Workshops, Kulturvermittlungen. „Es geht nicht nur darum, Volkskultur zu konsumieren, sondern tiefer einzutauchen“, meint Göll. Das zeige sich sehr gut beim Handwerk. Im Brandlhof, Handwerkstatt der Volkskultur NÖ im Weinviertel, wird ein Schwerpunkt etwa auf die Jugend gelegt. Und da darf es schon mal ein „Speed Dating“ sein, wenn Interessierte Spinnen am Spinnrad, Sensenmähen oder das kreative Reparieren von Kleidung kennenlernen können. Denn die alten Handwerkskünste sind nicht nur für die Alten: „Wir haben einen Korbflechter, der ist 15 Jahre alt. Da mache ich mir wenig Sorgen um den Nachwuchs“, sieht Göll die Entwicklung auch in den vielen Vereinen im Land optimistisch.

Dass Volkskultur lebendig ist und bleibt, „ist kein Selbstläufer. Zu sagen, du musst das so machen, wie es schon deine Oma gemacht hat, wird nicht funktionieren“, betont Göll. Die Traditionen „ausprobieren und sich zu eigen machen“, sei das Erfolgsrezept.

Die Volkskultur

Die Volkskultur NÖ geht auf den 1956 gegründeten „Verband der Niederösterreichischen Heimat- und Trachtenvereine“ zurück. 1998 wurde die Volkskultur Niederösterreich BetriebsGmbH gegründet. Als Vernetzungsplattform ist die Förderung der regionalen Kultur das Anliegen. Das Programm reicht vom  Volksmusikfestival aufhOHRchen über viele Auftritte der Chorszene NÖ bis zum Dirndl-gwandsonntag. Der Brandlhof in Radlbrunn ist Ort für regionale Kulturvermittlung und Handwerk, das Haus der Regionen in Krems-Stein ein Treffpunkt für Künstler und Musikanten

Infos:www.volkskulturnoe.at

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