Die Stadt Baden als Selbstbedienungsladen

Der Stadtgartendirektor am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt vor dem Schöffensenat
Stadtgartendirektor und Buchautor wegen Untreue im Landesgericht Wiener Neustadt verurteilt, aber kein Amtsverlust.

Als Stadtgartendirektor, profunder Rosenzüchter, Buchautor und Botschafter der Aktion „Natur im Garten“ genoss er jahrzehntelang höchstes Ansehen. Weniger rosig sind die Vorwürfe, die am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt gegen Gerhard W. (60) in einem Schöffenprozess vorgebracht wurden. Der hohe Beamte der Stadt Baden und Absolvent der Uni für Bodenkultur soll über mehr als 30 Jahre die Stadtgemeinde als eine Art Selbstbedienungsladen gesehen haben. Der Anwalt der Kommune, Manfred Sommerbauer, beziffert den vorläufigen Schaden für die öffentliche Hand mit 170.000 Euro. Im Verfahren wegen Amtsmissbrauches bekannte sich Gerhard W. großteils schuldig, das finanzielle Ausmaß sieht er jedoch weit geringer.

Ins Rollen gekommen war der Fall nach einer Anzeige im Herbst 2019. Mitarbeiter der Stadtgartenverwaltung und anderer Abteilungen belasteten den 60-Jährigen schwer. Sie sagten aus, dass sie der Chef seit jeher im großen Stil zu seinem privaten Nutzen einteilte. Laut Aussagen der Betroffenen habe der Abteilungsleiter die Parkaufseher mit seinen privaten Einkäufen beauftragt und mit den Dienstfahrzeugen kreuz und quer geschickt. Eine Blumenbinderin der Stadtgärtnerei soll „fast täglich“ frische Gestecke und Sträuße für die Wohnung des Chefs arrangiert haben. „Sie haben ihre private Wäsche von den Mitarbeitern waschen lassen?“, wollte die Richterin vom Angeklagten wissen. „Ich weiß, das war nicht gut“, gab sich der 60-Jährige geläutert.

Die Stadt Baden als Selbstbedienungsladen

Das Rosarium in Baden

Dienstwohnung

Als er 1986 die Stadtgärtnerei als Leiter übernahm, kam er auch in den Genuss, das Diensthaus im Kurpark als Wohnung nutzen zu dürfen. Mit den Regeln der privaten und dienstlichen Nutzung nahm es Gerhard W. danach aber nicht so genau, gestand er ein. „Es ist mir erst im Nachhinein klar geworden, dass das verboten ist.“ Ohne es mit dem Rathaus zu besprechen, ließ er von Tischlern der Gemeinde Maßmöbel anfertigen, kaufte auf Rechnung der Stadt Elektrogeräte, Kameras und Mobiltelefone und ließ die Wohnung mehrmals ausmalen.

Beliebt machte er sich damit nicht unbedingt. Als die Blumenbinderin nicht mehr ständig die Gestecke für das Privatvergnügen des Chefs binden wollte, habe sie seine Terrasse schrubben müssen. „Als Strafe?“, fragte die Richterin. Das verneinte der Angeklagte.

Als Botschafter der Landesaktion „Natur im Garten“ brachte Gerhard W. auch ein Fachbuch über Rosen heraus. Selbst dafür soll er eine Mitarbeiterin während ihrer Dienstzeit eingeteilt haben. „Ich habe das Buch als Werbeträger für die Stadt Baden gesehen. Es wurde auch bei Anlässen verschenkt“, rechtfertigt sich der Beamte, der bei vollen Bezügen suspendiert ist. Als ihn 2016 sein neuer Stellvertreter auf den Amtsmissbrauch aufmerksam machte, sei der mit dem Hinweis abgewimmelt worden, dass das schon immer so gehandhabt worden sei.

Mountainbike zweckentfremdet

Eine weitere Anekdote betraf ein Mountainbike, das eigentlich für einen Kollegen als Dienstfahrrad angeschafft wurde. Gefahren ist der Mann allerdings nie damit. Gerhard W. hatte es für sich selbst beansprucht – „für Kontrollfahrten durch das Rosarium“.

Die Selbstbedienungsliste ließe sich noch länger fortsetzen. Laut Stadt umfasst alleine der Ordner der vergangenen drei Jahre 450 Positionen. Die Verteidigung hatte noch nicht die Gelegenheit, alle Ansprüche zu prüfen. Zur Wiedergutmachung von einem Teil des Schadens wurden vom Angeklagten am Montag 29.000 Euro überwiesen.

Zehn Monate bedingt

Das rechtskräftige Urteil: Zehn Monate bedingte Haft und 27.600 Euro Geldstrafe wegen Untreue. Von einem Amtsverlust wird bedingt abgesehen, Gerhard W. kann also trotz Verurteilung im Amt bleiben.

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