Der Rabenvater und seine gefiederten Schlaumeier

Der Rabenvater und seine gefiederten Schlaumeier
Thomas Bugnyar ist von Raben und ihrer Intelligenz fasziniert. Für seine Forschung erhielt er den Wissenschaftspreis des Landes NÖ

„Ich muss zugeben: Ich habe sie am Anfang unterschätzt. Und bin dann oft mit offenem Mund dagestanden“, sagt Thomas Bugnyar. Bei „sie“ handelt es sich um Raben. Und was den Wissenschafter so überrascht hat, das ist die Intelligenz dieser Vögel. Bugnyar ist ihr seit mehr als 25 Jahren auf der Spur und hat vieles über die schlauen Tiere herausgefunden. Auch, dass sie uns Menschen gar nicht so unähnlich sind.

„Ich war schon von klein auf auf Tiere fixiert“, erzählt der gebürtige Burgenländer. „In der Volksschule habe ich schon ins Freundebuch geschrieben, dass ich einmal Tierforscher werden will“ sagt er lachend. Und so kam es dann auch. Bugnyar studierte Biologie, fand rasch seinen Platz in der Verhaltensforschung. „Ich wollte versuchen, zu verstehen, wie Tiere Entscheidungen treffen. Und da haben mich die Tiere mit großen Gehirnen besonders interessiert.“ Bugnyar arbeitet anfangs mit Affen, dann aber führte ihn der Zufall zu großen schwarzen Vögeln.

Und zwar in Person von Kurt Kotrschal, damals Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal. „Er hat mich gefragt, ob ich nicht an Raben forschen wollte: ,Sind auch nichts anderes als fliegende Affen!’ hat er gemeint“, erinnert sich Bugnyar schmunzelnd. „Und so bin ich bei den Raben picken geblieben“.

Bugnyar war rasch von den Vögeln fasziniert. „Ich wollte wissen, ob sie wirklich so schlau sind, wie alle sagen.“ Dass Raben in Mythen und Religionen eine große Rolle spielen, war ein weiterer Aspekt. „Die beiden Raben von Odin etwa.“ Die Boten des germanischen Göttervaters berichteten, was sich auf der Erde zuträgt. „Dafür müssen sie gute Beobachter sein und viel wissen, das kann ich aus meiner Forschung bestätigen“, sagt Bugnyar. Auch bei vielen Naturvölkern wurden Raben verehrt. „In Ackerbau-Kulturen wurden sie hingegen eher verteufelt.“ Dass die Aasfresser nach Kriegen auf den Leichen saßen, war ihrem Ruf auch nicht gerade zuträglich.

Wie Raben aber wirklich sind und vor allem, wie clever sie sind, das war zu Beginn der Forschungen von Bugnyar kaum bekannt. Bugnyar wollte das herausfinden. „Geht nicht“, sagten viele. Doch er schaffte mit von Hand aufgezogenen Raben Experimente, unter kontrollierten Bedingungen durchzuführen. „Heute ist das Standard“, so Bugnyar. 2010 war er auch Mitbegründer der Forschungsstation in Bad Vöslau (Bezirk Baden), heute noch von weltweiter Bedeutung.

Der Rabenvater und seine gefiederten Schlaumeier

Neben Thomas Bugnyar wurde Christine Glaßner, Leiterin der Abteilung Schrift- und Buchwesen am Institut für Mittelalterforschung, ausgezeichnet

Seit 1964 fördert das Land NÖ herausragende Forscherinnen und Forscher, die durch ihre Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Eigenständigkeit des Landes leisten.  Auch heuer nahmen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und ihr Stellvertreter Stephan Pernkopf die Verleihung in Grafenegg vor.

  • Die Anerkennungspreise wurden an Stefan Freunberger, Leonid Sazanov und Maksym Serbyn vom Institute of Science and Technology in Klosterneuburg sowie an Eva Oburger von der Universität für Bodenkultur Wien am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln  verliehen.
  • Den Würdigungspreis für ihre Gesamtwerke erhielten Thomas Bugnyar von der Uni Wien, Leiter der Forschungsstation Haidlhof, sowie Christine Glaßner, Leiterin der Abteilung Schrift- und Buchwesen am Institut für Mittelalterforschung.

Zudem wurden die Wissenschaft Zukunft Preise für wissenschaftliche Arbeiten  von  Jungforschern vergeben.

Problemlöser

Und der Vergleich als „fliegende Affen“ sollte gar nicht so falsch sein. „Sie sind flexible Problemlöser. Und wenn es darum geht, andere auszutricksen, stehen sie Affen in nichts nach“, sagt Bugnyar. Raben können sich in andere hineindenken, planen, soziale Bindungen eingehen.

Damit sind sie uns Menschen nicht so unähnlich. Das komplexe Sozialverhalten dürfte auch ein Auslöser für die Schlauheit sein. „Raben wachsen in einem Familienverband auf, bleiben lange bei ihren Eltern, sind dann mit anderen Raben zusammen, in wechselnden Gruppen, in denen sie Freundschaften schließen, aus denen sich schließlich eine Partnerschaft entwickelt. Die meist ein Leben hält, wenn sie ein passendes Territorium finden. Das ist doch eine ganz ähnliche Lebensweise wie bei Menschen“, sagt Bugnyar. Seine einzelnen Raben sind auch ganz unterschiedliche Charaktere. Und vieles spricht dafür, dass sie ein Bewusstsein haben. „Ich würde nie sagen, dass sie die Welt so sehen, wie ich. Aber sie reagieren nicht einfach wie Automaten.“

Wohin geht die Reise?

Können Raben im Laufe der Evolution vielleicht sogar noch schlauer werden? „Ich würde nicht sagen, dass sich Tiere nicht weiterentwickeln. Wenn Arten in Gehirnwachstum investieren, wird dieses immer leistungsfähiger“, sagt Thomas Bugnyar. „Derzeit sind Raben auf dem Niveau von Kleinkindern. Vielleicht kommen sie in ein paar Tausend Jahren auf Schulkindniveau“, meint der Wissenschafter.

Und wie geht es weiter? „Seit einigen Jahren schauen wir uns die soziale Kompetenz an, das ist sehr spannend. Die Themen werden uns jedenfalls nicht ausgehen, so gut kennen wir die Vögel noch nicht. Da kratzen wir erst an der Oberfläche“.

www.haidlhof.org

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