Den EM-Heldinnen nicht würdig? Majestätsbeleidigung am grünen Rasen
Auf den EM-Titel vor 87.000 frenetischen Fans im Wembley-Stadion folgte der Kulturschock – zumindest für The Guardian, die BBC und den britischen Boulevard.
Die bissigen Lionesses (Löwinnen), frisch gebackene EM-Heldinnen, in einem „Vororte-Stadion“ vor 2.600 Besuchern. David Beckham, einer der prominentesten Fans des englischen Damen-Nationalteams, verstand die Welt nicht mehr. Für die Briten fast schon Majestätsbeleidigung.
Das Wiener Neustädter Stadion, hierzulande ein neu erbautes Gustostückerl in dem zuletzt Iron Maiden vor 25.000 Besuchern gerockt hat, hat es mit dem WM-Qualifikationsspiel der Damen in die internationalen Gazetten geschafft.
Wasserrutsche
Symbolträchtig dazu passend das Bild der Wasserrutsche des angrenzenden Hallenbades hinter den Tribünen. Wer keinen Sitzplatz mehr ergatterte, hatte immer noch die Möglichkeit von der Rutsche aus einen Blick auf die Fußballerinnen zu erhaschen, unken britische Medien.
Richard Löwenherz
Dass Wiener Neustadt 1194 ausgerechnet mit dem von England bezahlten Lösegeld für die Freilassung von Richard Löwenherz erbaut wurde, bezeichnet Fußball-England als gutes Omen. „Ein passender Ort für einen bevorstehenden Versuch der Weltherrschaft“, spielt The Guardian sogar auf die WM-Krone an. Größenwahn? Wohl eher Nationalstolz. Man traut den Lionesses den ganz großen Titel bei der Endrunde in Australien zu.
Aber zurück nach Wiener Neustadt. Die Stadiondebatte hat hierzulande ihren Höhepunkt erreicht. Denn die Kickerinnen fühlen sich zu Größerem berufen – was die Zahl der Zuschauer anbelangt. Wäre es nach den Spielerinnen gegangen, hätte das mit 0:2 verloren gegangene Duell mit England bereits in einem größeren Stadion stattfinden sollen.
Das Team macht aus seinem Ärger keinen Hehl. ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann bringt für die WM-Qualispiele die 8.000 Zuschauer fassende NV Arena in St. Pölten aufs Tapet und spielt damit Wr. Neustadt gegen die Landeshauptstadt aus. Angeheizt durch die motivierten Spielerinnen überlegt auch der ÖFB einen Wechsel. „Die Rahmenbedingungen und die Kulisse waren für die Mannschaft in Wiener Neustadt sehr gut“, sagt ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold. Aber nun müsse man über größere Standorte diskutieren.
330.000 Euro
In Wiener Neustadt mehren sich die Stimmen, die Kirche, oder das Stadion, im Dorf zu lassen. Wäre der Gegner nicht die gehypten EM-Siegerinnen gewesen, sehe die Sache schon anders aus.
Beim 10:0 Schützenfest der Damen am Dienstag gegen Nordmazedonien kamen „nur“ 1.750 Gäste. In St. Pölten wären dann 6.250 Plätze leer geblieben.
„Not amused“, wie die Briten sagen, wäre man im Rathaus über einen generellen Standortwechsel. Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) geht aber davon aus, dass das nicht eintreten wird und Wr. Neustadt generell die Heimstätte des Nationalteams bleibt: „Der Vertrag mit dem ÖFB ist zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der Hype um die Damenmannschaften nicht so groß war. Wir haben daher Verständnis, wenn man bei den großen Matches in größere Stadien ausweicht“.
Und um überhaupt erst die Heimstätte der ÖFB-Damenelf zu werden, hat die Stadt 330.000 Euro in die nötigen Adaptierungen des Stadions gesteckt.
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