Das Streben nach dem Gipfel des Wein-Genusses

Das Streben nach dem Gipfel des Wein-Genusses
Das Weingut von Dorli Muhr im Weinbaugebiet Carnuntum wurde unter die hundert Besten der Welt gelistet

„Ich bin zu hundert Prozent Agentur-Chefin und zu hundert Prozent Winzerin“, sagt Dorli Muhr mit einem Grinsen auf die Frage, was denn nun Haupt- und was Nebenjob sei. Da kann (und will) sie sich nicht festlegen. Als Gründerin und Eigentümerin von „Wine&Partners“ verhilft sie seit 32 Jahren dem heimischen Wein zu guter PR, als Winzerin ist sie auf der Suche nach dem perfekten, selbst gemachten Genuss. Und wurde jüngst vom US-Magazin Wine & Spirits als erste und einzige Frau aus Österreich in die Liste der hundert besten Weingüter der Welt gewählt. Deshalb war sie auch im neuen Servus TV-Format ,,Winzerlegenden“ zu sehen – übrigens als einzige Frau neben neun heimischen Winzern.

Dass Dorli Muhr zur Weinmacherin wurde, daran ist auch eine Frau schuld: ihre Großmutter. „Meine Familie kommt aus Rohrau (Anm. Bezirk Bruck/Leitha)“ erzählt sie. „Meine Oma ist mit sechs Jahren zur Tante nach Prellenkirchen (Nachbarort, Anm.) gekommen. Sie hatte immer schöne Erinnerungen daran und zu ihrer Hochzeit bekam sie von der Tante unter anderem einen Weingarten geschenkt, einen Weingarten am Spitzerberg“, erzählt Muhr. Der Weingarten war winzig, 0,17 Hektar, doch die Familie liebte und bewirtschaftete ihn. „Wir fahren auf den Berg, hieß es. In Rohrau war es ja bretteleben.“ Der Spitzerberg misst übrigens 302 Meter. Später hätte Dorli Muhr die Landwirtschaft der Eltern übernehmen sollen, doch „ich wollte nicht“. Die vielen Gelsen – Rohrau trägt das Au nicht umsonst im Namen – trugen ihren Teil dazu bei. Und so begann sie, Dolmetsch zu studieren. Französisch und Spanisch.

Das Streben nach dem Gipfel des Wein-Genusses

Dorli Muhr mit ihrem Kellermeister Lukas Brandstätter

Schicksalsbegegnung

Doch eine Reise nach Frankreich mit Rad und Zelt änderte alles. „Bei uns war das damals ja kein Kulturgut, aber dort war es ganz anders, da bin ich dem Wein verfallen.“ Das Schicksal (oder der Zufall) schlug zu und es ergab sich ein Gespräch mit dem Kellermeister von Mouton (die mit Rothschild). „Das war so faszinierend, danach war ich ein anderer Mensch“, sagt Muhr.

Zurück in Österreich waren die Dolmetsch-Pläne vom Tisch. 1991 gründete sie, im zarten Alter von 25 Jahren, die Agentur „Wine&Partners“. Ein Volltreffer. „Das ist ganz schnell groß geworden. Weil so etwas damals sonst niemand angeboten hat.“

Aber es blieb ein (noch) unerfüllter Traum: „Ich wollte immer selbst Wein machen.“ Muhr legte sich dafür ein Stück Land in der Toskana zu – doch sie zog nach Portugal. Der Liebe wegen; auch Tochter Anna wurde dort geboren. Die Ehe hielt nicht lange, doch Muhr hatte in Portugal – ihr Mann war auch Winzer – viel gelernt. „Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, frische Rotweine zu machen. Dazu, hatte ich gelernt, braucht man kontinentales Klima, alte Reben und Kalkboden. Das alles gab es in der Toskana nicht. Aber am Spitzerberg in Prellenkirchen, dort gab es genau das.“

2002 kehrte sie zurück und begann eigenen Wein zu machen. „Eigentlich nur für mich“, sagt sie. 500 Flaschen umfasste die erste Lese. Und das Ergebnis? „Das war gut, richtig gut.“ Dorli Muhr war auf einen Schatz gestoßen: auf den Spitzerberg. Und sie machte sich daran, den Schatz zu heben. „2002 gab es hier kaum einen Wein über zehn Euro, viele verkauften die Trauben.“ Damit war aber bald Schluss. Denn: „Ein großer Wein wird nicht im Keller gemacht.“

Und so holte Muhr den Spitzerberg aus der Bedeutungslosigkeit. Heute lässt der Name Weinfreunde mit der Zunge schnalzen, gehören die Weine vom Ried Spitzerberg doch zum Besten. 2017 wurde er als Erste Lage zertifiziert, rund zehn Winzer machen Wein unter dieser Bezeichnung. Muhr hat inzwischen 12 Hektar und produziert jährlich 60.000 Flaschen. Zum größten Teil Blaufränkisch. Und der ist äußerst geschätzt und gefragt. Vor allem international, 70 Prozent gehen in den Export.

Diese Erfolgsgeschichte klingt gradlinig und einfach, war es aber nicht. „Man stellt sich das romantisch vor, aber Weinmachen ist ein hartes Geschäft“, sagt Dorli Muhr. Ihr erster Wein entstand in einem Schupfen, die Tochter war drei Jahre alt, der Mann weg. „Ich musste aus nichts alles aufbauen. Jetzt bin ich auf einem guten Level angekommen, es ist ein zweites, richtiges Unternehmen geworden.“

Es gab auch Gegenwind: „Viele haben gesagt, die ist aus der PR, die will ja nur einen Mainstreamwein machen.“ Auch als Frau hatte sie es nicht leicht. „Die Denke im Weinbau ist männlich. Es gibt so viele grandiose Frauen, aber oft werden sie nicht so ernst genommen“, bedauert sie. Und sieht doch ein langsames Umdenken: „Bei uns in der Region gibt es gerade viele Töchter, die den Betrieb übernehmen. Ich sag mal, in zehn Jahren werden 70 Prozent aller Weine in Carnuntum aus Frauenhand sein“.

Das Streben nach dem Gipfel des Wein-Genusses

Das Weingut verfügt auch über einen neuen Verkostungsraum im besonderen Design

Vor nicht langer Zeit ist ihr kleines, feines Weingut mit Keller und Verkostungsraum fertig geworden. Ein weiterer Schritt. Und dass Tochter Anna gerade ein Wine-Business-Studium in Krems begonnen hat, ist ein Versprechen für die Zukunft. „Ob sie es fortführt, weiß ich noch nicht, aber das Ganze ist so genial geworden, es wird sicher weitergehen.“

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