Betonhauptstadt? Wie sich Wiener Neustadt zunehmend klimafit macht

Innerhalb der Siedlungsgrenzen von Wiener Neustadt sind 60 Prozent grün und 40 Prozent verbaut
Greenpeace verurteilte die Rodungen im Auwald der Fischa-Au für die Wiener Neustädter Ostumfahrung als Desaster für Natur, Umwelt und die heimische Landwirtschaft. Die Schneise der Straße zerschneide ein Natura-2000-Gebiet und versiegle dabei "wertvolle Grünflächen“, kritisieren die Umweltschützer. Es ist ein plakatives Beispiel für die Bodenversiegelung, die aktuell in aller Munde ist.
Wiener Neustadt ist mit einem Bodenverbrauch von 257 Quadratmetern verbauter Fläche pro Einwohner laut Statistik die österreichische Stadt, mit der zweitgrößten Bodenversiegelung. Negativer Spitzenreiter ist demnach St. Pölten mit 308 Quadratmeter verbauter Fläche pro Kopf.
Trockenrasen statt Betonwüste
Allerdings hat diese Statistik für Wiener Neustadt einen groben Schönheitsfehler. Auch der grüne Trockenrasen des Militärflugplatzes gilt wegen der Widmung als verbaute bzw. versiegelte Fläche – dabei handelt es sich immerhin um sechs Prozent der gesamten Stadtfläche.
Vorreiter in Sachen Entsiegelung
Aber verdient Wiener Neustadt tatsächlich den Beinamen "Betonhauptstadt“?
"Mitnichten“, heißt es dazu aus dem Wiener Neustädter Rathaus. Tatsächlich hat die Stadt eine gewisse Vorreiterrolle eingenommen, was das Thema Entsiegelung anbelangt.

Rasensteine statt Asphalt: Der Parkplatz der NMS Wirtschaft als Vorzeigeprojekt.
Landschaftsplaner
2022 wurde auch zu diesem Zweck die Abteilung für "Flächenmanagement und Geoinformation“ im Rathaus geschaffen. Wie die Leiterin, Sonja Gattringer erklärt, habe man es sich zur Aufgabe gemacht, jene Bereiche die sich im Eigentum der Stadt bzw. auf öffentlichem Gut befinden, zu definieren, und dort, wo es möglich ist, Flächen zu entsiegeln.
Fast 5.500 Quadratmeter an zubetonierten oder asphaltierten Plätzen wurden innerhalb von drei Jahren entsiegelt und versickerungsfähig gemacht.
Eines dieser Vorhaben gilt als Beispiel für "Best-Practice“: Im Sommer 2024 wurde der Parkplatz der Neuen Mittelschule für Wirtschaft im Zuge eines Totalumbaus klimafit umgebaut. In die Umsetzung war die Agentur "Natur im Garten“ sowie ein Landschaftsplanungsbüro mit eingebunden.

Rasensteine lassen das Wasser am Parkplatz versickern.
Weniger Risiko bei Starkregen
Die Asphaltschicht in Größe von 26 Pkw-Abstellflächen wurde entfernt und stattdessen mit versickerungsfähigen Rasensteinen versehen. "Der Regen kann so direkt vom Boden aufgenommen werden und versickert im Erdreich. Dadurch entlasten wir die Kanalisation, das Wasser wird lokal gespeichert und langsam abgegeben – das hält die Bäume vor Ort vital“, erklärt Gattringer.
Ein weiteres Beispiel gleich neben dem klimafitten Parkplatz: Erstmals wurde an einem öffentlichen Gebäude in Wiener Neustadt eine Fassadenbegrünung installiert. "Auch dort wird Regenwasser direkt aufgenommen, Lärm gedämpft und Staub gebunden“, heißt es seitens der Stadt. Die Begrünung habe einen weiteren positiven Nebeneffekt. An Hitzetagen kann die Temperatur der Gebäudehülle um bis zu acht Grad gesenkt werden.
Neue Bäume trotzen der Hitze
Bei der Pflanzung neuer Bäume wird auf die Klimaverträglichkeit geachtet. Bei jedem neuen Straßen- und Parkplatzprojekt der Stadt hat man sich dazu verpflichtet, wo immer es möglich ist, versickerungsfähige Flächen zu errichten.
Es braucht Nachahmer
Auch in den Bebauungsbestimmungen für Neubauten gibt es entsprechende Auflagen. Die Stadt könne aber nur als Vorreiter auf ihren eigenen Gründen mit gutem Beispiel vorangehen.
Man will Vorbild für Wohnbauträger, Supermärkte, Bauhäuser oder private Hausbesitzer sein. "Der Weg der Entsiegelungen, den wir vor einigen Jahren begonnen haben, trägt mittlerweile erste, sehr schöne Früchte. Gerade die Parkplatz-Entsiegelungen sollen leuchtende Beispiele für Einkaufszentren oder auch Wohnhausanlagen sein, wie man mit wenig Aufwand große Wirkung erzielen kann. Wir werden unseren Weg in jedem Fall weitergehen und hoffen auf viele Nachahmer aus dem privatwirtschaftlichen Bereich“, sagt dazu Franz Dinhobl, ÖVP-Stadtrat für Stadtentwicklung.

Fassadenbegrünung bei der NMS für Wirtschaft
60 Prozent im Siedlungsgebiet sind grün
Laut Daten des Umweltbundesamtes gelten 19,9 Prozent der gesamten Stadtfläche als versiegelt, innerhalb der ausgewiesenen Siedlungsgrenzen sind es 40 Prozent. "Das heißt im Umkehrschluss, dass 60 Prozent grün sind. Da tut man sich mit der Bezeichnung Betonhauptstadt wirklich schwer“, heißt es im Rathaus.
Was die Stadt aus ihren Projekten gelernt hat?
Bei der Umsetzung ist durchaus noch Überzeugungsarbeit zu leisten, außerdem entstehe ein größerer Aufwand durch die intensivere Pflege der Flächen. "Dafür verbessert sich das Mikroklima, der Boden und die Umgebung heizen sich im Sommer weniger auf und es entsteht mehr Lebensqualität“, so das Resümee.
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