Bad Vöslau: Vom Stiefkind zum Liebkind

Thermalbad Bad Vöslau, alte Ansicht.
Das Thermalbad in Bad Vöslau mausert sich wieder zum Treffpunkt für Literaten.

Kennen Sie Kabanesen? Oder wissen Sie, was es mit „das Grüne“ und „das Blaue“ auf sich hat? Wenn Sie dieses Fragen nicht wie aus der Pistole geschossen beantworten können, stammen Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus Bad Vöslau. Wenn Ihnen nicht bekannt ist, dass es dort einst auch eine „Warme Gasse“ gab, sind viele Vöslauer aber wohl so ratlos wie Sie. All das hängt mit dem Herzstück des Bad Vöslauer Fremdenverkehrs, dem Thermalbad, zusammen.

Fluch

Auf diesem schien einst ein Fluch zu liegen, denn sowohl der Begründer – Graf Moritz II. Fries –, als auch die Gemeinde Bad Vöslau gingen nach überbordenden Investitionen in den Badebetrieb pleite. Was blieb, ist ein einzigartiges Schmuckstück der Jahrhundertwende, dessen Parkanlage auf den Architekten Theophil Hansen zurückgeht, und dem 1926 der Feinschliff verpasst wurde.

„Wo sonst kann man in reinem Mineralwasser vor den Toren Wiens schwimmen“, heißt es seitens der zum Ottakringer-Konzern gehörenden Firma Vöslauer, die als Mineralwasser-Abfüller auch im Besitz des Thermalbades ist, nicht ohne Stolz.

Klotz am Bein

Das war aber nicht immer so. Als Ottakringer in den 1980er-Jahren die Abfüllrechte von der Zentralsparkasse kaufte, war das Thermalbad eher ein lästiger Klotz am Bein, denn ein Prestigeobjekt. Das Wasser, das Vöslauer – mittlerweile als Marktführer – in Flaschen abfüllt, sprudelt aus der Ursprungsquelle im Bad und füllt die Bassins („Vöslauer ohne“). Abfüllung und Badebetrieb waren und sind zwangsweise aneinander gekettet.

Seit etwa fünf Jahren weht ein frischer Wind. Aus dem Stiefkind wurde ein Liebkind. Das einzigartige Jahrhundertwende-Ambiente passt offenbar zur Wohlfühl-Marketing-Strategie des Getränkekonzerns.

Top-Models und Filmstars räkeln sich mittlerweile für Wasser-Werbespots im Thermalbad. Millionen wurden in den vergangenen Jahren investiert – in Sauna, ein neues Waldbecken, schicke Kabanen, deren Mieter von den Einheimischen als Kabanesen bezeichnet werden.

Wie einst Schnitzler, von Hofmannsthal u.a., tummeln sich erneut Künstler aus Wien zwischen Schwarzföhren, Milchbar und Ursprungsquelle. Mit dem „Schwimmenden Salon“ von KURIER-Kolumnistin Angelika Hager (siehe kurier.at) hält die Literatur wieder Einzug in das mondäne, dem Zeitgeist entsprechende Bad.

Herzstück

Für die Stadt Bad Vöslau ist es ohnehin das Herzstück des lange Zeit mauen Tourismus. „Das Thermalbad ist unser Alleinstellungsmerkmal“, weiß auch die neue Tourismuschefin Joëlle Reiner um den Mehrwert der 45.000 m² großen Freizeitanlage. Rund 200.000 Besucher kommen jährlich. Bis zu 7000 suchen an heißen Sommertagen unter den Platanen oder im Grünen oder im Blauen (Becken) Abkühlung.

Übrigens: Die "Warme Gasse" war der ursprüngliche Name der heutigen Bahnstraße in Bad Vöslau. Ihr entlang führt auch dieser Tage noch der Thermalwasser-führende Hansybach, der ob der relativ hohen Wassertemperatur (auch im Winter friert es nicht) der Gasse einst den Namen gab.

110 Jahre „Curort“, wie es einst hieß, 60 Jahre Stadterhebung und 35 Jahre Verschwisterung mit der Partnerstadt Neu-Isenburg: Bad Vöslau wird am Samstagnachmittag ab 14 Uhr zwischen Badplatz und Schlossplatz zur Festzone. Bei 50 verschiedenen Stationen gibt es Musik, Tanz, Gaukler, Trommler und verschiedene Angebote für Kinder. „Die Wetterprognose passt, wir hoffen auf viele Besucher“, meint Joelle Reiner, Leiterin der Vöslauer Tourismusabteilung. Die Straße zwischen den Plätzen ist für das Fest gesperrt.

„Ich bin so gern in Bad Vöslau – gestern, heute, morgen“ ist das Motto des Jubiläums. Höhepunkt soll ab 20.30 Uhr die vom Blasorchester live vertonte Vorführung von Foto- und Filmdokumenten aus den letzten 110 Jahren der drei Stadtteile Bad Vöslau, Gainfarn und Großau vor dem Rathaus sein. In sieben Kapiteln werden dabei mehr als 600 Dokumente zu sehen sein. Mehr zum Festprogramm auf der Homepage der Stadtgemeinde.

Ich entdeckte das Bad meiner Kindheit nach Jahrzehnten wieder, als ich von Vöslauer eingeladen wurde, einen Sommer dort in einer Kabane zu verbringen und über einen Roman nachzudenken. Während der Arbeit an dem Buch („Wer jung bleiben will, muss früh damit anfangen“) recherchierte ich viel über die Künstler der Jahrhundertwende, die in dem Kurort eine Sommerfiliale von Wien aufgezogen hatten. Ich träumte davon, diese Art von Künstlerkolonie zu reanimieren und erfand bei meinen langen Schwimm-Bahnen im Quellbecken den „Schwimmenden Salon“, der heuer inzwischen zum dritten Mal von der Bühne geht.

Zurückgebeamt

Der Magie des Ambientes erlagen viele meiner Künstlerfreunde, die in den letzten Jahren nach „Kabanien” auf Besuch und/oder um zu performen kamen. Der Burg-Schauspieler Roland Koch ist inzwischen mein Nachbar, Philipp Hochmair, der heuer mit seinem Rocksolo „Jedermann“ ins Bad kommt, will gar nicht mehr weg, wenn er einmal ein, zwei Tage da war. Die Atmosphäre ist, als ob man 115 Jahre zurückgebeamt wurde, eine Art Zeitreise, und man kann sich, wenn man die Augen kurz schließt, sehr gut vorstellen, wie Arthur Schnitzler hier einst die Ballettratten anbriet, Loos das Ornament verfluchte und Peter Altenberg als Kind von seiner Mutter im kühlen Nass gewiegt wurde, worüber er auch einen wunderschönen Text geschrieben hat.

Liebesdrama

Das Publikum hat den „Schwimmenden Salon“ – nach anfänglicher Skepsis – längst umarmt und wir haben viel Zuwendung erfahren. Das heurige Programm beginnt mit einer Polly-Adler-Lesung am 6. Juni um 19.30 Uhr, wo ich auch dem Publikum das kommende Festival schmackhaft machen möchte. Der Eintritt ist bei diesem Event frei; am 27. Juni rollen wir los: Die Burg-Stars Maria Happel und Johannes Krisch machen das Liebesdrama zwischen Oskar Kokoschka und Alma Mahler neu erfahrbar.

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