Aufstand für die Pflanzenvielfalt

Arche Noah Schiltern, Bernd Kajtna im Saatgutlager
Bauern wie Konsumenten fürchten um Lieblingsobst und -gemüse aus der Nachbarschaft.

Iga Niznik ist selber über die Lawine verblüfft, die die „Arche Noah“ gemeinsam mit „Global 2000“ losgetreten hat: 183.000 Menschen haben bisher ihre Online-Petition gegen eine EU-Richtlinie unterschrieben, die aus Sicht der Kritiker die Vielfalt der heimischen Nahrungspflanzen wie zum Beispiel Erdäpfel, Paradeiser, Paprika und Kräuter bedroht.

Wie berichtet, fürchten viele Menschen, dass eine in Arbeit befindliche EU-Verordnung, den Verkauf und Tausch von Samen oder Knollen und Pflanzen auf registrierte und genormte Sorten einschränkt. Bisher gibt es nur inoffizielle Entwürfe. Die aber sehen laut Insidern beunruhigend aus.

Wie sehr die Menschen das Thema bewegt, hat Sprecherin Niznik beim Pflanzentauschmarkt der „Arche Noah“ in Schiltern, Bezirk Krems, erlebt: Am 1. Mai sind statt der üblichen 3000 fast 6000 Leute gekommen. „Die meisten wussten Bescheid und haben sich zum Unterschreiben der Petition regelrecht angestellt“, berichtet Niznik.

Bedenklich

Aber auch die Menschen auf der Straße sind von dem Thema tief berührt. „Die Oberen glauben immer, es muss alles in eine Model gepresst werden. Natur bedeutet allerdings Vielfalt“, kritisiert Olga Wagner, die auf dem Markt in Langenlois, Bezirk Krems, Äpfel verkauft.

Aufstand für die Pflanzenvielfalt
Markt Langenlois - Aufregung um Saatgutverordnung
„Das betrifft auch uns, wir tauschen auch Pflanzen. Die Entwicklung ist bedenklich“, meint Christine Liebl aus Zöbing. Sie nutzt den Langenloiser Markt gern, weil die Produkte, die angeboten werden, in der Nähe wachsen.

So wie die Kräuter von Eduard Tastl, der zwar meint: „Ich schaue erst, was kommt, ehe ich mich aufrege.“ Im schlimmsten Fall müsse er seine Arbeit wohl einstellen.

Aufstand für die Pflanzenvielfalt
Erdäpfelregion Lainsitztal um Groß Schönau, Obmann Herbert Frantes
Herbert Frantes, Initiator der Erdäpfelregion „Lainsitztal“ rund um Großschönau, Bezirk Gmünd, versteht die Welt nicht mehr: „Zuerst bekommen wir von der EU Fördermittel, damit wir die Vielfalt unserer Erdäpfel erhalten können und dann versucht die Europäische Union genau das Gegenteil zu bewirken.“ Das sei eine bedenkliche Entwicklung, die verhindert werden müsse.

„Ansonsten bleiben von unseren 40 Erdäpfelsorten nur noch drei übrig“, befürchtet Frantes. Er sieht hinter der geplanten Verordnung nur einen Profiteur. „Die Konzerne verdienen, weil sie ständig neue Lizenzen vergeben. Für alte Sorten, die wir anbauen, bekommen sie keinen Cent, weil die Lizenzen längst abgelaufen sind“, erklärt Frantes.

„Wir als Verein Regionale Gehölzvermehrung vervielfältigen seit mehr als 15 Jahren hunderte Varietäten heimischer Wildgehölze“, sagt Obmann Andreas Paschka. Diese Pflanzen hätten durch Jahrtausende der Anpassung einen genetischen Vorteil gegenüber Importware.

Insekten

„Eine Einengung des Saatgutspektrums hätte negative Folgen für die Artenvielfalt. Es gibt bei vielen heimischen Insektenarten in Bezug auf Nahrung und Vermehrung spezifische Anpassungen an diese Wildgehölze“, argumentiert Patschka.

Wenn die EU am Montag wie angekündigt den ersten Verordnungsentwurf veröffentlicht, wird sich zeigen, ob die Kritiker mit ihren Befürchtungen Recht haben. Oder ob es im Vorfeld zumindest gelungen ist, das Schlimmste zu verhindern.

www.arche-noah.at

„Das ist ein klassischer Fall von Überregulierung. Da machen wir nicht mit.“ Umweltlandesrat Stephan Pernkopf und Landesvize Wolfgang Sobotka haben die Streitaxt ausgepackt. Den Vorhaben der EU in Sachen Saatgut-Verkehrsrecht erteilen sie eine klare Absage. „Das ist doch durchsichtig. Die Agrarindustrie will über die Saatgutvermehrung bestimmen. Das werden wir nicht zulassen.“

Die Landespolitiker ha ben hochkarätige Seilschaften geknüpft. Bereits zu Jahresbeginn stimmte Pernkopf sich mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer darüber ab, die EU-Pläne zu blockieren. „Erst vor Kurzem habe ich mit EU-Abgeordneten Othmar Karas auch darüber gesprochen und ihm gesagt, dass wir gegen diesen Vorschlag im EU-Parlament aktiv werden müssen“, erzählt Pernkopf. „Wir wollen die regionale Pflanzenvielfalt erhalten. Eine Kartoffel aus einer französischen Agrarfabrik wächst im Waldviertel nicht.“ Auch die Arche Noah und ihre Bemühungen führt der Umweltlandesrat als Beispiel an: „Wir unterstützen die Initiative seit langer Zeit.“

REWE

Am selben Strang zieht auch ein Handelsgigant, die Rewe Group, zu der Billa, Merkur, Penny, Bipa und Adeg gehören. In einem offenen Brief finden die Vorstandsvorsitzenden Frank Hensel (Rewe International) und Martina Hörmer, Geschäftsführerin von Ja!Natürlich scharfe Worte: „Es ist uns ein besonderes Anliegen, mit diesem Schreiben an Sie heranzutreten, um die gegenwärtigen Pläne in der Europäischen Saatgutverkehrsrechts-Causa abzuwenden. Die Neuausrichtung der Europäischen Saatgutverkehrsrichtlinien ist dringend erforderlich. Denn aktuell werden weder auf die Umwelt und die Bedürfnisse kleiner und lokaler Akteure in der Landwirtschaft und im Saatgutsektor Rücksicht genommen. Noch werden die Wahlfreiheit und Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten berücksichtigt. Die nächste Generation wird in Folge der Vielfalt beraubt.“

Das stehe im Gegensatz zur eigenen Arbeit als Wegbereiter der Diversität im gesamten Lebensmittelbereich. Rewe International stehe voll hinter den Forderungen von Arche Noah und Global 2000.

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