Annaberg: Wenig Geld für Opfer des Wilderers

Das noch ausstehende Sachverständigengutachten über die Immobilien von Alois Huber soll Aufschluss über dessen Wert bringen.
Die Wahnsinnstat jährt sich. Opferanwalt fordert "volle Genugtuung für die Hinterbliebenen".

Fast ein Jahr liegt die Wahnsinnstat von Alois Huber in Annaberg, NÖ, nun zurück. Aber auch jetzt ist der Fall noch nicht abgeschlossen. Über die Verlassenschaft des 55-jährigen ehemaligen Transportunternehmers läuft ein Konkursverfahren. Masseverwalter Johann Huber hat erst kürzlich den gesamten restlichen Besitz des Vierfach-Mörders – darunter seine Gmundner Keramik, Lederhosen und Trophäen – an einen Mann veräußert.

Wie viel die Villa des Mörders wert ist, prüft derzeit ein Sachverständiger. Die Hinterbliebenen der getöteten Polizisten haben die Entschädigung in der Höhe von 109.000 Euro bereits erhalten. Doch der Betrag sei viel zu gering im Vergleich zu dem Leid, das die Familien der getöteten Polizisten erleiden mussten – das sagt Klaus Gimpl, einer der Opferanwälte. Er fordert nun mehr Geld für die Hinterbliebenen.

Rückblick

Die Polizei verdächtigte den 55-Jährigen aus Großpriel im Bezirk Melk der Wilderei. Auch am 17. September verfolgten die Beamten Alois Huber. Doch der durchbrach eine Straßensperre und erschoss aus dem Auto einen 38-jährigen Cobra-Beamten. Kurz danach ermordete er einen 70-jährigen Sanitäter, der zu Hilfe eilen wollte. Alois Huber flüchtete weiter, erschoss einen Polizisten in einem Streifenwagen, zog ihn auf die Straße, erschoss den zweiten Polizisten im Streifenwagen und fuhr mit der Leiche im Auto in seine Villa in Großpriel. Dort verschanzte sich Huber in seinem geheimen Bunker, legte ein Feuer und erschoss sich danach selbst.

Opferanwalt Klaus Gimpl fordert jetzt "volle Genugtuung" für die Hinterbliebenen der Polizisten. Das heißt, die Republik Österreich soll bis an das Lebensende der Angehörigen sämtliche Kosten übernehmen. "Das geht vom vollen Verdienst des Getöteten bis zum Lebensende der Angehörigen bis zum Fahrschullehrer, der einem Kind das Autofahren beibringen muss, weil der Vater nicht mehr da ist", sagt Gimpl. Derzeit bekommen die Angehörigen von im Dienst getöteten Polizisten eine Einmalzahlung von 109.000 Euro, sowie Witwen- und Waisenrente.

Doch das ist laut Gimpl zu wenig. Ihm geht es um den Vorsatz von Hubers Wahnsinnstat. "Jeder Exekutivbeamte, der im Dienst vorsätzlich erschossen wird, sollte mehr bekommen, als jemand, der im Dienst etwa fahrlässig bei einem Unfall getötet wird", sagt Gimpl. Das solle auch für Beamte an Gerichten gelten.

Regress

3,8 Millionen Euro Forderungen wurden im Konkursverfahren anerkannt. 690.000 Euro davon betreffen die insgesamt zwölf Hinterbliebenen. Durchschnittlich sollte also jeder von ihnen 57.500 Euro bekommen. Laut Gimpl würden diese aber nach Abzug der Verfahrenskosten und anderer Forderungen maximal fünf Prozent ihrer Forderung, also etwa 2850 Euro, erhalten. Mehr Geld sei aus der Konkursmasse nicht mehr zu holen. Dazu komme, dass die Versicherungen aus der Konkursmasse schöpfen. "Das heißt, die Hinterbliebenen, die Witwen- und Waisenpensionen bekommen, zahlen sich diese in Wahrheit selbst."

(Mitarbeit: Kevin Kada)

Vor einem Jahr, am 17. September 2013, hat der 55-jährige Alois Huber in Annaberg (Bezirk Lilienfeld) drei Polizisten und einen Sanitäter erschossen. Für die Polizei ist der Fall mittlerweile geklärt, wie der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Konrad Kogler jetzt bekräftigte: "Wir haben alles erhoben, was für uns von Interesse war", sagte er.

Der Fall sei für die Exekutive eine Novität gewesen: "Es bleibt jemand am Tatort und sucht bewusst diese Konfrontation - mehrfach", schilderte Kogler das Geschehen. Alois Huber habe ein "atypisches Verhalten" an den Tag gelegt. Durch den Selbstmord des 55-Jährigen seien aber letztlich nicht alle Fragen beantwortbar gewesen.

"Hohe Professionalität"

So sei man bei der Untersuchung des Motivs auf Hypothesen der Psychologen angewiesen gewesen. Diese wiesen auf den langen Tatzeitraum hin – Huber soll zumindest 108 Straftaten zwischen 1994 und September 2013 verübt haben - und zogen laut Kogler den Schluss, "dass ihm durchaus bewusst war, dass es irgendwann zu einer Konfrontation kommen wird". Der Täter habe im Übrigen eine sehr hohe Professionalität an den Tag gelegt und in all den Jahren so gut wie keine Spuren hinterlassen. Kogler schloss es praktisch aus, dass es den Ermittlern früher möglich gewesen wäre, Huber auf die Spur zu kommen.

Im vergangenen Mai wurde der sogenannte Evaluierungsbericht über den Polizeieinsatz in Annaberg präsentiert, der eine Reihe von Empfehlungen für ähnlich gelagerte Einsätze in Zukunft enthält. Bei einem wesentlichen Punkt dabei ging es um die Schutzausrüstung - zum Beispiel Westen -, die die Opfer zwar verfügbar gehabt, aber nicht angelegt hatten. Kogler: "Grundsätzlich wollen wir viel Verantwortung beim Dienstausführenden belassen."

Anders als zuvor habe man aber eindeutig festgelegt, "bei gefahrengeneigten Tätigkeiten zumindest die leichte Schutzweste zu tragen", ergänzte der Leiter der Einsatzkommandos (Eko) Cobra, Bernhard Treibenreif. Es sei denn, wesentliche einsatztaktische Überlegungen sprechen dagegen.

Schwere Schutzwesten

Zur Erläuterung: Treibenreif zufolge wiegt die leichte Schutzweste 2,5 bis drei Kilogramm, die schwere inklusive der Einsatzplatten muss mit 13 bis 15 Kilogramm veranschlagt werden. Das seien Gewichte, die zum Beispiel bei Verfolgungsjagden durchaus eine Rolle spielen. "Die Frage ist immer: Wie entwickelt sich eine Situation?", erläuterte der Eko Cobra-Chef. Allerdings hätten drei der vier Opfer von Huber auch mit Schutzwesten keine Chance gehabt. Sie wurden durch Kopfschüsse getötet.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Empfehlungen aus dem Evaluierungsbericht soll in Kooperation mit dem Bundesheer umgesetzt werden. Dabei geht es um die Verfügbarkeit gepanzerter Fahrzeuge, wie es in dem Bericht angesprochen wurde. Dabei wurde auch auf "etwaige Synergieeffekte mit anderen Organisationen bzw. Behörden" hingewiesen.

"Wir schauen uns an, was wir alles mit dem Heer gemeinsam erreichen können", sagte der Generaldirektor. Es nütze der Polizei nichts, in Wien eigene Panzer zur Verfügung zu haben, wenn eine Lage in Bludenz eintrete, wo sie benötigt würden. Allerdings stellt sich für die Polizeispitze auch die Frage, wo man auf welche Bundesheerfahrzeuge zurückgreifen könnte. Denn nicht alle seien für die Belange der Exekutive geeignet.

Kogler will auch, dass in Zukunft bei bestimmten Einsatzlagen immer ausgebildete Rettungssanitäter dabei sind. Mit den Rettungsorganisationen sollen darüber hinaus entsprechende Prozesse für die Zusammenarbeit überlegt werden. Ebenso begrüßte er, dass der Evaluierungsbericht zu dem Einsatz zur psychologischen Betreuung der Einsatzkräfte Stellung nimmt und empfahl, das Betreuungsmodell "peer support" - Unterstützung durch gleichartige - fortzusetzen. Dazu kommt, dass der höchste heimische Polizist Trainings für Sonderlagen beim Eko Cobra "bestimmten Schlüsselpersonen" aus anderen Polizeibereichen anbieten will.

Nach Wildereien in den vergangenen Jahren waren mit Beginn der Hirschbrunft verstärkte Streifentätigkeiten im Bezirk Lilienfeld aufgenommen worden. Dabei stießen Beamte auf den Geländewagen des 55-jährigen Alois Huber. Kurz nach Mitternacht am 17. September 2013 durchbrach der Verdächtige eine erste Straßensperre und "eröffnete von seinem Wagen heraus gezielt das Feuer", berichtete damals die Polizei. Auf der Flucht kam der 55-Jährige mit dem Auto von der Straße ab und prallte gegen einen Zaun. Huber schoss dann vom Auto aus in einen Streifenwagen - ein 38 Jahre alter Cobra-Beamter starb.

Kurz danach feuerte der Täter auf ein zufahrendes Rettungsfahrzeug. Ein 70-jähriger Sanitäter wurde tödlich getroffen. Auf seiner weiteren Flucht zu Fuß stieß der Mann bei Lassinghof auf eine Streife und feuerte auf die im Wagen sitzenden Beamten. Der Lenker (51) kam ums Leben, der Wilderer zog den Toten aus dem Auto und warf ihn auf die Straße. Er tötete auch den zweiten Polizisten (44) und fuhr mit der Leiche mit dem Streifenwagen zu seinem Anwesen. Dort verschanzte er sich.

Ein Großaufgebot an Beamten - unter ihnen Dutzende Cobra-Kräfte - umstellte in der Folge den Vierkanthof. Auch drei Panzer des Bundesheeres rückten an, Hubschrauber wurden angefordert. Immer wieder schoss Huber zwischendurch aus dem Haus.

Selbst gerichtet

Erst Stunden später drangen Beamte in den Hof ein. In einem Geheimraum im Keller stießen sie schließlich auf die verbrannte Leiche des Täters. Der Wilderer hatte Feuer gelegt, bevor er sich selbst mit einem Kopfschuss tötete.

Monatelange Ermittlungen waren die Folge. In dem Geheimraum stieß die Polizei auf ein enormes Waffenarsenal, unzählige Jagdtrophäen und andere gestohlene Gegenstände.

Die vier Opfer wurden in der letzten September-Woche 2013 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in ihren Heimatorten bestattet. Am 13. Dezember 2013 wurde über die Verlassenschaft von Huber. ein Konkursverfahren am Landesgericht St. Pölten eröffnet. Der Wilderer hatte ein Transportunternehmen besessen.

Waffenarsenal

Fast drei Monate nach dem Amoklauf, am 19. Dezember, fand die Sicherstellung der gestohlenen Gegenstände - u.a. 305 Schusswaffen, Munition, 90 Hirsch- und etwa 500 Reh- sowie 100 weitere Jagdtrophäen - ihren Abschluss. Das Konkursverfahren wurde am 18. Februar 2014 fortgesetzt. Gläubiger meldeten 7,4 Millionen Euro an Forderungen an, wovon der Masseverwalter 3,8 Millionen Euro anerkannte. Laut Kreditschützern soll im Herbst dieses Jahres mit der Verwertung begonnen werden. Im August war noch die Erstellung eines Schätzungsgutachtens im Gang.

Knapp sieben Monate nach der Bluttat, am 14. April 2014, wurde der Polizeiabschlussbericht der Staatsanwaltschaft St. Pölten übergeben. Insgesamt wurden Huber 108 strafbare Handlungen in Niederösterreich, der Steiermark, in Salzburg, Kärnten und Wien zugeordnet. Die Taten soll er über 20 Jahre lang - von 1994 bis April 2013 - verübt haben. Bei den Delikten handelte es sich um Wilderei, Einbrüche, Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Motorrad-und Kennzeichendiebstähle. Der Schaden wurde mit 9,8 Millionen Euro beziffert. Der gesamte Akt umfasst 18 Bände.

Am 22. Mai 2014 wurden auch die vom Innenministerium geführten Untersuchungen zum Polizeieinsatz beendet. Laut dem Evaluierungsbericht sind "keine Faktoren festgestellt" worden, "die die Tathandlungen durch Huber zwingend verhindern hätten können". Der Täter habe "atypisch" gehandelt und "aktiv die Konfrontation mit der Polizei gesucht", sagte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit.

Sturmgewehr entdeckt

Wenige Tage später wurde das Sturmgewehr des Wilderers im Lassingbach in Annaberg gefunden. Mit dieser Waffe hatte er auf Polizeibeamte gefeuert und den Cobra-Beamten getötet. Mitte Juni tauchten die amtlichen Autokennzeichen von Huber in einer Sägemühle in Annaberg auf, ein Staplerfahrer hatte sie hinter Rundholz entdeckt. Huber war im Besitz mehrerer gestohlener Kennzeichen gewesen, die er bei der Ausübung seiner Straftaten verwendete.

Am 13. August 2014 wurde bekannt, dass das im Lassingbach gefundene StG 77 aus den Beständen des Bundesheeres stammt. Die ausrangierte Waffe hätte eigentlich vernichtet werden sollen. Wie das Sturmgewehr in die Hände von Huber gelangt war, blieb offen und soll auch nicht mehr erhoben werden. Der Privatbesitz ist verboten.

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