„Blaurot angelaufen“: Mann wurde fast zu Tode gewürgt

Zusammenfassung
- Ein 39-jähriger, mehrfach vorbestrafter Amstettner wurde nach einem versuchten Mord in St. Pölten zu zwei Jahren Haft verurteilt, das Urteil ist nicht rechtskräftig.
- Der Angeklagte, alkohol- und medikamentenabhängig, würgte im Rausch einen Bekannten fast zu Tode, konnte sich an die Tat aber nicht erinnern.
- Das Opfer erlitt keine bleibenden Schäden, der Täter wird in eine Entzugsanstalt eingewiesen, Bewährungsstrafen wurden nicht widerrufen.
von Anna Mayr
"Ich kann mich an nichts erinnern, ich habe im Rausch gehandelt", beteuerte der 39-Jährige Amstettner, der zuletzt arbeits- und obdachlos war und nun wegen versuchten Mordes auf der Anklagebank sitzt. Im Juli soll er einen ebenso obdachlosen Mann im Tageszentrum Kalvarienberg gewürgt haben, bis dieser blau angelaufen war. Zuvor fielen die Worte "Ich bringe dich um".
Der Angeklagte ist kein Unbekannter: Seit 2020 wurde er bereits drei Mal verurteilt, einmal wegen Online-Shopping unter falschem Namen, zwei Mal wegen schwerer Körperverletzung. Einmal würgte er dabei einen Bekannten, einmal die Nachbarin seiner damaligen Lebensgefährtin, beide Male war er alkoholisiert. Seit seinem 16. Lebensjahr sei er alkoholabhängig. Nur zwischen 2021 und 2024 sei er trocken gewesen, dann aber wegen "psychischen Problemen" wieder rückfällig geworden.
Ohne jegliche Erinnerung
An den Vorfall selbst könne er sich nicht erinnern, aber er könnte sich schon vorstellen, dass es sich so zugetragen habe, schildert der Angeklagte mit gesenktem Kopf: "Wahnsinn, dass ich wieder jemanden so schwer verletzt habe." Seit ungefähr drei Jahren nehme er Benzodiazepine ein, von denen er mittlerweile auch abhängig ist. In Kombination mit Alkohol können sie einen Verlust der Erinnerungen hervorrufen, wie ein Gutachten erklärt. Auch die Diskretionsfähigkeit des Angeklagten sei durch die jahrelange Abhängigkeit „schwer gestört“. Außerdem zeige sich eine „Persönlichkeitsveränderung“.
Der Angeklagte räumte ein, dass er am Tag des Vorfalles sechs Flaschen Bier und vier Liter Wein getrunken habe. Bereits nach dem Aufstehen begann er mit dem Alkoholkonsum - eine Routine, wie er vor Gericht erklärt. Anschließend habe er den Willi-Gruber-Park in St. Pölten aufgesucht, wo er aber eingeschlafen sei. Seine letzte Erinnerung vom Tag des Vorfalles sei der St. Pöltner Bahnhof. Dann habe er das Tageszentrum Kalvarienberg aufgesucht.
Streit eskaliert
Nach einem anfangs "gemütlichen Zusammensitzen", wie ein Zeuge das Beisammensein schildert, wurde der Angeklagte immer lauter und beleidigte das spätere Opfer mehrmals. Der stark berauschte Beschuldigte war der Ansicht, dass das Opfer am Vortag seine Geldbörse gestohlen hatte. Dabei fielen derbste Schimpfwörter, er soll dem Opfer auch mit dem Tod gedroht haben.
Schließlich eskalierte der Streit, der Angeklagte nahm den mutmaßlichen Dieb in den Schwitzkasten, verstärkte mit seiner zweiten Hand auch noch den Griff. Das Opfer konnte sich aus eigener Kraft nicht befreien. "Ich war total perpex und hab nicht gewusst, was ich tun soll", schilderte ein Zeuge die Situation. Die beiden Kontrahenten stürzten zu Boden, der 39-jährige behielt sein Opfer im Würgegriff. Die beiden Bekannten versuchten immer wieder die Hände des Angeklagten zu lösen. "Mit höchster Kraftanstrengung haben wir es dann geschafft", so ein Zeuge. Die Polizei und Betreuerinnen und Betreuer des Tageszentrums wurden alarmiert.
Gesicht "blau-rot verfärbt"
Während des Würgens, sei das Gesicht des Opfers "blau-rot angelaufen", sagten die beiden Zeugen am Mittwoch aus. Außerdem seien die Augen nach oben gerollt, die Abwehrversuche seinen immer langsamer und weniger kraftvoll geworden. Ein medizinisches Gutachten bestätigte den Tathergangs und auch, dass eine Todesfolge möglich gewesen wäre, hätte der Würgegriff nicht rechtzeitig gelöst werden können. Das Opfer, bei dem es sich um einen flüchtigen Bekannten des Angeklagten handeln soll, trug keine bleibenden Schäden oder Verletzungen davon. Der Mann konnte im Zuge des Prozesses jedoch nicht befragt werden, da er unentschuldigt fehlte.
Nach kurzer Beratung verurteilte das Landesgericht St. Pölten den gebürtigen Amstettner zu zwei Jahren unbedingter Haft. Außerdem wird er in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen. Die bereits erfolgte U-Haft wird angerechnet.
Auf den Widerruf zweier offener Bewährungsstrafen verzichtete der Richter: Eine längere Freiheitsstrafe hätte die Einweisung in eine Entzugsanstalt verhindert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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