„Vorhin hat mich eine Stadträtin aus einer Gemeinde mit einem ähnlichen Problem angerufen und gefragt, wie wir das geschafft haben“, meint Stadtrat Josef Baum (Liste Baum) schmunzelnd.
„Ja, heute sitzen wir mit breitem Grinsen da“, fügt Bürgermeister Stefan Steinbichler (SPÖ) hinzu. Und Stadträtin Waltraud Frotz (ÖVP) betont, dass „nicht nur Purkersdorf, sondern das gesamte Umland froh sein kann“.
Der personifizierte Grund für die Freude heißt Johannes Schaffer. Der Mediziner wird voraussichtlich noch heuer eine Kinderarzt-Ordination mit Kassenvertrag in Purkersdorf eröffnen. Womit eine sechsjährige Suche doch noch ein gutes Ende genommen hat.
1.000 Unterschriften gesammelt
Dabei sei man oft gegen verschlossene Türen gerannt und habe gehört, „dass man da eben nichts machen könne“, sagt Baum. Doch man habe nicht aufgegeben, den Druck ständig erhöht – etwa durch 1.000 Unterschriften oder Vorsprache beim Gesundheitsminister – und nun doch eine Lösung erreicht. Vorerst nur eine halbe, denn die Stelle ist auf zehn Stunden begrenzt.
Riesengroßer Bedarf
Purkersdorf ist auch „nur“ eine Außenstelle, Schaffer hat bereits eine Ordination in St. Pölten. Auch dort füllte er eine Lücke, indem er Ende des Vorjahres die lange unbesetzte Kinderarztstelle in der Landeshauptstadt übernahm.
Schon zuvor, als Arzt in der Spitalsambulanz in St. Pölten, habe er von Eltern oft gehört, dass sie ins Krankenhaus kommen müssen, weil es „draußen“ eben keine Kinderärzte mit Kassenvertrag gäbe.
„Meine Grundidee ist aber, dass Kinder gut versorgt werden, und zwar gratis“, meint der Mediziner. Eine (lukrativere) Privatordination widerspreche seiner Natur, meint Schaffer. „Ich finde es pervers, wenn man monatlich einzahlt und dann beim Arzt wieder zahlen muss.“
An Patienten sollte es nicht mangeln. In St. Pölten habe er absichtlich keine Werbung gemacht und „innerhalb von drei Wochen waren wir ausgebucht“. Der Schlüssel für eine Kinderarztstelle liegt übrigens bei 50.000 Einwohnern. Genauso groß ist das Einzugsgebiet in Purkersdorf, wenn man die umliegenden Gemeinden dazu rechnet.
Die Hürden für die Ordinationseröffnung will die Stadt „so gering wie möglich halten“, wie Bürgermeister Stefan Steinbichler betont. Von der Ärztekammer kommt eine Anschubfinanzierung von bis zu 70.000 Euro.
„Herausfordernd“
Auch wenn das Purkersdorfer Problem nun gelöst scheint, landesweit sind neun Kassenstellen für Kinderärzte unbesetzt, die meisten seit Jahren. Was viele Gründe hat, so Ärztekammer-Präsident Harald Schlögel: Was die Fachrichtung unattraktiver mache, sei die Überlastung.
„Je weniger Kassenstellen es gibt, desto überlaufener sind die bestehenden“, so Schlögel. Zwei Kinderärztinnen hätten zuletzt sogar ihre Kassenverträge niedergelegt, weil sie den Ansturm nicht mehr geschafft hätten.
Außerdem ist „die Betreuung von Kleinkindern sehr herausfordernd, Untersuchungen dauern dadurch auch viel länger als bei Erwachsenen.“ Das sorgt für zusätzlichen Stress und ein Kinderarzt „schafft“ deutlich weniger Patienten pro Tag – und verdient damit auch deutlich weniger.
Auch wenn Geld nicht im Vordergrund stehe, müsse man entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. Individuelle Lösungen in den Regionen, wie Gruppenpraxen, könnten ein Weg aus der Ärztekrise sein. Denn: „Wir verlieren zunehmend Leute aus dem Kassensystem“, warnt Schlögel.
Land vergibt Stipendien für mehr Landärzte
Seit Donnerstag, können sich Medizinstudierende wieder für Landarztstipendien des Landes NÖ bewerben. Für 923 Euro Förderung monatlich verpflichten sich Bewerber, fünf Jahre im Bundesland zu arbeiten.
„Wir müssen den medizinischen Nachwuchs schon während des Studiums bestmöglich fördern und wir wollen, dass die jungen Menschen nach dem Studium hier tätig werden“, sieht LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf in den Stipendien einen wichtigen Ansatz.
Gleichzeitig fordert er, wie auch Landesrat Ludwig Schleritzko (beide ÖVP), eine Erhöhung der Studienplätze seitens des Bundes: „Da wird von Ärztemangel gesprochen, während gleichzeitig neun von zehn jungen Menschen das Medizinstudium verwehrt bleibt, weil es an den öffentlichen Universitäten nicht genügend Studienplätze gibt. Das ist eine Chuzpe und muss dringend geändert werden.“
Die Ausschreibungsfrist für das Studienjahr 2023/24 beginnt am 15. Juni und endet am 16. August. Nähere Infos zum nö. Landarzt-Stipendium finden Sie hier.
Kommentare