9,5 Kilo Crystal Meth nach Österreich geschleust: 16 Jahre Haft für Bulgaren

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Mehrfach Vorbestrafter soll europaweiten Handel aus dem Gefängnis geleitet haben - was er bestreitet. Urteil nicht rechtskräftig.

Recht unscheinbar wirkt der 47-jährige Bulgare, der am Dienstag in Handschellen in den Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wiener Neustadt geführt wird. Rein optisch lässt wenig vermuten, dass der kleingewachsene Mann mit kahlgeschorenem Kopf Boss einer europaweit agierenden Drogenorganisation sein soll.

Doch die Anklage der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen ihn wiegt schwer, die Strafdrohung ist entsprechend hoch: 10 Jahre bis lebenslänglich. Deshalb muss sich der Bulgare auch vor einem Geschworenen-Senat unter Vorsitz von drei Berufsrichtern verantworten.

Heroin und Kokain

Warum? 9,5 Kilogramm Methamphetamin - bekannt als "Crystal Meth" - soll der mehrfach Vorbestrafte in den Jahren 2021 und 2022 nach Österreich geschleust haben. Aus der Haft in Bulgarien habe er eine Vielzahl von Mittelsmännern über eingeschmuggelte Mobiltelefone dirigiert, sagt die Staatsanwältin. "Sie haben in ganz Europa auch mit Heroin und Kokain gehandelt. Weil es in Österreich nur Methamphetamin war, ist hier nur dieser Bereich angeklagt", erklärt sie in ihrem Eingangsvortrag - macht aber klar: "Die Dimension, um die es hier geht, ist auch für uns nicht alltäglich."

Den Handel mit Suchtgift gibt der Bulgare auch freimütig zu. Chef einer kriminellen Vereinigung zu sein, bestreitet er jedoch. "Ich bin im Gefängnis gesessen, darum konnte ich die Übergaben nicht selbst machen. Aber ich bin nicht der Boss", behauptet er. Doch dem widersprechen zahlreiche Chat- und Anruf-Protokolle, die von den Ermittlern dank sichergestellter Mobiltelefone ausgewertet werden konnten.

Anweisungen und Vollzugsmeldungen

Das Ergebnis dieser akribischen Ermittlungsarbeit ist am Dienstag auch am großen Bildschirm im Schwurgerichtssaal zu sehen. Ein "Organigramm", in dessen Mittelpunkt der 47-Jährige steht. Bei ihm seien alle Fäden zusammengelaufen. Telefonate und Nachrichten mit Anweisungen für Drogenübergaben wurden ebenso aufgelistet, wie entsprechende Vollzugsmeldungen der Mittelsmänner. Weil es deutlich mehr als zehn Personen sind, die in regelmäßigem Kontakt mit dem Angeklagten standen, spricht die Staatsanwältin von einer "Großbande" laut gesetzlicher Definition.

Auch Bilder des gehandelten Suchtgiftes sowie Adressen für Übergaben finden sich regelmäßig in den Nachrichten, die über mehrere verschiedene Messenger-Dienste ausgetauscht wurden. Was weder der Bulgare, noch sein Mittelsmann in Sollenau (Bezirk Wiener Neustadt-Land) wussten: einer jener potenziellen Abnehmer für das angebotene Crystal Meth in Österreich war ein verdeckter Ermittler der Polizei, der von bulgarischen Kollegen auf die Machenschaften des Dealers aufmerksam gemacht worden war.

"Machen ohne mich weiter"

Über Monate stand dieser Ermittler in Kontakt mit den Drogendealern, vereinbarte Mengen und Kaufpreise, ehe man bei einer Übergabe in Sollenau schließlich zuschlug und den Zwischenhändler festnahm. Er ist inzwischen rechtskräftig verurteilt, legte ein umfassendes Geständnis ab und belastet darin auch den 47-jährigen Bulgaren. Trotzdem bleibt dieser am Dienstag dabei: "Ich habe nur zwischen verschiedenen Personen vermittelt, die Drogen gekauft oder verkauft haben. Ich war nicht der Chef einer Bande, denn die machen jetzt alle auch ohne mich weiter."

Voraussetzung für eine Verurteilung als "führendes Mitglied einer Großbande" sei nicht, dass der Mann Oberhaupt der gesamten Organisation sei, erklärt die Staatsanwältin den Geschworenen. "Es reicht, wenn er über einen Teil weisungsbefugt war. Stellen Sie sich das ungefähr wie den Filialleiter einer Supermarktkette vor." Die Geschäfte im "Drogen-Supermarkt" liefen offenbar gut. So wechselten zum Beispiel für die Übergabe von zwei Kilogramm Crystal Meth 22.000 Euro den Besitzer, ein anderes Mal 16.000 Euro für 1,1 Kilogramm

Die Geschworenen fällen nach längerer Beratung einen Schuldspruch. Das Urteil, 16 Jahre Haft, ist nicht rechtskräftig. 

"Es gibt in den Chats immer wieder Nachrichten von Kontakten, die melden, dass sie Aufträge für Sie erledigt haben. Warum sollten sie das machen, wenn Sie nicht der Chef waren?", hatte die vorsitzende Richterin bereits ihre Zweifel an der Version des 47-Jährigen formuliert.

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