Tulln: DNA-Massentest bei 59 Asylwerbern

(Symbolbild)
15-Jährige wurde mehrfach vergewaltigt. DNA-Überprüfung brachte zwei Verdächtige ans Licht.

Ein abscheuliches Verbrechen in Tulln (NÖ) hat Staatsanwaltschaft und Polizei zu einer ungewöhnlichen Maßnahme greifen lassen. Es ist das erste Mal in Österreich, dass auf Anordnung der Justiz ein DNA-Massentest durchgeführt wurde. Die rechtliche Grundlage dafür gibt es bereits seit 2008.

Wie durch die DNA-Reihenuntersuchung bekannt wurde, ist am 25. April in Tulln ein erst 15-jähriges Mädchen von drei unbekannten Männern in einem Augebiet verschleppt und vergewaltigt worden. "Das Opfer musste ein unvorstellbares Martyrium über sich ergehen lassen", schildert ein Ermittler. Die 15-Jährige war spätabends auf dem Nachhauseweg, als sich drei unbekannte Männer nach kurzer Verfolgung auf sie stürzten. Das Mädchen wurde von ihren Peinigern mehrmals vergewaltigt. Kurz darauf gelang es ihr, sich mit heftiger Gegenwehr loszureißen und zu flüchten. Doch die Verfolger waren schneller. Das Opfer wurde auf ein unbewohntes Grundstück gezerrt und erneut missbraucht. Als die Männer fertig waren, ließen sie 15-Jährige in der Wiese zurück.

Bei einer Untersuchung im Universitätsklinikum Tulln konnten für die polizeilichen Ermittlungen wertvolle DNA-Spuren sichergestellt werden.

Durch die Schilderungen des Mädchens ist der Verdacht sofort auf die Asylunterkünfte in der Umgebung gefallen. "Sie hat die Männer eindeutig als Ausländer und teils dunkelhäutig identifiziert. Die fremde Sprache kannte sie bereits vom oftmaligen Vorbeigehen an dem Containerdorf", so ein Ermittler zum KURIER.

Aufgrund der Indizien ordnete die Staatsanwaltschaft St. Pölten einen DNA-Massentest bei 59 in Tulln aufhältigen Asylwerbern an – 34 von ihnen waren in drei Containerdörfern und 25 privat untergebracht.

Der Vergleich der Mundhöhlenabstriche mit den Spuren am Opfer brachte zumindest zwei Übereinstimmungen: einen 19-jährigen Afghanen und einen gleichaltrigen Somalier. Währen der Afghane festgenommen werden konnte, ist der Somalier am Dienstag untergetaucht. Wer der dritte Verdächtige ist, ist Gegenstand von Ermittlungen.

Als bekannt wurde, dass die Proben tatsächlich mit Asylwerbern aus Tulln übereinstimmen, reagierte der Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP) mit aller Härte: "Tulln stellt ab sofort die Aufnahme von neuen Flüchtlingen ein. Jene, die sich bereits in Tulln befinden und sich nichts zu Schulden kommen haben lassen, werden natürlich weiter versorgt. Aber es werden keine Neuen aufgenommen. Ich verfolge eine Nulltoleranz-Politik gegenüber straffälligen Asylwerbern, die das Gastrecht missbrauchen." Es könne nun nicht zur Tagesordnung übergegangen werden, sondern der Vorfall müsse ausgiebig analysiert werden. Es müsse geschaut werden, ob es Mängel in der Betreuung gibt.

Auch Stadtrat Hubert Herzog (SPÖ) ist schockiert über die Tat, er hat selbst eine 15-jährige Tochter: "Es ist schrecklich, aber trotzdem dürfen jetzt nicht alle Asylwerber in einen Topf geworfen werden. Wir bereuen natürlich nicht, den Menschen eine Unterkunft in Tulln gegeben zu haben. Wegen einer Einzeltat dürfen nicht alle verantwortlich gemacht werden."

Die Tullner Bevölkerung ist beim Lokalaugenschein des KURIER entsetzt über die Tat, reagiert aber differenziert: Die 18-jährige Marlene ist eine Nachbarin des Opfers und geht regelmäßig denselben Weg. "Es ist ein ungutes Gefühl. In der Nacht vermeide ich es, hier alleine unterwegs zu sein, was mir früher total egal war. Ich habe nie damit gerechnet, dass hier so etwas passieren könnte." Was ihr jedoch wichtig ist: "Ich habe Angst, dass jetzt wieder alle Flüchtlinge generalverdächtigt werden. Das ist falsch, es gibt immer schwarze Schafe." Auch Andreas, 26, fühlt sich deswegen nicht unsicherer in Tulln. Er möchte aber nicht, dass seine Freundin alleine diesen Weg geht.

Nach der Vergewaltigung einer 15-Jährigen in Tulln hat die Stadt reagiert: Weil es sich bei den Tätern um Flüchtlinge handeln soll, werde die Zuteilung weiterer vorerst verweigert, teilte das Rathaus mit. Die Betreuung jener, die sich bereits in Tulln befinden und "an die hier geltenden Regeln und Gesetze halten", werde freilich fortgesetzt.

"Für mich gibt es null Toleranz gegenüber straffälligen Asylwerbern, die das Gastrecht missbrauchen. Angesichts dessen, was diese Verbrecher dem Mädchen angetan haben, ist die volle Härte des Gesetzes gefordert", stellte Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP) in einer Aussendung unmissverständlich fest.

Der zuständigen Stelle beim Land Niederösterreich sei am Dienstag mitgeteilt worden, dass Tulln bis auf weiteres die Aufnahme von Flüchtlingen verweigere. Das solle den notwendigen Freiraum schaffen, "der nötig ist, um die Vorkommnisse zu analysieren".

Der Fall in Tulln ist das erste Mal, dass in Österreich ein DNA-Massentest oder eine sogenannte Reihenuntersuchung zur Anwendung gekommen ist.

Rechtlich möglich ist diese Form der molekularbiologischen Untersuchung einer größeren Personenanzahl seit der großen Strafprozessreform, die am 1. Jänner 2008 in Kraft getreten ist. Bis zum aktuellen Fall wurde davon aber nicht Gebrauch gemacht.

Für die Anordnung eines Massentests müssen ganz bestimmte Voraussetzungen herrschen. Festgeschrieben sind diese im Paragrafen 123 der Strafprozessordnung. Eine körperliche Untersuchung ist auch an Personen zulässig, die einem durch bestimmte Merkmale individualisierbaren Personenkreis angehören, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Täter in diesem Personenkreis befindet, ... heißt es unter anderem darin. Als "individualisierbaren Personenkreis" kann auch – so wie im gegenständlichen Fall – eine Gruppe Asylwerber gesehen werden.

Schwerwiegende Tat

Voraussetzung ist, dass die zu Grunde liegende Tat ein Sexualdelikt oder eine mit mehr als fünf Jahren Haft bedrohte Straftat ist.

Die Mundhöhlenabstriche dürfen beispielsweise von der Kriminalpolizei von sich aus abgenommen werden. "Für die Untersuchung des daraus gewonnen Materials braucht es allerdings nicht nur die Anordnung der Staatsanwaltschaft, sondern auch zusätzlich die Genehmigung des zuständigen Gerichts", erklärt Rudolf Jocher von der Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Justizministerium. Die Auswertung selbst hat durch ein Sachverständigen-Labor zu erfolgen.

Nur das Untersuchungsmaterial von tatverdächtigen Personen darf in der DNA-Datenbank der Polizei gespeichert werden. Jene Proben, die nicht mit der Vergleichs-DNA einer Straftat übereinstimmen, müssen ohne Speicherung unverzüglich vernichtet werden.

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