Neubau kam auf keinen grünen Zweig

Die Grünen führen in Wien-Neubau herbe Verluste ein.
Riesenverlust für die Grünen in ihrer ehemaligen Hochburg, Anrainer machen mehrere Gründe dafür aus.

Für Dominik B. ist die Sache klar. "Ich sage nur Vassilakou", schimpft er, angesprochen auf die Wahlschlappe der Grünen, vor dem Café Europa in Wien-Neubau los. "Ich sage Heumarkt-Projekt, Belvedere-Stöckl, Umgang mit den Jungen Grünen, Pilz-Diskussion", setzt der Unternehmer fort. Dominik B. wohnt an der Grenze zwischen sechstem und siebten Gemeindebezirk und war bisher grüner Stammwähler. Am Sonntag habe er aber SPÖ angekreuzt, erzählt er. "Um Schwarz-Blau zu verhindern."

So ähnlich könnten viele andere Wähler in der – mittlerweile ehemaligen – grünen Hochburg Neubau gedacht haben. Während die SPÖ laut vorläufigem Ergebnis dort gegenüber der Nationalratswahl 2013 14 Prozentpunkte dazugewann, rutschte die Öko-Partei von einem Stimmanteil von 32,4 Prozent auf 11,4 Prozent ab. Sogar die FPÖ konnte in dem seit 16 Jahren grün regierten Bezirk ein leichtes Plus verzeichnen, auch die ÖVP legte zu. Die Liste Pilz vereinte 12,1 Prozent der Neubauer Wähler hinter sich.

Mehr Auswahl

Dieses zusätzliche Angebot macht Timna Schwaiger für das schlechte Abschneiden der Grünen verantwortlich. Die Biologie-Studentin wohnt im siebten Bezirk und hat die Partei bei vergangenen Wahlen unterstützt. Dieses Mal gab sie ihre Stimme Roland Düringers Liste G!lt. "Die Grünen waren im Bezirk kaum präsent, vielleicht haben auch deswegen viele die Liste Pilz oder andere Parteien gewählt."

Christiane Gruber, die ein paar Straßen weiter eine kleine Boutique betreibt und auch in Neubau zu Hause ist, kann sich vorstellen, dass auch die Stadtpolitik eine Rolle gespielt hat. "Ich bekomme von den umliegenden Geschäftsleuten mit, dass der Umbau der Mariahilfer Straße weniger Frequenz nach sich gezogen hat. Viele sind unzufrieden." Sie selbst schwanke immer zwischen Grün und Rot. Am Sonntag stimmte sie für die SPÖ. "Kern spricht genau das an, worum es geht."

Motivierter Nachfolger

Markus Reiter, der ab 1. Dezember den Neubauer Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger beerben wird, sieht die herben Verluste im eigenen Bezirk nicht so dramatisch für die Arbeit auf Kommunalebene: "Ich glaube, dass die Wähler sehr wohl zwischen den verschiedenen Wahlen unterscheiden. Vor allem die grünen Wähler sind sehr mündige Wähler, die nicht nur eine Partei aus Gewohnheit wählen, sondern aus Überzeugung. Das bringt Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten." Ob ihn die Ergebnisse der Nationalratswahl verunsichert haben? "Überhaupt nicht", sagt der zukünftige Bezirkschef. "Ich bin vollkommen überzeugt von meiner Aufgabe und brenne dafür."

Das verfrühte Bekanntwerden von Blimlingers Rückzug von der Bezirksspitze könnte eine indirekte Rolle für das Neubauer Wahlergebnis gespielt haben, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Nachfolge-Diskussionen würden Aufmerksamkeit abziehen, die eigentlich auf den Wahlkampf gelenkt werden sollte. "Das ist eine gewisse Selbstkonkurrenz." Und Franz R., der hinter dem Sitz des Bezirksvorstehers wohnt, hat noch eine andere Erklärung: "Ich hätte mir Peter Pilz oder Werner Kogler als Spitzenkandidat gewünscht." Am Sonntag machte er sein Kreuz bei der SPÖ. Das Ergebnis der Grünen freue ihn als ehemaligen Wähler nicht, räumt er ein. Was nötig sei, um ihn wieder zu gewinnen? "Als geschlossene Truppe auftreten", sagt er. "Und vielleicht die Werbeagentur wechseln."

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