Bergdrama: "Ein einziger Fehltritt und es ist aus"

Die Familie stieg nach dem Besuch des Hubertushauses über den Springlessteig ab.
Vater und Sohn starben bei Absturz am Berg, das zweite Kind kämpft im Spital um sein Leben.

Während der fünfjährige Til im SMZ-Ost in Wien um sein Leben kämpft, wird in Internetforen und Bergsteigerkreisen heftig diskutiert. Haben Kinder im Alter von drei und fünf Jahren etwas auf einem – wenngleich als leicht beschriebenen – Klettersteig verloren? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Ohne Seilsicherung gibt es jedenfalls keinen sicheren Schutz gegen einen Absturz.

Es ist eine unfassbare Tragödie, die sich Sonntagnachmittag auf der Hohen Wand im Bezirk Neunkirchen (NÖ) ereignet hat. Der Vater und ein Sohn sind tot, der Zustand des zweiten Kindes ist kritisch. Die vierköpfige Familie aus Wien-Margareten hatte den wunderschönen Herbsttag für eine Wanderung auf den beliebten Ausflugsberg genutzt. Manuel S. (36) und seine Frau stiegen zusammen mit Liam (3) und Til (5) über den Springlessteig zum Hubertushaus auf das Hochplateau auf. Das Unglück geschah kurz vor 15 Uhr beim Abstieg von der Hütte. "Zu Beginn des Klettersteigs ist das Gelände exponiert. Ein einziger Fehltritt und es ist aus", sagt Johann Aschenbrenner von der Bergrettung Grünbach am Schneeberg. Der erfahrene Bergretter führte den KURIER am Montag zu der Unglücksstelle ins steile Gelände.

Bergdrama: "Ein einziger Fehltritt und es ist aus"
Absturz,Hohe Wand

Tragegurt

Laut Ermittlungen der Polizei ist der Fünfjährige vor seinem Vater bergab geklettert. Das jüngere Kind trug der 36-Jährige in einem Tragegurt am Rücken. Wenige Meter vor der Schlüsselstelle des Klettersteigs, einer zehn Meter hohen Metalleiter, verlor Til das Gleichgewicht. Die Stütze des zur Sicherung montierten Stahlseils hatte sich an dieser Stelle im Erdreich gelockert. "Vielleicht hat sie ein paar Zentimeter nachgegeben", heißt es vonseiten der Einsatzkräfte. Das Kind rutschte unter dem Stahlseil durch und stürzte über die senkrechte Wand in die Tiefe. Manuel S. versuchte, seinen Sohn an der Kleidung zu schnappen. Doch er verlor selbst das Gleichgewicht und fiel mitsamt dem dreijährigen Liam hinterher.

Andere Wanderer, die das Unglück beobachtet hatten, wählten sofort den Notruf und kümmerten sich um die geschockte Mutter. Die Bergrettung Grünbach sowie zwei ÖAMTC-Rettungshubschrauber rückten zur Unfallstelle aus. Die Hilfsmannschaften fanden den Mann und die beiden Kinder 150 Meter unter der Absturzstelle. Für den Vater und den dreijährigen Liam gab es keine Rettung mehr. Trotz schwerer Kopfverletzungen und vielfacher Knochenbrüche war der fünfjährige Til am Leben. Das Kind wurde nach rascher Erstversorgung mittels Tau zu einem Zwischenlandeplatz geflogen, dort in einen Hubschrauber geladen und ins SMZ-Ost nach Wien gebracht.

Horror-Nachricht

"Währenddessen haben wir die Mutter ins Tal gebracht. Sie war natürlich mit den Nerven am Ende", erzählt Aschenbrenner. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Frau noch nichts vom Schicksal ihrer Familie. Sie hoffte, dass die drei Verunglückten am Leben sind. Erst Mitarbeiter des beigezogenen Kriseninterventionsteams bereiteten die 36-Jährige auf die Horror-Nachricht vor.

Obwohl der Springlessteig als harmloser und für Kinder und Anfänger geeigneter Steig der Schwierigkeitsstufe A (leicht) eingestuft ist, gibt es an den exponierten Stellen senkrecht abfallende Felswände. "Man darf das Ganze natürlich nicht mit einem Wanderweg verwechseln. Technisch werden solche Steige als einfach beschrieben, trotzdem geht es daneben senkrecht hinunter", erklärt Helmut Friessenbichler von der nö. Bergrettung. Im Zweifelsfall sollten Kinder immer mit einem Seil gesichert sein.

Wandern, Klettern und Bergsteigen erlebt in den vergangenen Jahren einen Boom. Das spiegelt sich auch in den Unfallzahlen wieder. Alleine in Niederösterreich sind heuer bereits zwölf Menschen bei Bergunfällen ums Leben gekommen; so viele wie schon lange nicht mehr.

Bergrettung und Alpinpolizei vermissen bei vielen Bergsportlern vor allem die professionelle Vorbereitung der Touren. Klettersteige und Touren werden oft in Angriff genommen, obwohl die Routen nur aus dem Internet bekannt sind. „Der Berg ist kein Spielplatz. Ein kleiner Fehler hat massive Auswirkungen“, erklärt der erfahrene Alpinpolizist Michael Schneider.

Gerade bei Touren mit Kindern empfiehlt die Bergrettung Vorbereitungskurse. „Ein Sicherungsseil ist nie schlecht. Wichtig ist, dass Kinder beim Aufstieg vor und beim Abstieg hinter den Erwachsenen gehen. So hat man im Notfall noch die Chance das Kind zu schnappen“, erklärt Helmut Friessenbichler von der nö. Bergrettung.

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