Mehrtätertheorie setzt Justiz unter Druck

Mehrtätertheorie setzt Justiz unter Druck
Was der KURIER 2011 umfassend erörterte, gewinnt dank der Parlamentarier an Kontur. Wie es nun weitergehen könnte.

Wir warten das Ende der Untersuchungen ab." So lässt Justizministerin Beatrix Karl die jüngsten Entwicklungen zum Fall Kampusch kommentieren. Fest steht: Frau Karl dürfte eine heikle Angelegenheit ins Hohe Haus stehen. Angekündigt hat dies ihr Parteifreund Werner Amon, der meinte, er glaube nicht an die Einzeltätertheorie im Entführungsfall.

Amon leitet einen geheimen Unterausschuss im Parlament, der sich mit dem rätselhaften Kriminalfall auseinandersetzt. Der KURIER hat 2011 in einer umfassenden Artikelserie Widersprüche und Ungereimtheiten aufgedeckt, dabei aus Ermittlerakten zitiert und mögliche Mittäter ins Spiel gebracht. Die Staatsanwaltschaft aber betonte stets: Ein toter Täter namens Wolfgang Priklopil. Dabei hatte der im Juni 2010 plötzlich verstorbene Chefermittler Franz Kröll einen dringend verdächtigen, potenziellen Mittäter ausgemacht und hinter dem Verbrechen einen Pornoring vermutet.

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Aktenwühler

Das Parlament wurde aktiv, nachdem die Justiz im Herbst 2011 ein Amtsmissbrauchsverfahren gegen fünf Staatsanwälte (sie sollen im Fall Kampusch wesentliche Ermittlungsergebnisse ignoriert haben) mit teils seltsamen Begründungen eingestellt hatte (der KURIER berichtete über Details aus dem 600-Seiten-Konvolut) . Werner Amon und seine Abgeordnetenkollegen aller Fraktionen haben sich nun durch Aktenberge gewühlt sowie Zeugen befragt. Offenbar folgen sie der Mehrtätertheorie. Ende März werden die Untersuchungen abgeschlossen sein. Dann könnte es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben, in dessen Verlauf Zeugen unter Wahrheitspflicht aussagen müssen.

Es könnte aber auch eine Anzeige geben. Dann müsste der Fall (1998 verschwand Natascha Kampusch, 2006 tauchte sie wieder auf) neu aufgerollt werden. Und auch die Rolle der Staatsanwälte könnte erneut geprüft werden.

Justizministerin Karl will nichts ausschließen. Ihre Sprecherin sagt: „Die Ministerin hat immer gesagt, sie wird sich neuen Erkenntnissen nicht verschließen und bei Bedarf entsprechende Schritte einleiten.“

 

FBI-Spezialisten

Übrigens: Die aus dem Ausschuss durchgesickerte Idee, das FBI bei eventuellen neuen Erhebungen beizuziehen, ist nicht neu. Bereits am 28. und am 29. April 2008 ließen sich Mitglieder der Adamovich-Evaluierungskommission (sie war installiert worden, um Ermittlungspannen zu orten) von Cold-Case-Management-Spezialisten des FBI beraten. Der konkrete Fall wurde dabei aber nicht angesprochen. Auch das könnte sich jetzt, wenn es zu einer Anzeige und neuen Ermittlungen kommt, ändern.

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