Verschwörungstheoretiker rüsteten gegen Putin: Zwölf Monate bedingt

Verschwörungstheoretiker rüsteten gegen Putin: Zwölf Monate bedingt
Vier Angeklagte wollten sich mit Sprengmitteln gegen Atomwaffen von Putin rüsten wollten. Urteile gefallen; nicht rechtskräftig.

1,5 Kilo TNT, 20 Sprengzünder, 70 Waffen, 8,5 kg Schwarzpulver, 8 Stück Rohrbalken, Stahlkugeln, verschiedene Chemikalien, darunter Salpetersäure und Schwefelsäure: All das wurde im Februar 2023 bei einem Rettungseinsatz in einem Messie-Haus in der 100-Seelen-Gemeinde Kleindiex (Bezirk Völkermarkt) gefunden.

Am Donnerstag ging die Suche nach der Antwort weiter: Was wollten ein 29-jähriger Steirer, eine 68-jährige gebürtige Britin und ihre 69-jährige Verlobte aus Tirol, die in dem verwahrlosten Haus des 68-jährigen Briten lebten - mit dem die 68-Jährige offenbar ebenfalls verlobt war - mit all diesen Utensilien?

Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Klagenfurt: Eine Rohrbombe "von verheerender Wirkung" bauen. Wie sich im Laufe des zweiten Prozesstages herausstellte, dürfte jedoch alles vielmehr auf den verbotenen Besitz von verbotenen Sprengmitteln hinauslaufen.

Gegen Mittag erfolgte das dementsprechende Urteil: Ein Schuldspruch wegen des Besitzes von Sprengmitteln. Bis auf den Briten (9 Monate) erhielten alle Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten bedingt auf Bewährung; nicht rechtskräftig. Alle Waffen wurden beschlagnahmt. 

Mittelfinger zur Begrüßung

Zu Prozessbeginn am Donnerstag erklärten sich die 68- und 69-Jährige, die im Partnerlook in silberner Bomberjacke erschienen und Richter Christian Liebhauser-Karl, mit dem Mittelfinger begrüßten, zu allen Anklagepunkten - außer zum Bombenbau - geständig. Ebenso wie der angeklagte Brite und der Steirer. Die Begründung: Es hätten entscheidende Teile, die für den Bau der Bombe notwendig gewesen wären, gefehlt. 

Was blieb, war ein Geständnis zum Waffenbesitz. Die Angeklagten, die alle einen Waffenschein besitzen, sollen die Waffen - es soll sich um 50 Stück gehandelt haben - im gesamten Haus offen herumliegen haben lassen. "Alle Waffen waren sicher nicht ordnungsgemäß verwahrt", sagte die 69-jährige Tirolerin. 

Verschwörungstheoretiker rüsteten gegen Putin: Zwölf Monate bedingt

Über das TNT sei die Tirolerin zufällig in einem Nebengebäude gestolpert. Sie habe der 68-Jährigen noch gesagt, sie solle es wegwerfen, was diese aber nicht wollte. "Es hätte dann in falsche Hände kommen können", erklärte die 69-Jährige. Antwort des Richters: "Ist die Frage, ob es nun in den richtigen Händen war."

Die gefundene Schwefel-Salpetersäure würde die Tirolerin laut eigenen Angaben für den Modellbau benötigen.

Waffennärrinnen

Der angeklagte Brite, der mit den Damen an Schießübungen teilnahm, bezeichnete die Frauen am Donnerstag ganz offen als "Waffennärrinnen".  Die auch regelmäßig Waffenmessen besucht haben sollen. "Ich wusste, dass das Haus voller Waffen war, aber ich wusste nicht, wie viele." Über die vielen Waffen im Haus, habe er bisher mit den Frauen nicht gesprochen. "Die zwei sind krank, ich wollte sie nicht noch weiter belasten."

Alle vier Angeklagten gelten als Verschwörungstheoretiker, was im August beim ersten Prozesstag eindrucksvoll mit Aussagen wie dieser belegt wurde: "Es ist meine Aufgabe, die anderen im Haus vor einem Atom-Schlag von Putin zu schützen", erklärte die 68-jährige Britin. 

Niemanden fielen Waffen auf

Der 100-Seelen-Ort Kleindiex als Fort gegen Russland. Zumindest in der kruden Gedankenwelt der Angeklagten. Die Angeklagten seien zuvor polizeilich nie in Erscheinung getreten. Richter Liebhauser zu einem Polizeibeamten im Zeugenstand: "Aber warum fallen so viele Waffen niemanden in einem dünn besiedelten Gebiet auf?" Antwort des Beamten: "Das kann ich mir auch nicht erklären." Vielmehr berichteten Nachbarn über den vielen Unrat im Haus und dass stets in der Nacht noch Licht gebrannt habe.

Staatsschutz-Chefin sagt aus

Mit Spannung wurde auch das Auftreten eines Sachverständigen erwartet. "Wir haben vollautomatische Gewehre gefunden, die umgebaut wurden. Dazu eine Vielzahl von Magazinen, auch Trommelmagazinen. Was alles unter das Kriegswaffengesetzt fällt."

Der Sachverständige sprach auch über die gefundenen Rohrbalken. "Diese hatten eine verdächtige Länge, die genau zum Bau einer Sprengvorrichtung getaugt hätte." An den sichergestellten Gegenständen seien aber keine erkennbaren Hinweise entdeckt worden, dass der Bau einer Rohrbombe unmittelbar bevorgestanden wäre.

Warum LSE nicht einbezogen?

 Ebenso mit Spannung wurde der Auftritt einer Zeugin erwartet: Das Gericht hatte für 11 Uhr niemand geringeren als die interimistische Leiterin des Kärntner Landesamtes für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), Viola Trettenbrein, geladen. Bereits zuvor stellte der Richter an einen Beamten der Polizeiinspektion Griffen die Frage, warum die LSE nicht den Fall übernommen habe. "Immerhin wurde TNT gefunden", hielt Liebhauser fest. Auch nach dem Fund einer Handgranate habe der Staatsschutz den Fall nicht an sich gezogen. Aktführend blieb die Polizeiinspektion.

Laut Trettenbrein habe man den Fall sehr wohl "kooperativ betreut", was Usus sei. Die LSE-Mitarbeiter seien Teil der Hausdurchsuchung, der Einsatzbesprechung und der Vernehmungen gewesen. Dass das LSE den Fall an sich zieht "sei nie Thema gewesen, aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse. Es habe keine Staatsschutzrelevanz bestanden."

Angeklagt war übrigens die Vorbereitung eines Verbrechens durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel nach dem § 175 Abs. 1 StGB an. Der Strafrahmen beträgt 6 Monate bis zu 5 Jahre Haft.

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