Justizreform bleibt eine Baustelle

Die Justizstrafanstalt Simmering am 24.08.2017 in Wien.
Justizgewerkschafter beklagen Personalmangel und Belastungen. FPÖ in Koalitionsverhandlungen gegen Reformpaket.

Es war ein verwahrloster Gefangener in der Haftanstalt Krems-Stein, dessen aufsehenerregender Fall 2014 Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) dazu bewog, umgehend eine Reform des Maßnahmenvollzugs (§ 21 Abs. 2 StGB) anzustoßen. Straftäter, die an einer schweren psychischen Störung leiden und ein Verbrechen begangen haben, sollten durch spezielles Personal in separaten Abteilungen bessere Betreuung erhalten.

Fast vier Jahre später beklagen die Personalvertreter in den Haftanstalten Krems-Stein, Graz-Karlau und Garsten, dass die Reform gefloppt sei. Mehr Personal sei versprochen worden, passiert sei nichts. Stattdessen müssten Wachebeamte im Maßnahmenvollzug aushelfen, wodurch der normale Strafvollzug zu kurz komme.

Derzeit sind bundesweit 900 Personen in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht. Aus den Stellungnahmen der Dienststellenausschüsse ist zu erfahren, dass der reformierte Maßnahmenvollzug, so wie er vom Ministerium verlangt wird, nicht umsetzbar sei. Alleine das Schreiben der Personalvertreter in Krems-Stein enthält neun Problemfelder: Sie betrachten etwa die "Anzahl der im Bereich des Maßnahmenvollzugs eingeteilten Justizwachebeamten im Verhältnis zu den durchschnittlich anwesenden Insassen als unangebracht". In der Zeit zwischen 15 und 18 Uhr "verringert sich (...) die Anwesenheit der Justizwachebeamten auf rund zwei Bedienstete und das bei vollzähliger Anwesenheit der Untergebrachten (ca. 70)". Heikel sei zudem, dass derzeit einige Angehaltene "in Abteilungen der Justizanstalt Stein untergebracht" seien, in denen "kein Justizwachebeamter vom Pool ’21/2’ (Anm: Maßnahmenvollzug) vor Ort ist".

Keine Verbesserung

Von einer Qualitätsverbesserung könne keine Rede sein, sagt Roman Söllner, Justizgewerkschafter von der FPÖ-nahen AUF in Stein: "Für einen Regelbetrieb haben wir viel zu wenig Personal." Ähnlich seien die Probleme in der Haftanstalt Graz-Karlau und Garsten: Die Reform sei "schlichtweg durch Mehrbelastung im Exekutivbereich umgesetzt" worden.

Im Zuge der Reform seien "in den betroffenen Justizanstalten zusätzliche Planstellen – sprich Personalaufstockung – zugewiesen worden. Der Besetzungsgrad in Stein und Graz-Karlau betrage mehr als 95 Prozent, zehn Beamte aus anderen Anstalten müssten derzeit in Garsten aushelfen, erklärt Britta Tichy-Martin, Sprecherin des Justizministeriums. Um weitere Stellen zu besetzen, sei man laufend auf der Suche nach neuen Wachebeamten.

Die Reform steht erst am Anfang und droht jetzt, mit dem Ausscheiden von Justizminister Wolfgang Brandstetter, abgeblasen zu werden. Aus Verhandlerkreisen der neuen, türkis-blauen Koalition ist zu hören, dass die FPÖ-Seite am Strafvollzug unter der Ägide Brandstetters eine "falsche Gewichtung zwischen Sicherheit und Betreuung" angeprangert hat und es deswegen in der Verhandlergruppe zu heftigen Debatten gekommen sei.

Wird Reform gekippt?

Zudem soll das fertige Maßnahmenvollzugspaket, das der Minister seinem Nachfolger hinterlassen wollte, von der FPÖ dezidiert abgelehnt worden sein. Darin ist etwa ein eigenes Gesetz für die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher und die Errichtung von separaten forensischen Zentren vorgesehen – die Abteilungen für die besondere Behandlung dieser Klientel in regulären Gefängnissen könnten dann aufgelassen werden.

Im Koalitionsabkommen von Türkis-Blau sollen, wenn überhaupt, nur Teile von Brandstetters Gesetzespaket übernommen worden sein. Im Ministerium gibt es dazu keine Informationen; man wartet ab, bis die neue Regierung angelobt wird.

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