Kritik an geplanter Strafrechtsreform

Die Reform bringt mehr Strenge bei Gewalt in der Familie, aber der erfolgreiche und von Opfern geschätzte Tatausgleich wird damit in Tausenden Fällen gestoppt. Eine Prozessflut wäre die Folge.
Konfliktregelung ist bei häuslicher Gewalt erfolgreich, nach neuem Gesetz gilt aber nur noch Strafe.

Seit wenigen Tagen steht die vom Justizministerium für Anfang 2016 geplante Strafrechtsreform auf dem Prüfstand (der KURIER berichtete), und schon regt sich unter den Praktikern Widerstand. Die neue Devise heißt, Vermögensdelikte milder, Gewalt in der Familie jedoch strenger zu verfolgen. Als Folge wird damit aber das speziell bei Partnerschaftskonflikten erfolgreiche Modell des Außergerichtlichen Tatausgleichs massiv beschädigt.

Das Rezept des Bewährungshilfevereins Neustart im Kampf gegen häusliche Gewalt findet international Nachahmer. Ein gemischtes Doppel aus Mediator und Mediatorin erarbeitet mit dem Täter (nur wenn er schuldeinsichtig ist) und dem Opfer (nur wenn es dazu bereit ist) einen Ausgleich, das Opfer wird gehört, der Täter entschuldigt sich, macht (so weit möglich) Schaden gut. Gemeinsam wird ein Plan zur Konfliktbewältigung erstellt. Das geht meistens gut, nur elf Prozent (aus einer Gruppe von 800 Klienten) wurden in einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren rückfällig. Im Gegenzug wurden im selben Zeitraum 41 Prozent der wegen Körperverletzungsdelikten gerichtlich verurteilten Täter erneut straffällig.

Der Tatausgleich kommt bei den Opfern von häuslicher Gewalt sehr gut an: Nach einer Umfrage fühlen sich 80 Prozent durch die Konfliktregler überwiegend oder sehr gut unterstützt, 75 Prozent würden bei einem ähnlichen Vorfall wieder den Tatausgleich in Anspruch nehmen.

Keine Diversion

Das schreit nach einem Ausbau des Modells, doch macht die Strafrechtsreform einen Strich durch diese Rechnung. Es ist nämlich ein Passus vorgesehen, wonach Gewaltdelikte gegen Angehörige oder Partner und solche, die in Gegenwart eines Kindes gesetzt oder angedroht werden, besonders streng zu ahnden sind. Also mit Verurteilungen und keinesfalls mit Maßnahmen der Diversion (Auflagen statt Vorstrafe), wozu auch der Tatausgleich gehört.

Schon eine Bedrohung des (Ex-)Partners im Streit, den das Kind mitanhören konnte, ist nach dieser Bestimmung kein Fall für die Diversion und muss jedenfalls vor Gericht geahndet werden. Ebenso ein pubertierender Jugendlicher, der gegenüber den Großeltern "aufgerieben" hat. Oder die Ehefrau des aggressiven Mannes, die ein Mal zurückgeschlagen hat (25 Prozent der Beschuldigten beim Tatausgleich sind weiblich).

1800 solcher Fälle von Delikten in der Partnerschaft oder Familie (von kurzfristiger Freiheitsentziehung bis leichter Körperverletzung), die 2014 von Neustart mit Tatausgleich überwiegend positiv erledigt wurden, müssten künftig Verurteilungen (mit höherer Rückfallquote) nach sich ziehen.

"Das ist falsch verstandener Opferschutz", sagt Neustart-Sprecherin Dorit Bruckdorfer: "Beim Tatausgleich wird dem Opfer ja nichts aufs Auge gedrückt, das es nicht will." Beim Strafprozess hingegen bleibe das Opfer mit seinen Bedürfnissen oft auf der Strecke.

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