"Weihnachten ist das Fest der Diebe"
Mit einem Pullover und vier Gürteln betrat der 34-Jährige die Umkleidekabine des Geschäftes auf der Wiener Mariahilfer Straße. Mit dem Pullover kehrte er zurück. Den bezahlte der Georgier auch. Dann wollte er das Geschäft verlassen. Doch ein Detektiv hatte ihn beobachtet, stellte ihn zur Rede. Der 34-Jährige fing an zu schimpfen, schlug mit der Faust gegen die Wand. Die Polizei musste anrücken. Die Gürtel waren rasch gefunden. Die hatte sich der Mann um den Oberkörper geschnallt. Bei ihm fanden sich auch noch eine Zange (zum Lösen der Diebstahlsicherung) und ein Ring, der in einem anderen Geschäft gestohlen worden war.
„Im heurigen Weihnachtsgeschäft werden Waren im Wert von rund 63 Millionen Euro gestohlen“, sagt Roman Seeliger, Leiter der Statistikabteilung in der Wirtschaftskammer. „Weihnachten ist nicht nur ein Fest der Liebe, sondern auch der Diebe“, bestätigt Detektiv Walter Pöchhacker. Heuer sei das mehr geworden. „Wenn man weniger Geld zur Verfügung hat, dann nimmt der börsenschonende Einkauf zu.“
„Irgendwo muss es einen riesigen Markt für Rasierklingen geben."
Besonders Spirituosen und Parfüms sind im Dezember ein begehrtes Ziel der Ladendiebe. In der Hitparade voran liegen aber Klassiker wie Rasierklingen und Batterien. „Irgendwo muss es einen riesigen Markt für Rasierklingen geben, die verschwinden in großen Mengen“, sagt Pöchhacker und schmunzelt. Denn unter dem Weihnachtsbaum werden sie wohl genauso selten zu finden sein wie eine Großpackung Batterien.
Auch Kleidung steht bei den Gelegenheitsdiebstählen im Weihnachtsgeschäft ganz oben. „Leider spricht sich immer mehr herum, dass manche Diebstahlsicherungen zu umgehen sind, wenn man die Beute in Alufolie packt“, erklärt Pöchhacker und seufzt. In TV-Reportagen deutscher Sender wird sogar genau erklärt, wie man das machen kann.
„Bei besonderem Andrang steigen auch die Ladendiebstähle“, sagt Seeliger. „Aber gleichzeitig steigt auch die Zahl möglicher Zeugen. Und Detektive haben sowieso Hochsaison.“
Junge Burschen
Wer sind die Ladendiebe? Bis zu einem Alter von 37 Jahren ist der männliche Anteil weitaus höher, teilweise doppelt so hoch wie bei jungen Frauen. Ab dem Alter von 38 Jahren dreht sich das um. Zwischen 55 und 80 Jahren sind Frauen beim Ladendiebstahl fast doppelt so oft aktiv wie Männer.
Beliebtestes Versteck ist die Jackentasche (25 %). Jeweils knapp zehn Prozent verbergen die Beute unter der Kleidung, in einer Einkaufs-, der Hosen- oder Handtasche. Immerhin sechs Prozent aller Diebe essen ihre Beute noch im Geschäft vor der Kassa.
„Je kleiner, teurer und ungesicherter, desto beliebter“, bestätigt auch Seeliger. Und deshalb wandern auch Speicherkarten allzu häufig an der Kassa vorbei. „Und Kondome“, wie der Statistiker erklärt. „Aber die hauptsächlich deshalb, weil junge Burschen nicht wollen, dass es gleich die ganze Ortschaft mitbekommt“, schmunzelt der Experte.
Ein vergleichsweise geringer Teil der organisierten Diebstähle geht auf das Konto von Banden, vor allem aus Osteuropa und Südamerika. „Dabei nimmt die Brutalität von Jahr zu Jahr zu“, sagt Pöchhacker. Erst vor wenigen Tagen hielten Mitarbeiter von ihm eine rumänische Taschendiebin in einem Geschäft in der Wiener Innenstadt fest. „Plötzlich kamen zwei Komplizen, und versuchten, sie zu befreien. So etwas gab es bisher noch nie.“
Dabei ist Österreich im internationalen Ranking bei Ladendiebstählen ganz oben – und zwar im positiven Sinn. Das globale Diebstahlbarometer vom Center for Retail Research bescheinigt Österreich einen Schwund von einem Prozent des Umsatzes. Unterm Strich ist der Schaden durch Ladendiebe dennoch gewaltig: 568 Millionen Euro pro Jahr macht der Wert der gestohlenen Waren aus.
Schuhe und Kartons liegen quer verstreut. Wer sich den Weg ins Geschäftsinnere bahnt, stolpert zwischen den Menschenmassen hindurch. Die Schlange an der Kassa reicht bis ins hinterste Winkerl: Auf der Wiener Mariahilfer Straße herrscht Ausnahmesituation. Eine Stiefelkönig-Filiale schließt und wirbt mit „Minus 50 Prozent auf alles“. Ein Traum für Schnäppchenjäger, ein Albtraum für die Mitarbeiter. Am Tag danach sorgen Sicherheitsleute für einen geregelten Einkauf. Sie lassen die Kunden nur noch gruppenweise ins Geschäft. Raunzen hilft nichts. Drängeln auch nicht. „Es kommen erst wieder Leute rein, wenn die Chefin schreit“, erklärt der Sicherheitsmann an der Glastür. „20!“, schreit die Chefin. Gezählte 20 werden ins Geschäft gelassen.
Das Weihnachtsgeschäft läuft – auch wenn die Wirtschaftskammer noch von einem Minus über ein Prozent berichtet. In großen Einkaufsstraßen und in Zentren ist davon nichts zu merken.
100.000 Besucher
Im Gegenteil. „Am Samstag erwarten wir noch einmal über 100.000 Besucher“, sagt Anton Cech, Center Manager der SCS. „Das war auch an den vergangenen Einkaufssamstagen so.“ Eine Studie der Wirtschaftskammer zeigt: In diesem Jahr sind die Österreicher mit den Weihnachtsgeschenken besonders spät dran. „Der Anteil derer, die Geschenke erst knapp vor dem oder am 24. Dezember kaufen, ist heuer mit fast einem Drittel besonders hoch“, erklärt Bettina Lorentschitsch, Obfrau der Bundessparte Handel.
Die Stimmung unter den Mietern in der SCS sei gut, meint auch Cech. „Die Umbauten machen sich bezahlt. Seit September haben wir Frequenzzuwächse. Auch der Dezember ist stark.“ Das nieselige Wetter trägt das Seine dazu bei.
Das spürt auch Richard Lugner. „Der November war schwach. Es war zu warm und die neuen Einkaufszentren sind auch daran schuld.“ Doch über den Dezember kann er sich nicht beklagen. „Übers Jahr gesehen werden wir 1,5 bis 2 Prozent Plus zusammenkriegen.“ Am letzten Einkaufssamstag lockt er wieder mit Gratis-Parkplätzen. „Das wird wegen dem Parkpickerl wahnsinnig gut angenommen“, erklärt er.
Doch Werbung kann auch unangenehme Ausmaße annehmen – so etwa in der Filiale der Textilkette Hollister im Salzburger Europapark. Die wurde von der Gewerkschaft mit dem Titel „Zwangsbeschaller 2012“ ausgezeichnet. Bei Testkäufen wurden bis zu 99 Dezibel gemessen.
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