Generationen von Deutschen und Franzosen hatte die Erinnerung an das Massensterben eher getrennt als vereint. Zu gegensätzlich waren die Mythen, die man daraus in beiden Ländern zimmerte. Die Franzosen, die ja den Krieg gewonnen hatten, erhoben die Schlacht umgehend in den Rang einer nationalen Heldenlegende. Die erfolgreiche Strategie des französischen Oberbefehlshabers Petain, die Forts von Verdun so zu verteidigen, dass die Deutschen nie den endgültigen Durchbruch schafften, wurde zum Triumph des „defensiven Patriotismus“ überhöht. Den brachte auch die Tatsache, dass man noch mehr Tote als die deutschen Angreifer zu beklagen hatte, nicht ins Wanken. Was ein deutscher Durchbruch bei Verdun tatsächlich gebracht hätte? Eine Frage für Militärhistoriker. Der russische Durchbruch bei Bachmut und die endgültige Einnahme der ohnehin völlig zerstörten Stadt haben nichts gebracht.
Seit Wochen rollt nun die Gegenoffensive der Ukrainer und auch die ist erneut ein Kampf von einem Grabensystem zum nächsten. „Es ist ein stetes Hin und Her. „Wir drängten sie zurück, sie drängten uns zurück, wir drängten sie, sie drängten uns, und so weiter“, so beschreibt ein ukrainischer Soldat in der New York Times die aktuellen Kämpfe. Jetzt profitieren die ukrainischen Soldaten von den russischen Bunkern und den kilometerlangen tiefen Schützengräben, die die Russen verlassen haben.
Die wiederum haben sich zurückgezogen, um auf einer weiter hinten gelegenen Verteidigungslinie auszuharren und auf eine Chance zum Gegenangriff zu warten. Schutzwesten, Bettzeug, schmutzige Socken und Glücksbringer, gebastelt aus Patronenhülsen, Granatsplittern und Heiligenbildchen: Das sind die zurückgelassenen Habseligkeiten der Russen, die die ukrainischen Angreifer in den Gräben vorfinden – und davor die seit Monaten im Matsch liegenden Leichen ihrer eigenen Kameraden, die nur noch Skelette sind.
Schilderungen wie diese erinnern an jene aus Erich Maria Remarques Klassiker „Im Westen nichts Neues“, dessen Neuverfilmung in diesem Jahr von einem Filmpreis zum nächsten weitergereicht wurde. Remarques Hauptheld Paul kämpft sich auch in die feindlichen Gräben vor, schildert Szenen von „glitschigen Fleischfetzen“, über die stolpert, einen „zerrissenen Bauch, auf dem ein neues, sauberes Offizierskäppi liegt“. Er stirbt schließlich im Oktober 1918, „an einem Tag, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“ Viel mehr ist über die Kämpfe in Bachmut auch nicht zu berichten.
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