Wie „Wien, Wien, nur du allein“ entstand
Es war ein Höhepunkt des Auftritts von Startenor Jonas Kaufmann, als er vorige Woche im „Sommernachtskonzert“ der Wiener Philharmoniker vor der prunkvollen Kulisse des Schlosses Schönbrunn das Lied „Wien, Wien, nur du allein“ sang. Da fiel mir die kuriose Entstehungsgeschichte dieses Wienerliedes ein. Es ist auch ein bisserl eine Marcel-Prawy-Geschichte.
Hofrat als Komponist
Also: „Wien, du Stadt meiner Träume“, so der eigentliche Titel des Liedes, wurde nicht von Strauß, Lehár, Stolz oder Kálmán komponiert, sondern von dem ziemlich unbekannt gebliebenen Hofrat der Niederösterreichischen Landesregierung Rudolf Sieczynski, von dem übrigens auch der Text des Liedes stammt. Dieser kam 1879 mit polnischen Wurzeln in Wien zur Welt, war promovierter Jurist und machte als Beamter Karriere.
Nebenberuflich schuf der Hofrat mehr als 100 Wienerlieder, von denen aber nur eines bekannt wurde: „Wien, Wien, nur du allein“. Das aber wurde zur heimlichen Hymne Wiens und sollte sich als Welterfolg erweisen. Entstanden im Jahr 1912, wurde es so populär, dass es in mehrere Sprachen übersetzt wurde. In London interpretierte es der weltbekannte Tenor Richard Tauber als „Vienna, City of my Dreams“, und in Paris erlangte es als „Vienne, ville de mes rêves“ Berühmtheit.
Jetzt aber zur Prawy-Geschichte: „Marcello“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, erzählte mir einmal die folgende Episode: Er drehte nach dem Krieg für die amerikanische Wochenschau Beiträge, die naturgemäß meist mit Musik zu tun hatten. So gestaltete er im Februar 1949 ein Porträt zum 70. Geburtstag Rudolf Sieczynskis, dessen Wienerlieder allesamt vergessen waren. Alle – bis auf „Wien, Wien nur du allein“.
Prawys Hände
Prawy kam in die Wohnung des Komponisten, interviewte ihn und bat ihn, vor laufender Kamera sein berühmtes Lied am Klavier zu spielen. Dabei stellte sich zu Prawys großer Verwunderung heraus, dass Hofrat Sieczynski kaum Klavier spielen konnte.
Was tat der spätere „Opernführer“ in einer solchen Situation? Er setzte den Komponisten an den Flügel – und legte sich selbst halb unters Klavier, während er seine Hände zur Tastatur erhob.
In dieser Position spielte Prawy das berühmte Lied. In der Wochenschau hat das keiner bemerkt, alles sah aus wie echt. Man sah Sieczynskis Gesicht und Prawys Finger.
So wurde aus einer Sieczynski-Geschichte doch noch eine Prawy-Geschichte.
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