Die Amerikaner machen sich gerne über ihre Politiker lustig. Also wird in Wahlzeiten dieser Witz erzählt. Fragt ein Mann einen anderen: „Sagen Sie, was machen eigentlich Ihre beiden Söhne?“ Antwortet der andere: „Leider hat man von beiden lange nichts mehr gehört. Der eine wurde Seemann, der andere Vizepräsident.“
Das stimmt natürlich nur bedingt, denn von etlichen Vizepräsidenten hat man sehr wohl gehört. Vor allem dann, wenn sie Präsidenten wurden. Der Vizepräsident ist, wie die Amerikaner sagen, „nur einen Herzschlag vom mächtigsten Amt entfernt“. 15 von 49 Vizepräsidenten brachten es bisher zur „Nr. 1“, einige von ihnen haben Geschichte geschrieben, darunter Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt, Harry S. Truman, Richard Nixon, Lyndon B. Johnson und George Bush.
Jetzt hat mit Kamala Harris zum ersten Mal eine Vizepräsidentin die Chance, ins Weiße Haus zu ziehen. Tim Walz soll ihr als „Running Mate“ dabei behilflich sein.
Zwei Mal Johnson
Jene Vizepräsidenten, die auf besonders dramatische Weise Präsidenten wurden, hießen beide Johnson: Andrew Johnson folgte Abraham Lincoln, der 1865 in einer Theatervorführung ermordet wurde. Und Lyndon B. Johnson folgte John F. Kennedy, als der 1963 in Dallas erschossen wurde.
Über beide Johnsons wird in den USA viel gelästert. Andrew Johnson erschien betrunken zu seiner Amtseinführung als Vizepräsident. Der gelernte Schneider hatte nie eine Schule besucht und sich das Schreiben selbst beigebracht. Der Republikaner Abraham Lincoln hatte den Demokraten Johnson als seinen Vizepräsidenten auserkoren, um während des Sezessionskrieges zusätzliche Wählerstimmen zu gewinnen.
Alkoholprobleme
Auch der andere Johnson, Kennedys Vizepräsident Lyndon B. Johnson, hatte Alkoholprobleme, wie Jacqueline Kennedy später verriet. Das Bild wie Johnson unmittelbar nach der Ermordung John F. Kennedys an Bord der Air Force One seinen Amtseid als Präsident leistete, gehört zum kollektiven Gedächtnis der USA. Doch Kennedys Witwe verlor kein gutes Wort über den Nachfolger ihres Mannes: „Jack musste Johnson zum Vizepräsidenten machen, da der ihn sonst mit allen Mitteln boykottiert hätte. Auf Reisen hinterließ Lyndon einen peinlichen Eindruck. Jack sagte: ,Mein Gott, kannst du dir vorstellen, was mit dem Land passiert, sollte Lyndon je Präsident werden.“
Lyndon B. Johnsons erste Amtszeit als Präsident war erfolgreicher als erwartet, vor allem, weil er Kennedys Sozialreform fortsetzte und die Rassentrennung beendete. Johnson war fast so populär wie Kennedy, stürzte dann aber dramatisch ab, da es ihm nicht gelang, den Vietnamkrieg zu beenden. So schaffte es Johnson, innerhalb weniger Jahre von einem der beliebtesten zu einem der unbeliebtesten Präsidenten der US-Geschichte zu werden.
Schon der „Vize“ des ersten Präsidenten George Washington hatte erklärt, dass er „das bedeutungsloseste Amt, das je erfunden wurde“, ausüben würde. Vizepräsident John Adams fand auch, dass er, solange sich sein Chef guter Gesundheit erfreue, nur untätig herumsitze. „Im Wesentlichen muss der Vizepräsident auf den Tag warten, an dem der Präsident stirbt.“ Allerdings wurde John Adams nach George Washingtons Rücktritt regulär zum zweiten Präsidenten der USA, und er erlebte sogar, wie auch sein Sohn John Quincy Adams Amerikas sechster Präsident wurde. Die Adams waren somit – noch vor den Roosevelts, den Kennedys und den Bushs – die erste Dynastie, die ins Weiße Haus drängte.
Zwei weitere Mordopfer
Der „Vize“ von John Adams war einer der bedeutendsten Politiker der USA: Thomas Jefferson ging als Verfasser der Unabhängigkeitserklärung und als einer der Gründer der Demokratischen Partei in die Geschichte ein. Er war von 1801 bis 1809 dritter Präsident der Vereinigten Staaten.
Neben Lincoln und Kennedy wurden zwei weitere Präsidenten Opfer von Attentaten: James A. Garfield wurde 1881 nach nur sechsmonatiger Amtszeit von einem Mitarbeiter erschossen, der eine Anstellung als Botschafter in Wien gefordert, aber nicht erhalten hatte. Und Präsident William McKinley wurde 1901 beim Besuch der Weltausstellung in Buffalo von einem Anarchisten ermordet. McKinleys Nachfolger war Vizepräsident Theodore Roosevelt, der als Wirtschafts- und Umweltreformer US-Geschichte schrieb.
Zwei Mal Roosevelt
Franklin D. Roosevelt war mit Theodore Roosevelt nur entfernt verwandt, doch auch er war ein großer Präsident. Er schuf die Wirtschafts- und Sozialpolitik des „New Deal“ und unterstützte die Kriegsführung der Alliierten schon vor Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Roosevelt wurde als einziger Präsident für vier Amtszeiten gewählt. Als er am 12. April 1945 starb, rückte Harry S. Truman nach, der davor nur 82 Tage Vizepräsident gewesen war. Truman beendete den Zweiten Weltkrieg, hat aber die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zu verantworten.
Richard Nixon war Vizepräsident unter Dwight D. Eisenhower, unterlag jedoch 1960 John F. Kennedy bei der Präsidentenwahl.
Acht Jahre später schaffte es Nixon dann beim zweiten Anlauf ins Weiße Haus. Unter seiner Regierung zogen sich die USA aus Vietnam zurück, und er schuf eine Annäherung an die Volksrepublik China. 1974 musste er aber wegen des Watergate-Skandals zurücktreten.
Nixons Vizepräside Gerald Ford stieg damit ins höchste Amt auf. Er verlor die Präsidentschaftswahl 1976 gegen Jimmy Carter, der auch nur vier Jahre blieb.
Ronald Regan war dann der 40. Präsident und hat am Beginn seiner Amtszeit ein Attentat nur knapp überlebt. Wäre es anders ausgegangen, wäre sein Stellvertreter George Bush bereits 1981 Präsident geworden und nicht erst 1989. Bush beendete den Kalten Krieg, wurde aber auch nach nur einer Amtszeit abgewählt.
Bleibt Joe Biden, der es von der „Nummer 2“ unter Barack Obama zur „Nummer 1“ brachte. Und als Hoffnung für viele: Kamala Harris.
Am Anfang dieser Zeilen stand ein Witz, am Ende steht keiner: Es kann natürlich genauso kommen, dass eines Tages J. D. Vance der 16. Vizepräsident ist, der als Präsident ins Oval Office zieht. Als Nachfolger des wiedergewählten Donald Trump ...
(kurier.at)
|
Stimmen Sie einer Datenverarbeitung von Outbrain UK Ltd zu, um diesen Inhalt anzuzeigen.
Kommentare