Einzigartige Sammlung: Der Nachlass von Publikumsliebling Otto Schenk

Otto Schenk war sein ganzes Leben lang Sammler. Nicht einer, der hie und da einen alten Sessel erwarb, nein, er selbst hat sich als krankhaft Suchender bezeichnet, der alles zusammenkaufte, was ihm gefiel. Als er Anfang dieses Jahres verstorben war, stellte sich die Frage, was mit den Abertausenden Möbeln, Bildern, Jugendstilvasen und Büchern geschehen solle. Er hatte für diesen Tag vorgesorgt und vor 15 Jahren schon eine Expertin beauftragt, im Falle seines Ablebens den persönlichen Nachlass abzuwickeln.
In Wohnung von Otto Schenk: "Noch nie einen so umfangreichen Nachlass gesehen"
Otto Schenk war knapp 80 Jahre alt, als er testamentarisch verfügte, dass die renommierte Kunsthistorikerin Ursula Hieke für die Verwertung des gesamten Inhalts seiner 300 m2 großen Dachwohnung am Rudolfsplatz in der Wiener Innenstadt sorgen solle. „Ich habe in meinem Leben noch nie einen so umfangreichen Nachlass gesehen“, sagt die Expertin, die mit Schenk und seiner Frau Renée auch privat befreundet war. „Es ist unfassbar, was da an den Wänden hing, was wir in Regalen, Fächern und Laden fanden.“

Ein Blick in ein mit Kunst vollgefülltes Zimmer von Schenks 300-Quadratmeter-Dachwohnung in der Wiener Innenstadt.
Jeder einzelne Gegenstand wurde in monatelanger Kleinarbeit in eine Liste aufgenommen, die mittlerweile rund 2.500 Objekte umfasst. Weiters ebenso viele Bücher, wertvolle Autografen, zahllose Theaterfotos, Rollenbücher, durchaus auch kitschige Glasfiguren sowie Kleidungsstücke, die Schenk zum Teil auf der Bühne trug.
Sonder-Auktion "im Sinne des Ehepaares Schenk"
Während das übrige Erbe des Publikumslieblings – darunter sein Haus am Irrsee und andere Immobilien – seinem Sohn Konstantin, seinen beiden Enkelinnen und den beiden Urenkeln zugutekam, geht die Kunstsammlung aus der großen Mietwohnung am Rudolfsplatz in eine Privatstiftung über, deren Nutznießer ebenfalls der Familie angehören.
Otto Schenk.
Geboren 1930 in Wien, trat auf Kellerbühnen auf, ehe er 1952 ans Volkstheater und 1955 an die Josefstadt geholt wurde. Ab 1965 Oberregisseur der Wiener Staatsoper, inszenierte er auch an anderen großen Opernhäusern der Welt.
Theaterdirektor.
Von 1988 bis 1997 Direktor des Theaters in der Josefstadt, in dem er, wie auch in den Kammerspielen, als größtes Zugpferd über 1.000 Mal selbst auf der Bühne stand.
Er drehte Kino- und TV-Filme.
Persönliches.
Verheiratet mit der Schauspielerin Renée Michaelis (2022). 1957 kam Sohn Konstantin zur Welt. Otto Schenk starb am
9. Jänner 2025 mit 94 Jahren.
Der Großteil des Nachlasses gelangt im Frühjahr 2026 in einer Online-Sonderauktion des Wiener Dorotheums unter den Hammer. „Das ist ganz im Sinne des Ehepaares Schenk“, meint Hieke, „sie haben beide viel im Dorotheum gekauft. Aber nicht nur dort, es gab – wo immer sie hinkamen – in den letzten 60 Jahren keinen Antiquitätenhändler, keinen Flohmarkt oder Altwarentandler, die sie nicht aufgesucht hätten, um ihre Sammlung zu erweitern.“
Renée Schenk als "harte Verhandlerin" gefürchtet
Schenk konnte sich das leisten, er hat als Theaterdirektor, weltweit gefragter Opernregisseur, als Bühnen-, Film- und Fernsehstar viel verdient, persönlich aber – außer gutes Essen – wenige Bedürfnisse gehabt. Er legte auch keinen Wert auf exklusive Kleidung, kaufte seine Anzüge teils sogar Second Hand am Flohmarkt. Auch infolge dieser persönlichen Genügsamkeit konnte ein Großteil des Vermögens in Kunst investiert werden. Noch dazu war Renée Schenk laut Ursula Hieke „bei ihren Einkaufstouren als harte Verhandlerin gefürchtet“.
Zu den wertvollsten Gegenständen, die im Dorotheum zur Versteigerung gelangen, zählt ein 38 x 45 cm großes Ölbild von Kolo Moser (Schätzwert: 100.000 bis 150.000 Euro), ein Ölbild Friedrich von Amerlings (Rufpreis: 1.200 Euro), Objekte der Wiener Werkstätte, darunter ein Messingaufsatz von Josef Hoffmann (Rufpreis: 6.000 Euro), ein Josephinischer Glasluster, der im Schenkschen Salon hing, ein Renaissance-Esstisch (Rufpreis: 4.000 Euro), auf den er sehr stolz war, eine Neo-Rokoko-Vitrine (Rufpreis: 700 Euro) und an die 300 Jugendstilvasen.
Einnahmen sollen mehrere Hunderttausend Euro betragen
In vielen Fällen sind die Rufpreise noch nicht ermittelt, doch wird mit Gesamteinnahmen von mehreren Hunderttausend Euro gerechnet, die der Stiftung zugutekommen.

Eines der wertvollsten Stücke: Ölbild von Kolo Moser (re.) Schätzwert: 100.000 bis 150.000 €.
„Angeboten werden nicht nur hochpreisige Gegenstände, sondern auch solche, die die Bedeutung des Künstlers Otto Schenk illustrieren“, erklärt Dorotheum-Experte Alexander Doczy. So erscheint der Rufpreis einer Biedermeiersitzbank – seinem Lieblingsplatz in der Bibliothek – eher niedrig. Der Startpreis von 800 Euro dient wohl als Lockvogel für möglichst zahlreich mitbietendes Publikum. „Der Otti ist in seinen letzten Jahren meist schon um 5 Uhr früh aufgestanden“, erzählt Ursula Hieke, „und ab 6 auf dieser Bank gesessen, um in seinen Kunstbüchern zu blättern“. Auch diese Bücher kommen unter den Hammer.
Unklar, was mit der restlichen Bibliothek geschieht
Was mit der restlichen Bibliothek geschieht, ist noch unklar. Zur Auktion gelangen jedenfalls Bücher mit persönlichen Widmungen von Heinrich Böll, Friedrich Dürrenmatt, Günter Grass, Thomas Bernhard, Marcel Reich-Ranicki und Heimito von Doderer. Weitere Originalhandschriften aus Schenks Briefkorrespondenz stammen von Carlos Kleiber, Ernst Krenek, Gottfried von Einem, Peter Turrini und Claudio Abbado.
Wir möchten, dass sich möglichst viele Leute so wie wir in ihren vier Wänden an den Dingen erfreuen.
Ein sehr privates Stück ist Schenks geliebte Baskenmütze (Rufpreis: 100 Euro), andere persönliche Gegenstände sind bereits vergeben, darunter der Morgenmantel, den er in der Komödie „Schon wieder Sonntag“ (Wiener Kammerspiele, 2015) getragen hat, ein Gehstock und ein Paar Hausschuhe. Diese Unikate erhält das Wiener Theatermuseum, das damit eine lebensgroße Otto-Schenk-Puppe ankleiden will.

Der Morgenmantel kommt ins Theatermuseum.
"Möglichst viele Leute sollen sich an den Dingen erfreuen"
Dass der Großteil des Nachlasses an Privatpersonen gehen wird, entspricht Schenks Wunsch. Als ihn Ursula Hieke einmal fragte, ob er nicht die komplette Sammlung einem Museum überlassen wollte, erwiderte er: „Nein, das ist eine Sache zwischen mir und der Renée, wir möchten, dass sich möglichst viele Leute so wie wir in ihren vier Wänden an den Dingen erfreuen.“
Der Anekdotenerzähler
Schenk war bekanntlich ein begnadeter Anekdotenerzähler, in privaten Runden ebenso wie bei seinen legendären Lesungen. Eine berühmte Anekdote – Ursula Hieke und ihr Mann waren Zeugen dieser Begegnung – hat Schenks Tod zum Inhalt: Auf einem Spaziergang kommt ihm ein Mann entgegen und sagt: „Sie erinnern mich an den Schenk!“ Der stellt sich vor: „Ja, Schenk!“ Worauf der Mann bedauernd feststellt: „Auch schon tot.“ Und weitergeht.
Am 9. Jänner 2025 ist diese Anekdote zur traurigen Wahrheit geworden. Otto Schenk starb in seinem Haus am Irrsee, während – wie er es sich gewünscht hatte – eine Platte des 1. Klavierkonzerts von Johannes Brahms lief, am Flügel sein Freund Rudolf Buchbinder.
Sammeln als Krankheit?
In einer anderen Anekdote geht es um eben jenen Nachlass, der auf dieser Seite vorgestellt wird. Ein ORF-Reporter fragte ihn: „Herr Schenk, Sie haben einmal gemeint, sammeln sei keine Leidenschaft, sondern eine Krankheit. Ist es wirklich so arg?“
Schenks Antwort lautete: „Noch ärger!“
Eine nicht geringe Anzahl von Sammlern wird in den Genuss dieser „mehr als krankhaften“ Leidenschaft kommen. Otto Schenk hat es so gewollt.
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