Wo der Kunde Kaiser ist
Wiens älteste Parfümerie J. B. Filz am Graben schließt Ende März, nach 214-jährigem Bestehen, wie der KURIER berichtete, für immer seine Pforten. Womit das Stadtbild wieder um einen ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten ärmer sein wird.
Natürlich gibt es schon lange keinen kaiserlichen Hof mehr, den feinsinnige Handwerker mit ihren noblen Produkten beliefern könnten, aber die Tradition lebt immer noch. Beim k. u. k. Zuckerbäcker Demel, von dem die Kaiserin Elisabeth ihr geliebtes Veilchen-Sorbet bezog, ebenso wie beim Hof- und Kammerlieferanten Ludwig Bösendorfer, dessen Klaviere in den Salons so manchen Erzherzogs standen. Insgesamt sind es in Wien laut Hof-lieferanten-Expertin und Historikerin Ingrid Haslinger an die 100 Betriebe, die sich nach wie vor mit dem Titel Hoflieferant schmücken.
Mieten in Spitzenlagen
Doch weit mehr noch sind, wie demnächst die Parfümerie Filz, Geschichte. So etwa das Nobelkaufhaus Braun am Graben, der Zuckerlfabrikant Heller, der Feinkostladen Weißhappel oder das Teppichhaus Philipp Haas & Söhne. Sie alle haben den letzten Rollbalken längst heruntergelassen. Der Grund lag meist darin, dass nur noch internationale Konzerne die Mieten in den Spitzenlagen zahlen können.
„Hoftitel-Taxe“
Sich k. u. k. Hoflieferant nennen zu dürfen, war nicht nur eine Ehre, der Titel förderte auch den Geschäftsgang. Also musste man nach dem altösterreichischen Prinzip „Ohne Geld ka Musi“ tief ins Portemonnaie greifen, um dem Club der Nobelgeschäftsleute anzugehören. Im Jahr 1900 waren dem Staat zur Erlangung des Titels je nach Größe des Geschäfts ab 2.000 Gulden (heute ca. 25.000 Euro) zu entrichten. Für die Abgabe ließ sich die Behörde das schöne Wort „Hoftitel-Taxe“ einfallen, mit der ein Katastrophenfonds errichtet wurde.
In den Qualitätsbetrieben herrschte ein enormes Griss, sich k. u. k. Hof- bzw. (als Steigerungsstufe) Kammerlieferant nennen zu dürfen: Gab es zur Mitte des 19. Jahrhunderts rund 150 Geschäftsportale, die sich mit dem Doppeladler schmückten, so waren es gegen Ende der Monarchie fast zehn Mal so viele. Darunter renommierte (und heute noch bestehende) wie die Hotels Sacher und Imperial, die Sektkellereien Schlumberger und Kattus, der Hof- und Kammerjuwelier Köchert, Ankerbrot, das Glaswarenhaus Lobmeyr, der Nobelschneider Kniže, die Möbelfabrik Thonet, die Konditoreien Demel, Heiner, Gerstner und Sluka oder das Textilgeschäft Wilhelm Jungmann & Neffe.
Hoflieferanten h. c.
Später ging man dazu über, verdiente Geschäftsleute auch dann mit dem k. u. k.-Emblem zu ehren, wenn sie absolut nichts mit dem Kaiserhaus zu tun hatten. Sie waren sozusagen Hoflieferanten h. c.
Ganz im Gegensatz zum k. u. k. Hof- und Kammerschuhmacher Rudolf Scheer, dessen Nachfahre Markus Scheer heute noch zwei Holzbügel, Schuhgröße 44, aufbewahrt. Es sind die Schuhleisten Seiner Majestät des Kaisers. Wenn Franz Joseph ein Paar Schuhe bestellte, „ist mein Ur-Ur-Großvater mit der Pferdekutsche zu ihm in die Hofburg gefahren“, während sich „gewöhnliche“ Erzherzoge in das Geschäft in der Bräunerstraße bemühen mussten. Markus Scheer, in siebenter Generation Besitzer der 1816 gegründeten Schuhwerkstätte, ist überzeugt davon, dass die einstigen k. u. k. Betriebe Zukunft haben, „sofern sie die Tradition mit dem Heute verbinden und die Produkte kontinuierlich ihre Qualität halten.“
Die Auflagen, um zu Kaisers Zeiten in den erlauchten Kreis der Kaufleute aufgenommen zu werden, waren streng. Die Auszeichnung wurde nur Firmen verliehen, die sich eines untadeligen Rufs erfreuten, die schuldenfrei und politisch zuverlässig waren. Hoflieferanten, die sich im Revolutionsjahr 1848 „nicht patriotisch“ verhielten, wurde der Titel aberkannt. Ähnlich erging es dem Hofbäcker August Fritz, weil er im Ersten Weltkrieg entgegen den Rationierungsauflagen mehr Weizenmehl ins Gebäck schwindelte als erlaubt war. Der Hofzuckerbäcker Demel kam mit 3.000 Kronen Strafe davon, als er 1917 an fleischlosen Tagen faschierte Laberl verkaufte.
Während viele Hoflieferanten in der Ersten Republik aus Angst vor Repressalien ihre Türschilder mit dem Doppeladler abmontierten, „steht der Titel heute wieder hoch im Kurs, weil die Kaufleute damit demonstrieren können, dass sie den Kaiserhof beliefert haben“, sagt die Historikerin Ingrid Haslinger.
„Normale“ Kundschaft
Begründet hatte die Institution der k. k. Lieferanten Kaiser Joseph II., dessen Hof-Bäcker, -Fleischer, -Apotheker, -Ärzte, -Barbiere etc. noch seine persönlichen Angestellten waren. Sein Hof-Uhrmacher musste einmal in der Woche durch Schönbrunn gehen und kontrollieren, ob alle Chronometer richtig gestellt waren.
Ab Ende des 18. Jahrhunderts waren die Hoflieferanten freie Gewerbetreibende, die fortan nicht mehr nur den Kaiser, sondern auch „normale“ Kundschaft bedienten.
Mit dem begehrten Titel wurde aber auch Schindluder getrieben. Betrüger versprachen Geschäftsleuten gegen entsprechendes Entgelt bei der Vergabe der Auszeichnung „behilflich“ zu sein, und als sich der Wachshändler Angeli unerlaubt „k. k. Hof-Lieferant“ nannte, nur weil er 1839 einmal dem Hof Kerzen geliefert hatte, musste er die prunkvolle Aufschrift wieder von der Fassade nehmen. Freilich wurde ihm der Titel – wir sind in Österreich – nach Entrichtung der „Hoftitel-Taxe“ nachträglich doch noch verliehen.
Nicht nur in Wien
K. u. k. Hoflieferanten gab und gibt es heute noch nicht nur in Wien, sondern auch in Graz, Klagenfurt, Linz, Innsbruck, Steyr, Budapest, London, Budweis, Karlsbad, Paris, New York und anderen Städten.
Den Adelstitel musste man 1918 ablegen. K. u. k. Hoflieferant darf man für alle Zeiten bleiben.
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