Im weißen Rössl: Die echte Liebesgeschichte

Wenn der Zahlkellner Leopold der „Rössl“-Wirtin Josepha Vogelhuber heute Abend auf ORF III schöne Augen macht, dann ist das nicht nur der übliche Operettenschmäh. Denn das G’spusi gab es wirklich. Allerdings hat sich’s ein wenig anders zugetragen als in dem weltberühmten Singspiel.
Zunächst einmal: Der echte „Gasthof zum weissen Rössl“ lag nicht am Wolfgangsee, sondern in Lauffen bei Ischl – und dieser wurde von einer reschen Wirtin namens Maria Aigner geführt. Und die hatte wirklich einen Verehrer, doch der hieß nicht Leopold wie in der Operette, sondern Oscar. Und er war auch kein Kellner.
Noch ohne Musik
Der in die „Rössl“-Wirtin verliebte Oscar ist sogar schuld daran, dass die Affäre publik wurde: Der Berliner Schriftsteller Oscar Blumenthal hatte die Idee aus seiner Zuneigung zu der jungen Frau aus Lauffen ein Lustspiel zu machen. Es hieß „Im weißen Rössl“ und wurde 1897 – damals noch ohne Musik – uraufgeführt.
Doch da der Schriftsteller verheiratet war, konnte er sich in seinem Stück nicht gut selbst als Lover „outen“, also musste er seine Liebe zu der Wirtin einem anderen in die Schuhe schieben: Und er wählte einen alten Freund namens Leopold, der tatsächlich einst Kellner war – allerdings nie im „Weißen Rössl“.

Waltraut Haas und Peter Alexander in der Verfilmung, 1960
Nicht am Wolfgangsee
Oscar Blumenthal hatte eine Villa in Lauffen, die dem Gasthaus der Witwe Maria Aigner gegenüberlag. Und von hier aus konnte er sie den ganzen Sommer über beobachten und ihr Avancen machen. Wie weit das ging, ist nicht bekannt – sehr wohl aber, wie das „Weiße Rössl“ von Lauffen im Stück an den 20 Kilometer entfernten Wolfgangsee gelangte. Dort, in St. Wolfgang, gab es damals eine bürgerliche Pension „Zum Weißen Ross“, deren Besitzerin Antonia Drassl hieß. Da die Premiere des neuen Lustspiels in Berlin stattfinden sollte, beschlossen Blumenthal und sein Co-Autor Gustav Kadelburg die Handlung vom unbekannten Ort Lauffen an den auch im Deutschen Kaiserreich beliebten Wolfgangsee zu verlegen.
Die große Stunde
Und damit schlug die große Stunde der cleveren Antonia Drassl, Besitzerin des „Weißen Ross“ in St. Wolfgang. Die 46-jährige Wirtin änderte den Namen ihrer Pension flugs von „Ross“ auf „Rössl“, reiste zur Uraufführung nach Berlin und ließ sich dort als „Rössl-Wirtin“ feiern, obwohl es in ihrem Leben weder einen Leopold noch einen Oscar oder irgendetwas anderes gab, das mit dem Stück zu tun hatte.
Die falsche „Rössl“-Wirtin – die vom Wolfgangsee also – wurde berühmt, die echte aus Lauffen geriet in Vergessenheit. Mehr noch, sie musste Konkurs anmelden, ihr Gasthof wechselte mehrmals die Besitzer, ehe er zugesperrt und nach 1970 abgerissen wurde.

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Das weltbekannte Rössl
Das falsche „Rössl“ vom Wolfgangsee ist hingegen eine weltbekannte Touristenattraktion. Vor allem seit das Sprechstück 1930 durch zündende Musiknummern zur Operette ausgebaut wurde – mit Ohrwürmern wie „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“, „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“, „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“
Das „Weiße Rössl“ am Wolfgangsee befindet sich seit 1912 in Händen der Familie Peter, vom früheren Gasthof in Lauffen und von seiner Wirtin, der wir die ganze Story zu verdanken haben, weiß jedoch keiner mehr. Aber wen stört das schon. In der Operette ist bekanntlich alles erlaubt.
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