Fritz Muliars Erbe kommt unter den Hammer
Er bewohnte keine Luxusvilla, wie man sich das von einem Film-, Fernseh- und Theaterstar vorstellen würde. Nein, Fritz Muliar lebte eher bescheiden. In einem schmucklosen Einfamilienhaus in Groß-Enzersdorf bei Wien, 150 m2 Wohnfläche auf 600 m2 Grund. An den Wänden Bilder und kleine Vitrinen, die Möbel meist im Biedermeierstil. Als heuer im April auch Muliars Frau Franziska starb, entschlossen sich die beiden Söhne zum Verkauf des Elternhauses samt Einrichtung, Antiquitäten, Dokumenten und einer Autografensammlung. Die „Auktion Nachlass Muliar“ findet am 12. Dezember im Wiener Dorotheum statt.
Das Datum ist kein Zufall, Fritz Muliar wäre an diesem Tag 105 Jahre alt. Alexander (67) und Martin Muliar (64) wissen, dass sie mit dem Verkauf der Liegenschaft und der Versteigerung des Mobiliars kein Vermögen machen werden, ihnen geht es darum, „dass die Erinnerungen an unsere Eltern an Menschen gelangen, die deren Lebenswerk zu schätzen wissen“.
Alles drehte sich um den Beruf
Apropos Erinnerungen. Wenn Martin und Alexander Muliar an ihre Kindheit zurückdenken, fällt ihnen vor allem ein, dass der Vater meist weg war. „Wir sind bei Mama aufgewachsen, den Papa haben wir selten angetroffen, bei ihm drehte sich alles um den Beruf. Wenn wir in der Früh zur Schule gingen, hat er noch geschlafen, wenn wir zu Mittag heimkamen, war er auf der Probe und am Abend hatte er Vorstellung. So haben wir zwar Wand an Wand gewohnt, ihn aber oft wochenlang nicht gesehen.“ War das Familienoberhaupt zu Hause, hieß es: „Pscht, Papa schläft!“
Fritz Muliar pendelte täglich bis zu einer dreiviertel Stunde von Groß-Enzersdorf nach Wien und wieder zurück: ins Burgtheater, in die Josefstadt, in die Kammerspiele oder auf den Küniglberg, manchmal zwei Mal am Tag. Der Aufwand war’s ihm wert, denn er liebte Groß-Enzersdorf und das dort nach seinen Plänen entstandene Haus.
Mama hatte da, wie in allen Belangen, nicht viel mitzureden. „Er war der Herr im Haus“, sagt Alexander, „sie die Hausfrau, Putzfrau, Köchin. Einmal kam der Kreisky auf Besuch, sogar da ist sie in der Küche gestanden und hat gekocht“. Übrigens gelangt der Tisch, an dem Bruno Kreisky saß, ebenso zur Versteigerung wie Autografen des Kanzlers, aber auch von Leopold Figl, Arthur Schnitzler, Alexander Girardi, Hans Moser, Helmut Qualtinger und Herbert von Karajan. Auch das Haus in Groß-Enzersdorf wird – zu einem späteren Zeitpunkt – verkauft. Der Preis steht noch nicht fest.
Die erste Fernsehsprecherin
Frau Muliar konnte sich, erzählen die Söhne, erst nach dem Tod ihres Mannes richtig entfalten. Und das, obwohl sie einst selbst ein Publikumsliebling war: Franziska Kalmar war ab 1955 die erste Fernsehsprecherin des österreichischen Rundfunks. Aber die große Karriere machte natürlich er.
Auch wenn Fritz Muliar gut verdiente, lebte die Familie ohne Prunk, wie Haus und Einrichtung zeigen. Was aber hat der Volksschauspieler mit seinem Geld gemacht? „Er fuhr schöne Autos, meist Jaguar“, sagt Alexander, „hat gern gut gegessen, und er liebte Frankreich“. Die gemeinsamen Urlaube dort zählten zu den wenigen Gelegenheiten, etwas Zeit mit ihm zu verbringen.
Beide Söhne landeten „in der Branche“: Alexander wurde Kameramann, Martin ist Schauspieler. „Es hat etwas länger gedauert, ich war zuerst Heilmasseur, arbeitete in der Pharmaindustrie, bis mit Ende 30 das Theater dann doch noch durchschlug. Anfangs war es schwierig mit dem Namen Muliar, aber ihn zu ändern hätte auch nichts genützt, da jeder wusste, wer mein Vater ist. Inzwischen hat es sich normalisiert, und der Beruf macht mir großen Spaß.“ Martin Muliar tritt auf renommierten Bühnen auf und bereitet derzeit eine Fernsehserie vor.
Es gab noch einen Sohn, Hans, den ältesten aus Muliars erster Ehe. Er starb 1990 mit 44 Jahren an Lungenkrebs. Gerade damals spielte Fritz Muliar am Burgtheater in Felix Mitterers Monolog „Sibirien“ einen sterbenden alten Mann. „Damit hat mein Vater die Tragödie wohl zu verarbeiten versucht“, meint Martin, „aber es war sicher die schwerste Zeit seines Lebens.“
Der letzte Auftritt
Seinen letzten Auftritt hatte Fritz Muliar am 3. Mai 2009 in Peter Turrinis Stück „Die Wirtin“ in den Wiener Kammerspielen. Er fuhr nach der Vorstellung mit dem Auto nach Groß-Enzersdorf, brach in seinem Haus zusammen, wurde ins Wiener AKH gebracht, wo er noch in derselben Nacht im Alter von 89 Jahren starb. „Meine Mutter hat von diesem Tag an in seinem Arbeitszimmer nichts verändert, der Kalender am Schreibtisch blieb aufgeschlagen, die Brille, alles blieb wie es war“, erzählt Alexander.
„Unsere Eltern haben 57 Jahre zusammen gelebt und ein reichhaltiges, erfülltes Leben geführt“, ergänzt Martin. „Mama hat nach Papas Tod jeden Abend zwei Kerzen angezündet und seiner gedacht.“
Franziska Kalmar starb am 8. April 2024, knapp 15 Jahre nach ihrem Mann, im Alter von 94 Jahren.
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