First Ladys: Ein Amt, das es offiziell gar nicht gibt
Bill Clinton war erst seit Kurzem US-Präsident, als er, begleitet von seiner Frau, mit dem Auto an einer Tankstelle hielt. Hillary zeigte auf den Tankwart und sagte: „Schau, der war in meiner Jugend ein Verehrer von mir.“ Bill erwiderte: „Hättest du ihn geheiratet, wärst du jetzt die Frau eines Tankwarts.“ Darauf Hillary: „Nein, dann wäre er heute Präsident der Vereinigten Staaten.“
Eine kleine Anekdote nur, die aufzeigen soll, welch treibende Kraft Hillary Clinton hinter der Karriere ihres Mannes war. Im Gegensatz zu vielen anderen amerikanischen First Ladys, die mehr für den Speiseplan und für ein reizendes Lächeln zuständig waren.
Die Frage hat Gewicht
In neun Tagen wird auch die zweitwichtigste Frage beantwortet, die sich die US-Bürger derzeit stellen: Wer wird First Lady? Melania Trump oder Jill Biden? Die Frage hat durchaus Gewicht, geben doch 52 Prozent der US-Bürger an, dass die First Lady eine Rolle bei ihrer Wahlentscheidung spielt.
Jacqueline Kennedy war wohl die Präsidentengattin, die das „Amt“ der First Lady – das es offiziell gar nicht gibt – am nachhaltigsten veränderte. Wie keine andere Frau eines Staatsoberhauptes repräsentierte sie die Nation und erfreute sich eines weltweit hohen Ansehens. Ihr Mann wusste genau, was er an ihr hatte. Bei einem Staatsbesuch in Frankreich sagte John F. Kennedy: „Ich bin der Mann, der Jacqueline Kennedy nach Paris begleitet.“
„Gefangene des Staates“
Melania Trump ist die 47. First Lady der USA, die erste hieß Martha Washington und übte diese Position von 1789 bis 1797 als Ehefrau des Gründerpräsidenten George Washington aus. Martha beschränke sich darauf, Dinner Partys zu geben, ohne je am politischen Leben teilzunehmen. „Ich führe ein langweiliges Leben“, sagte sie, „ich weiß gar nicht, was in der Stadt passiert“. Auch sah sie sich als eine „Gefangene des Staates“.
Abraham Lincolns Frau Mary kämpfte hingegen mit ihrem Mann für die Abschaffung der Sklaverei, doch war sie – im Gegensatz zu ihm – wenig beliebt, weil sie als verschwenderisch galt. Nach Abraham Lincolns Ermordung im Jahr 1865, die sie nie überwinden konnte, wurde Mary wegen psychischer Probleme in eine Klinik eingewiesen.
Eleanor Roosevelt war es, die vor dem Zweiten Weltkrieg die bis dahin fest verschlossenen Polstertüren des Weißen Hauses öffnete. Die Frau des 32. Präsidenten Franklin D. Roosevelt prägte einen neuen Stil, sie gab Pressekonferenzen, hatte eine eigene Radiosendung und schrieb eine tägliche Zeitungskolumne. Auch setzte sich Mrs. Roosevelt für Menschenrechte und Gleichberechtigung ein. Und sie reiste für ihren im Rollstuhl sitzenden Mann um die Welt und an Kriegsschauplätze, von denen sie ihm Bericht erstattete.
Roosevelts Geliebte
Von Franklin D. Roosevelt wurde erst nach seinem Tod bekannt, dass die angeblich beste Präsidenten-Ehe nicht ganz so rosig war: Er selbst hatte eine Geliebte namens Alice LeHand, und First Lady Eleanor revanchierte sich mit ihrer besten Freundin Lorena Hickock, die 1941 im Weißen Haus Quartier bezog.
Der berühmteste „Seitenspringer“ im Weißen Haus war natürlich John F. Kennedy. In ihren posthum erschienen Erinnerungen erwähnt Jacqueline Kennedy die Affären ihres Mannes mit keinem Wort. Als einziger Hinweis gilt nur ihre Erklärung, dass sie „nie eifersüchtig war“.
Frischer Wind
Trotz der Demütigungen, die sie erfuhr, begeisterte „Jackie“ durch scheinbares Familienglück. Und schließlich auch, weil durch sie im Weißen Haus ein frischer Wind wehte. indem sie Künstler wie die Garbo, Rudolf Nurejew und Tennessee Williams nach Washington lud.
Zwei Stunden nach John F. Kennedys Tod wurde Lyndon B. Johnson zum 36. Präsidenten der USA ernannt. Seine Frau Claudia „Lady Bird“ Johnson konnte durch eine Erbschaft und als erfolgreiche Medienunternehmerin seinen Wahlkampf finanzieren, und sie setzte sich als erste First Lady für den Umweltschutz ein.
Pat Nixon, First Lady von 1969 bis 1974, behauptete, ihre Aufgabe sei „der härteste unbezahlte Job der Welt“, und ihre Nachfolgerin Betty Ford wurde als „kämpferische First Lady“ bezeichnet, weil ihre politischen Vorstellungen oft von denen der Republikanischen Partei ihres Mannes abwichen. Sie sprach offen über ihre Alkohol- und Tablettensucht, und heute noch heißt eine der berühmtesten Entzugsanstalten der USA „Betty Ford Klinik“.
Nancy Reagan spielte in ihrer Ehe eine dominante Rolle. „Sie mischte sich in allzu vieles ein“, erinnert sich Ronald Reagans aus Österreich stammende Sekretärin Helene von Damm. „Das ging so weit, dass der Präsident bestimmte Termine nur nach Absprache mit Nancys Astrologin wahrnehmen durfte.“
Die Kunst des Small Talks
Traditionsgemäß kümmern sich die meisten First Ladys um ihren Mann und die „First Family“, sie treten im Wahlkampf auf, müssen bei Empfängen die Kunst des Small Talks beherrschen und engagieren sich für karitative Projekte. Seit Hillary Clinton – die erste First Lady, die auch als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt wurde – wissen wir, dass First Ladys auch politischen Einfluss nehmen können.
Sie kämpfte für eine Gesundheitsreform, die sie aber nicht durchsetze, und für die Gleichberechtigung der Frauen. Als Bill Clinton wegen seiner Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky um sein Amt fürchten musste, stellte Hillary sich demonstrativ hinter ihn.
Michelle hätte Chancen
Michelle Obama, die erste afroamerikanische Frau im Weißen Haus, zählt heute zu den beliebtesten First Ladys der USA. Ihr hätte man Chancen gegeben, wenn sie selbst als Präsidentschaftskandidatin angetreten wäre.
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