Theater-Legende Alfred Böhm: Der fast vergessene Volksschauspieler

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Er war einer der größten Fernseh- und Theaterlieblinge Österreichs, doch heute wird sein Name kaum noch genannt. Alfred Böhm starb vor 30 Jahren.

Ob in „Pension Schöller“, als Ober im „Seniorenclub“ oder als „Leihopa“ – es gibt kaum eine populäre österreichische Theater- und Fernsehproduktion, in der Alfred Böhm nicht mitwirkte. 

Als einer der beliebtesten Schauspieler des Landes trat er auf Bühnen, im Film und im TV auf – doch wer spricht heute noch über Alfred Böhm? Wir wollen ihn hier, vor seinem 30. Todestag, ein wenig der Vergessenheit entreißen.

Seniorenclub =

Seniorenclub

Lauter Schauspieler

Geboren 1920 in Wien als einer von vier Söhnen eines Fabrikarbeiters, von denen drei Schauspieler wurden: Alfred war der populäre, Carlo Böhm stand ein wenig in dessen Schatten und Franz Böheim, wie sich der älteste Bruder nannte, war ein geschätztes Mitglied des Burgtheaters, er wurde aber nur 53 Jahre alt. Auch die Namen von „Fredis“ Brüdern sind – wie die vieler anderer Mimen von damals – vergessen.

Alfred Böhm, der in Wien-Favoriten in beengten Verhältnissen aufwuchs, wollte von Kindheit an Schauspieler werden, doch der Vater bestand darauf, dass er Feinmechaniker wurde. Nach dem Krieg konnte ihn niemand daran hindern, eine Schauspielschule zu besuchen, es folgten Engagements in Innsbruck und Linz, ehe er 1953 ans Theater in der Josefstadt geholt wurde, dem er mit Unterbrechungen mehr als 40 Jahre angehörte.

Kaum ein anderer Schauspieler in dieser Zeit hatte neben seiner Theatertätigkeit so viele Auftritte wie Alfred Böhm, etwa bei Karl Farkas am Simpl, als Dicker Vetter im Salzburger „Jedermann“ oder als Frosch in der „Fledermaus“ an der Volksoper.

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Böhm

„Familie Leitner“

Seine größte Bühne aber war das Fernsehen, für das Alfred Böhm 1958 zur „Familie Leitner“ stieß. Renée Michaelis, die Tochter des Hauses, suchte einen Ehemann und fand ihn in Böhm, der dann in über 100 Folgen als ständig hungriger Schwiegersohn in Österreichs erster Fernsehfamilie auftrat.

Im wirklichen Leben geheiratet hat Renée Michaelis aber Otto Schenk, der wiederum Böhms kongenialer Partner in der beliebten TV-Serie „Der Untermieter“ wurde. „Wir haben immer versucht“, sagte Schenk über Böhm, „einander zu übertreffen, an Blödheit, an Natürlichkeit und all dem, was zur Komödie gehört.“

Legendäre Fernsehrollen waren auch „Der Leihopa“ und in mehr als 400 Folgen der Ober Alfred im „Seniorenclub“. Böhm war so oft und so regelmäßig auf den Bildschirmen zu sehen, dass er, ähnlich wie Heinz Conrads, fast zum Familienmitglied in vielen Haushalten wurde.

Pension Schöller

Als „Josefstädter“ sorgte er jahrzehntelang für ausverkaufte Vorstellungen in den Kammerspielen: in Komödien wie „Der Mustergatte“, „Charleys Tante“ oder „Gute Geschäfte“. 

Wenn man sich heutzutage aber hin und wieder doch noch seiner erinnert, dann sind es die Abende, an denen ORF III zum x-ten Mal „Pension Schöller“ ausstrahlt. In dem Schwank tritt er an der Seite seines Freundes Maxi Böhm (mit dem er nicht verwandt war) als verhinderter Schauspieler auf, der aufgrund eines Sprachfehlers stets ein „N“ verwendet, weil er den Buchstaben „L“ nicht sagen kann. Wenn Alfred Böhm lauthals „Ich möchte den Othenno spienen!“ ausruft, sich statt als Leo Schöller als Neo Schönner vorstellt und ihm zu guter letzt ein „Necken Sie mich!“ herausrutscht – dann kannte und kennt das Nachen, pardon: das Lachen des Publikums keine Grenzen.

Neben Theater und Fernsehen wirkte Böhm in rund 30 Kinofilmen mit, nicht in den künstlerisch wertvollsten vielleicht, aber solche gab es damals auch nicht allzu viele.

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Trockener Humor

Für seinen trockenen Humor bekannt, spielte Böhm 1949 in seinem ersten Kinofilm „Kleiner Schwindel am Wolfgangsee“ einen Oberkellner, der einem Gast beim Fünf-Uhr-Tee einen Brief überreichen soll. Als Alfred Böhm sich zwischen den Tanzpaaren durchschlängelte, brach Regisseur Franz Antel die Szene ab: „Halt! Stopp! Böhm, was machen Sie denn da? Sie können doch nicht mitten durch die Leut rennen. Waren Sie denn noch nie bei einem Fünf-Uhr-Tee?“

„Oh ja, schon“, erwiderte Alfred Böhm. „Aber noch nie als Ober!“

Antel besetzte den bald zum Volksschauspieler avancierten Publikumsliebling weiterhin, so 1981 als Freund und Tarockpartner von Karl Merkatz in „Der Bockerer“.

Ein Jahr vor seinem Tod inszenierte Alfred Böhm noch in den Kammerspielen die beiden Karl-Valentin-Einakter „Theaterbesuch“ und „Die Orchesterprobe“, in denen er selbst mit Elfriede Ott auf der Bühne stand. In einer Szene sollte er sich Schuhe anziehen, war aber bereits zu schwach dazu. „Da kniete ich mich nieder“, erinnerte sich die Ott, „und versuchte ihm die schweren Schuhe anzuziehen. Er schaute nur ruhig zu, dann kam ein unbeschreiblicher Satz: ,Du bist mein Weib. Wann i dich net hätt, brauchert i direkt an Schuhlöffel.“

Seinen Humor hatte Alfred Böhm bis zuletzt nicht verloren.

Romy 1995

Romy 1995

Die Romy fürs Lebenswerk

Am 29. April 1995 wurde ihm in der Wiener Hofburg vom KURIER die Platin-Romy für das Lebenswerk verliehen. Fünf Monate später, am 22. September 1995, starb er 75-jährig in seinem Landhaus in Wieselburg an Herzversagen.

Wie kann ein Schauspieler wie Alfred Böhm, der ganz Österreich auf besondere Weise zum Lachen brachte, 30 Jahre nach seinem Tod vergessen sein? Die Antwort auf diese Frage wusste schon Friedrich Schiller, als er meinte, dass „die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flicht“.

An dieser Tatsache haben Massenmedien wie Film und Fernsehen wenig geändert.

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