Walter Matthau: Der Hüne mit dem Dackelblick

Walter Matthau in "The Front Page".
Für mich hat Hollywood keinen größeren Komiker hervorgebracht als ihn. Sein schlürfender Gang, seine schlaksige Figur, die vornübergebeugte Haltung, sein knautschiges Gesicht, sein Dackelblick – kein anderer bringt mich so zum Lachen wie Walter Matthau, der der Welt des Films vor 25 Jahren für immer verloren ging. Dabei können wir uns glücklich schätzen, dass uns diese einzigartige Erscheinung überhaupt geschenkt wurde. Denn noch ehe seine eigentliche Karriere begann, war er nach einer schweren Herzattacke klinisch tot. Dass er aus dem Koma erwachte und dann noch mehr als 40 Filme drehen konnte, gleicht einem Wunder.
Ob in "Extrablatt", "Die Sunny Boys" oder "Ein seltsames Paar" – Walter Matthau ist immer urkomisch, selbst in ernsten Momenten. Und man kann’s kaum glauben, dass auch das persönliche Leben dieses Ausnahmekomödianten voll von ernsten Momenten war.
Mister Matuschanskayasky?
Von Jugend an Kettenraucher, hatte er mit 46 Jahren seinen ersten schweren Herzinfarkt. Als er in die nächste Klinik eingeliefert wurde, hatte man ihn fast schon aufgegeben, ehe er doch reanimiert werden konnte. Erst nach seiner Genesung kamen die Rollen seines Lebens auf ihn zu. Denn lange hatten die Produzenten nicht daran geglaubt, dass er der Typ Schauspieler wäre, der in Hollywood reüssieren könnte.
Walter Matthau wurde am 1. Oktober 1920 als Walter John Matthow in eine russisch-jüdische Immigrantenfamilie in New York geboren, wo er in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Der Humor spielte in seinem Leben eine große Rolle, sogar seinen Namen hat er ins Lächerliche gezogen, als er die Geschichte erfand, in Wirklichkeit Matuschanskayasky zu heißen. Das führte dazu, dass er als solcher in Filmlexika und im Abspann früher Filme, in denen er noch Nebenrollen spielte, aufscheint. Er liebte es, die Umwelt mit derlei Scherzen in die Irre zu führen, behauptete auch, in der britischen Thronfolge ganz weit oben zu stehen oder der Sohn eines Spions zu sein.

Jack Lemmon und Walter Matthau bei der 52. Verleihung der Golden Apple Awards im Beverly Hilton Hotel in Beverly Hills.
Schon als Kind am Theater
Allerdings war sein Vater gelernter Elektriker, der seine Familie im Stich ließ, als Walter drei Jahre alt war. Die Mutter hatte es als Näherin schwer, ihn und seinen älteren Bruder Henry allein über die Runden zu bringen. Um das Haushaltsgeld ein wenig aufzubessern, begann Walter als Kind in einem kleinen Theater in der 2nd Avenue als Statist aufzutreten, mit elf bekam er seine erste Rolle.
Nach dem Kriegsdienst in der Air Force und einem Schauspielstudium bei Erwin Piscator wurde er 1948 für meist ernste Theater- und eher unbedeutende Fernsehrollen engagiert, musste aber nebenbei als Kellner arbeiten – auch weil ihn seine Spiel- und Wettleidenschaft oft an den Rand des finanziellen Ruins führte. Der berufliche Durchbruch ließ noch längere Zeit auf sich warten.
Es war der große Bühnenautor Neil Simon, der Matthaus komisches Talent erkannte. Er schrieb ihm eine Rolle auf den Leib, die ihm zu Weltruhm verhalf: Am 10. März 1965 feierte Matthau im Plymouth Theatre am Broadway die Uraufführung der Komödie "Ein seltsames Paar". Er spielte darin einen lebensfrohen, zur Schlamperei neigenden Sportreporter, der einen überkorrekten Hypochonder in eine WG holt, nachdem beide von ihren Frauen verlassen wurden. Mit der Interpretation dieses Stücks um zwei Männer, die gegensätzlicher nicht sein könnten, zählte Walter Matthau über Nacht zu Amerikas Komikerelite, insbesondere nach der Verfilmung des "Seltsamen Paares" im Jahr 1968, diesmal mit Jack Lemmon als Partner.
Dramatische Dreharbeiten
Mit dem hatte er bereits zwei Jahre davor in Billy Wilders Regie die Filmkomödie "Der Glückspilz" gedreht, die unter äußerst dramatischen Umständen zustande kam: Matthau erlitt während der Dreharbeiten die erwähnte, beinahe tödliche Herzattacke. Die Aufnahmen wurden für mehrere Wochen unterbrochen, und da der 1,90 Meter-Hüne nach dem Infarkt von 86 auf 72 Kilogramm abmagerte, musste er nach Wiederaufnahme der Dreharbeiten mit ausgestopfter Kleidung weiterspielen. Matthau erhielt für seine Rolle als findiger Winkeladvokat in "Der Glückspilz" seinen ersten und einzigen Oscar.

Walter Matthau mit seiner Ehefrau Carol und Sohn Charlie. Aufnahme aus dem Jahr 1965.
Er hörte auf Anraten der Ärzte zu rauchen auf, musste sich später noch einer Bypass-Operation unterziehen und blieb sein Leben lang gesundheitlich angeschlagen. Seine Karriere konnte er dennoch mit weiteren Sensationserfolgen fortsetzen, insgesamt zehn Mal gemeinsam mit Jack Lemmon, der allmählich auch sein bester Freund wurde. Die beiden waren in den 1960er- und 70er-Jahren Amerikas beliebtestes Komikerduo und ihre Lustspiele weltweite Kassenschlager.
Er wollte auch ernste Rollen
Matthau drehte auch mit Marlon Brando ("Candy", 1968), Ingrid Bergman und Goldie Hawn ("Die Kaktusblüte", 1969), Barbra Streisand ("Hallo, Dolly!", 1969), George Burns ("Die Sunny Boys", 1975), Sophia Loren ("Der dritte Frühling", 1995) u. v. a.
Wie so viele große Komödianten drängte es Matthau, auch als Charakterschauspieler akzeptiert zu werden, etwa wenn er Alkoholiker oder Bösewichte spielte, er musste aber zur Kenntnis nehmen, dass sein Publikum über ihn in erster Linie lachen wollte und seine Auftritte in ernsten Rollen an den Kinokassen weit weniger erfolgreich waren.
Privat lebte Walter Matthau zurückgezogen, er war zwei Mal verheiratet, zuletzt mit der Schauspielerin Carol Grace, deren gemeinsamer, 1962 geborener Sohn Charles Matthau heute als Schauspieler und Regisseur in den USA lebt.
Walter Matthau starb am 1. Juli 2000 im Alter von 79 Jahren in Santa Monica/Kalifornien an den Folgen seines zweiten Herzinfarkts. Er ruht wie viele Stars am Westwood Village Friedhof in Hollywood, in einem Grab, das den Gräbern seiner beiden engsten Freunde Jack Lemmon und Billy Wilder benachbart ist.
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