Josephine Baker (1906–1975) wurde bewundert, geliebt, abgelehnt und gehasst: „Im Mittelpunkt der Kontroversen standen ihre Freizügigkeit, ihr Reichtum und ihre Hautfarbe“
Die Sängerin, Schauspielerin und Nackttänzerin starb vor 50 Jahren in Paris. Ihre Auftritte in Wien riefen einen riesigen Theaterskandal hervor.
Eine schmale, fast 70-jährige Frau stand da und wartete auf ihren Auftritt in einem Pariser Revuetheater. Sie sah in ihrem engen Hosenanzug und den falschen Wimpern hinter dicken Brillengläsern geradezu mitleiderregend aus. Doch kaum hatte sie ihre Brillen abgelegt und die Bühne betreten, verwandelte sie sich in einen strahlenden Star, dem das Publikum zujubelte.
Es war der letzte Auftritt der weltberühmten Entertainerin Josephine Baker. Sie fiel kurz danach in ein Koma, aus dem sie nicht mehr erwachte. Genau 50 Jahre sind seither vergangen.
Der Auftritt am 8. April 1975 war Höhepunkt und zugleich Ende einer Karriere, die sich Frieda Josephine McDonald, wie die gebürtige Amerikanerin eigentlich hieß, in ihren kühnsten Träumen nicht hatte vorstellen können.
Baker wuchs in bitterer Armut auf
Als uneheliche Tochter einer Wäscherin 1906 in St. Louis/Missouri zur Welt gekommen und in bitterer Armut aufgewachsen, musste Josephine als Elfjährige mit ansehen, wie bei einem Pogrom in ihrer Heimatstadt mindestens 50 schwarze Nachbarinnen und Nachbarn ermordet wurden.
Ihre Mutter zwang die 13-Jährige in eine Ehe, die nach wenigen Wochen in Brüche ging. Mit 19 heiratete sie den Schaffner Willie Baker, dessen Name sie behielt, obwohl auch diese Ehe nur von kurzer Dauer war
Die ersten Auftritte: halbnackt
Dass Tanz und Gesang ihr Leben bestimmen würden, wusste sie früh. Nach ersten Engagements als Chorus-Girl in Philadelphia und New York gelangte sie mit 16 über Berlin an die Folies-Bergère, das berühmte Pariser Varieté, in dem sie das Publikum im Sturm eroberte und ihre Weltkarriere begründete.
Sie zeigte sich ohne jede Scham, nur mit einem Bananenröckchen bekleidet, bewegte sich mit sprühender Erotik und genoss es, wenn ihr die Männer zu Füßen lagen.
Und das taten sie, die Baker war fünf Mal verheiratet, hatte viele Affären, auch mit prominenten Männern wie Maigret-Autor Georges Simenon und Stararchitekt Le Corbusier.
Im Mittelpunkt der Kontroversen standen ihre Freizügigkeit, ihr Reichtum und ihre Hautfarbe.
von Mona Horncastle
Baker-Biografin
Was aber in den 1920er-Jahren bei ihren Auftritten in Paris akzeptiert wurde, rief in Wien einen Skandal hervor. Das Johann-Strauß-Theater auf der Wieden war die erste Station einer Europatournee als Nackttänzerin, deren Ankunft im März 1928 am Westbahnhof schon zum Eklat führte. Mitglieder einer ultrarechten Studentengruppe wollten „das Auftreten farbiger Künstler verhindern“ und mussten durch ein Polizeiaufgebot von den Fans der Baker getrennt werden.
Nationalsozialisten riefen zu Protesten in Wien gegen Baker auf
Das war nur der Auftakt zu weiteren Tumulten, bei denen Nationalsozialisten zu Massenprotesten „gegen die obszönen Schweinetänze“ aufriefen, hinter denen klarerweise „das internationale Finanzjudentum“ steckte, welches mittels „Verpestung durch Negerblut die arische Rasse vernichten“ wollte.
Nicht zuletzt dank der ungewollten Werbung durch ihre hasserfüllten Gegner waren alle Vorstellungen im Johann-Strauß-Theater ausverkauft. „Ich war nicht wirklich nackt“, erklärte Josephine später, „ich hatte nur keine Kleider an“.
Ihre Biografin Mona Horncastle schreibt in dem Buch Josephine Baker Weltstar Freiheitskämpferin Ikone (Molden-Verlag), dass es in fast jeder Stadt der Tournee zu Protesten kam. „Im Mittelpunkt der Kontroversen standen ihre Freizügigkeit, ihr Reichtum und ihre Hautfarbe.“
Baker trat mehrmals in Wien auf
Der Wirbel bei ihrem ersten Wien-Besuch konnte die Baker nicht davon abhalten, vier Jahre später wiederzukommen. Und so trat sie hier im März 1932 ein weiteres Mal auf, diesmal im Ronacher und weitgehend skandalfrei, weil hinlänglich bekleidet. Paradoxerweise legte die Nackttänzerin im Privatleben großen Wert auf zahlreiche Garderobe, weshalb aus ihrem Wiener Hotel die Kunde drang, dass die Zimmermädchen jeweils einen halben Tag damit beschäftigt waren, Josephines Koffer aus- und am Ende wieder einzupacken.
Mit 50 Jahren kündigte sie ihren Rückzug von der Bühne an, um zwei Jahre später in der Casanova-Bar und 1968 im Cabaret Renz, beide in Wien, ihr Comeback zu feiern. Mit 67 erlebte sie dann noch einen Triumph in der New Yorker Carnegie Hall.
Bis zum Schluss auf der Bühne: 1968 im Wiener Cabaret Renz .
Man wird Josephine Baker nicht gerecht, würde man sie als bloße Nackttänzerin abtun. Sie war während des Zweiten Weltkrieges in der Résistance gegen die Nationalsozialisten tätig und arbeitete als ausgebildete Pilotin im Range eines Leutnants für die Luftwaffe. Später setzte sie sich gegen jede Form von Rassismus ein und kämpfte aktiv an der Seite von Martin Luther King für die Bürgerrechte unterdrückter Afroamerikaner.
Sie lebte mit zwölf Kindern im Schloss
Im Alter adoptierte sie zwölf Kinder verschiedenster Hautfarben, mit denen sie in einem Schloss in Südfrankreich lebte.
Teilte ihren Wohlstand mit anderen: Josephine Baker mit 11 ihrer 12 Adoptivkinder in Südfrankreich.
Und dann der letzte Auftritt, die Gala am 8. April 1975. Prominente Gäste wie Fürstin Gracia Patricia, Alain Delon, Sophia Loren, Mick Jagger und Jeanne Moreau jubeln ihr im Pariser Bobino Theater zu. Und können nicht fassen, als sie vier Tage später von ihrem Tod als Folge einer Gehirnblutung erfahren.
Posthum geehrt
Die größte Auszeichnung wird Josephine Baker posthum zuteil, als man sie im Jahr 2021 auf Wunsch von Staatspräsident Emmanuel Macron ins Pariser Panthéon aufnimmt, womit vor allem ihre Tätigkeit im französischen Widerstand gewürdigt wird.
Auf diese Weise geehrt wurden bis dahin die Schriftsteller Victor Hugo, Emile Zola und Alexandre Dumas, die Physiker Marie und Pierre Curie, die Philosophen Voltaire und Jean-Jacques Rousseau.
Und dann Josephine Baker. Spätestens da wusste die Welt, dass sie weit mehr war als eine Nackttänzerin.
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