Das Fernsehen kommt in die Jahre

Es war diesen Freitag im Hauptabendprogramm, als der ORF sich selbst und seine ersten 70 Jahre feierte. Man zeigte die zehn emotionalsten Fernsehmomente, darunter Hermann Maiers Unfall bei den Olympischen Spielen in Nagano, Edi Fingers „I wer narrisch“-Sager, Conchitas Sieg beim Song Contest und das legendäre Natascha-Kampusch-Interview.
Die Einschränkung auf einige wenige TV-Augenblicke brachte es mit sich, dass man – vorerst jedenfalls – die unvergessenen Auftritte vieler Bildschirmstars unter den Teppich kehrte.

80 Prozent Quote
So wurde zwar in der Sendung „70 Jahre Fernsehen“ Peter Alexander mit einem Nebensatz erwähnt, aber nicht, dass er mit seinen Shows jahrzehntelang den Samstagabend beherrschte. Er zeigte sein ganzes Können, ob er „Ich zähle täglich meine Sorgen“, „Delilah“ oder „Die süßesten Früchte“ sang. Oder wenn er Hans Moser, den „Mundl“ und sämtliche Royals im Buckingham Palace parodierte. Die Quote lag, wenn „Peter der Große“ auftrat, bei bis zu 80 Prozent. 1995 beendete er seine Karriere, „weil die Qualität der Drehbücher nachließ“.
Was Peter Alexander für den deutschsprachigen Raum, war Heinz Conrads für Österreich. Gerhard Freund, der erste Direktor des österreichischen Fernsehens, holte den Radiostar auf den Bildschirm, und Heinz Conrads sagte ab 9. März 1957 im TV jede Woche „Guten Abend am Samstag“, setzte sich „zu den G’sunden und Kranken“, die er zuweilen mit „Servas die Buam“ begrüßte. Und das bis zu seinem Tod am 9. April 1986.
Ein Fernsehapparat kostete, als das Medium in den Kinderschuhen steckte, 6.000 Schilling, und das war damals ein kleines Vermögen, also musste dem staunenden Publikum Aufregendes geboten werden, um es zum Kauf eines „Kastls“ zu bewegen. Bei der Gründung 1955 wurde das „technische Versuchsprogramm“ eher im Kaffeehaus als in den Wohnungen konsumiert, doch 1958 waren immerhin schon 50.000 TV-Geräte registriert.

Die Quizmaster
Die Assingers und Jauchs sind keine Erfindung unserer Tage, zumal sich Quizsendungen schon in den Anfängen großer Beliebtheit erfreuten. „Jede Sekunde ein Schilling“ hieß die Show mit Lou van Burg, und Rudolf Hornegg stellte in seinem „Quiz 21“ die knifflige Elferfrage. Hans-Joachim „Kuli“ Kulenkampff erreichte ab 1964 als König der Quizmaster mit „Einer wird gewinnen“ bis zu 30 Millionen Zuseher.
1958 lief die erste Sendung „Ihr Auftritt, bitte“. Die ins Studio gebetenen Künstler kamen gern, obwohl der Interviewer ziemlich arrogant wirkte. „Heinz Fischer-Karwin verstand es“, erklärte sein oftmaliger Gast Otto Schenk, „den Schein der Arroganz auf sich zu ziehen, wodurch sein Gesprächspartner automatisch in ein sympathisches Licht gesetzt wurde“.
In der Kultur beeindruckte vor allem Marcel Prawy, der ab 1965 rund 240 Folgen seines „Opernführers“ gestaltete und alle Sendungsunterlagen in Plastiksackerln mitbrachte. Mehr noch als in den Sackerln war in seinem Gehirn gespeichert: „Marcello“ wusste noch, dass Richard Strauss am 7. Dezember 1926 in der Staatsoper „Elektra“ dirigierte und dass er, Prawy, von diesem Tag an „der Oper verfallen“ war.

„Was bin ich?“
Ja, und was wäre die Television ohne Robert Lembkes „Was bin ich?“, Hans Rosenthals „Dalli Dalli“, Eduard Zimmermanns „Aktenzeichen XY“, ohne „Derrick“, „Kottan“, den „Club 2“, Thomas Gottschalks „Wetten, dass...?“, Rudi Carrell, ohne die Sprecherinnen, auf deren Programmansage längst verzichtet wird, ohne Fritz Eckhardts „Hallo, Hotel Sacher, Portier!“ Er hätte den Portier nie gespielt, erklärte er seinen Erfolg, „sondern immer nur den Eckhardt“.
Charismatische Persönlichkeiten gab es auch in der Information. Seit 1968 war Hugo Portisch der Fernsehkommentator der Nation, nachdem er als KURIER-Chefredakteur das Rundfunk-Volksbegehren initiiert hatte, das die Unabhängigkeit des ORF sicherstellte. Mit „Österreich I“ und II arbeitete er Geschichte fernsehgerecht auf.
Zu den Bildschirm-Pionieren zählte auch Helmut Zilk, der 1959 das Schulfernsehen gegründet hatte, unter Gerd Bacher Fernsehdirektor wurde und mit seinen „Stadtgesprächen“ TV-Geschichte schrieb.

Sportreporter-Legenden
Nicht zu vergessen sind die Sportreporter-Legenden Heribert Meisel, Kurt Jeschko und Tierprofessor Otto Koenig.
Als das Fernsehen 1969 bunt wurde, revolutionierte eine unkonventionelle Idee die Unterhaltung: Dietmar Schönherr und Vivi Bach setzten in „Wünsch dir was“ Themen vor, die Aufsehen erregten. Man war fassungslos, wenn die Mitglieder einer Kommune auftraten oder gar ein 17-jähriges Mädchen in Transparentbluse.
Aus dem „Patschenkino“, an das anfangs kaum jemand glauben wollte, wurde ein Massenmedium mit sechs Millionen TV-Geräten. Und auch wenn heute Neue Medien dem ORF und mittlerweile auch den privaten Sendern Konkurrenz machen, bleibt das Fernsehen ein Teil unseres Lebens.
Wenn ich anfangs erwähnte, dass in der Sendung „70 Jahre Fernsehen“ vieles fehlte, so muss man dem ORF noch eine Chance geben, oder besser gesagt: zwei Chancen. An den nächsten beiden Freitagen werden die Folgen 2 und 3 gezeigt. Und da werden wir dann hoffentlich Peter Alexander, Heinz Conrads, „Mundl“, Marcel Prawy, Teddy Podgorski, Karl Moik, den Sprecherinnen und all den anderen Unvergessenen noch begegnen.
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