Als Künstler hat Adolf Hitler nicht Geschichte geschrieben. Und doch erzielen die Werke des Massenmörders immer noch Höchstpreise. In den Wiener Kammerspielen feiert jetzt sogar ein Stück über seine Bilder Premiere.
Der Mann hielt sich für ein Genie. Nicht nur als Diktator und Feldherr, sondern auch als Kunstmaler. Dabei werden seine Bilder von Experten bestenfalls als mittelmäßig eingestuft. Warum widmen wir dem Landschafts- und Ansichtskartenmaler Adolf Hitler dann hier eine ganze Seite? Nun, in den Wiener Kammerspielen hat kommenden Donnerstag ein Stück Premiere, in dem zwei Geschwister im Nachlass ihres Vaters ein von Hitler gemaltes Bild entdecken. Dürfen sie aus dem Erbe ein Geschäft machen oder gelten in diesem Fall andere, moralische Prinzipien?
Hitler als Maler also. Der spätere „Führer“ ging, nachdem er die Realschule in Linz abgebrochen hatte, mit 17 Jahren nach Wien, um dort, wie er dachte, ein großer Künstler zu werden. Doch er scheiterte gleich zwei Mal beim Versuch an der Wiener Kunstakademie aufgenommen zu werden.
Als er die Miete seines möblierten Zimmers nicht mehr zahlen konnte, landete er auf der Straße. 1910, mit 21 Jahren, wurde ihm dann eine Schlafkoje im Männerwohnheim Meldemannstraße in Wien-Brigittenau zugewiesen, in dem er drei Jahre verbrachte.
Das war die Zeit, in der er Wiener Motive zu kopieren begann. Hitler arbeitete nicht an den Originalschauplätzen, sondern zeichnete im Leseraum des Obdachlosenasyls Postkarten ab, wobei Hofoper, Parlament, Stephansdom, Minoriten-, Schotten- und Karlskirche seine bevorzugten Gebäude waren. Hitlers Fähigkeiten reichten nicht aus, um „nach der Natur“ zu zeichnen, wie uns ein Mitbewohner aus dem Männerheim hinterließ: Eine bestellte Ansicht der Gumpendorfer Kirche, für die keine Vorlage zu finden war, konnte er nicht fertigstellen.
Jüdische Verkäufer
Für den Verkauf seiner Werke sorgte Hitler zum Teil selbst, zum Teil taten dies andere Bewohner in der Meldemannstraße – vier von ihnen waren Juden. Der Antisemit Hitler, der Juden als Parasiten bezeichnete und später millionenfach ermorden ließ, verdankte der Hilfe dieser Männer jahrelang seine Lebensgrundlage.
Hitler und die anderen Verkäufer boten seine kleinformatigen Zeichnungen und Aquarelle in Gasthäusern und Rahmenhandlungen an. Mit geringem Erfolg: Ein „echter Hitler“ erzielte drei bis fünf Kronen (heute 15 bis 25 €).
Viel mehr waren sie wohl auch nicht wert. Für die Wiener Kunsthistorikerin Birgit Schwarz „haben Hitlers Werke keinerlei Kunstwert. Das heißt aber nicht, dass er überhaupt kein Talent hatte. Wäre er von der Kunstakademie aufgenommen worden, hätte er es vielleicht zu einem durchschnittlichen Maler gebracht. So aber fehlte ihm das Fundament, das ein Künstler braucht, der nicht bloß andere Bilder abpinselt.“
Während Hitlers Architekturdarstellungen laut Birgit Schwarz „von einer gewissen Begabung zeugen, wirken seine Menschen leblos und dilettantisch gemalt. Abgesehen davon, gehörte der Stil seiner naturalistischen Darstellungen damals längst schon der Vergangenheit an.“ Er selbst wusste das, ließ er doch später als Reichskanzler die Veröffentlichung aller seiner Bilder verbieten.
„Zu den Geschäften, in denen Hitler immer wieder selbst erscheint“, schreibt Brigitte Hamann in dem Buch Hitlers Wien, „zählt auch das Lokal des jüdischen Glasermeisters Samuel Morgenstern in der Liechtensteinstraße 4, der ihm großzügig Aufträge erteilt, ohne zu wissen, dass er damit seinen eigenen Untergang mitgestaltet: Der aus Budapest stammende Geschäftsmann wird 1941 zusammen mit seiner Frau Emma ins Ghetto Litzmannstadt deportiert, wo er 1943 ums Leben kommt.“
Ärmlich gekleidet
In seinen Wiener Jahren begann auch die politische Sozialisation des Malers. Hitler verschlang „alldeutsche“, deutschnationale Zeitungen und Schriften, verehrte antisemitische Politiker wie Karl Lueger und Georg von Schönerer, verlangte vor seinen (teils jüdischen!) Mitbewohnern eine „Entjudung“ des Staates und die Gründung einer Partei, die all seinen Forderungen nachkommen würde. Kein Wunder, dass kaum einer der Männer den ärmlich gekleideten Sonderling im Gemeinschaftsraum des Männerheims ernst nahm.
Heute ist der Verkauf der Hitler-Postkarten nicht verboten. Schätzungen zufolge existieren weltweit zwei- bis dreitausend, meist mit „A. Hitler“ signierte Bilder, von denen jedoch viele als Fälschungen gelten.
Fanatiker kaufen Bilder
In privaten deutschen Auktionshäusern kommen immer wieder Gemälde aus Hitlers Wiener und den frühen Münchner Tagen unter den Hammer. Obwohl sie nie über einen nennenswerten künstlerischen Wert verfügten, erzielen sie hohe Summen. So erwarb bei einer Versteigerung in Nürnberg ein anonymer Käufer ein Aquarell für 130.000 €. Und ein Bild von Schloss Neuschwanstein wurde 2015 von einem Fanatiker in China für 100.000 € erworben.
Derlei Verkaufspreise der Hitler-Bilder erklären die Handlung des Stücks „Nachtland“* in den Wiener Kammerspielen. In der turbulenten Komödie muss die Familie, der bisher „kein einziger Nazi“ angehörte, darauf bestehen, dass es zumindest einen Hitler-Fan gab, anders wäre die Existenz des auf dem Dachboden versteckten Bildes nicht zu erklären.
Ach, wäre Hitler doch als Maler erfolgreich gewesen! Wie anders hätte die Weltgeschichte aussehen können.
Ein Hitler-Bild im Theater
* „Nachtland“ von Marius von Mayenburg, mit Martina Ebm, Oliver Rosskopf, Silvia Meisterle u. a. ab 24. Oktober in den Kammerspielen der Josefstadt. Regie: Ramin Gray.
Zeitensprünge Meine Wege in die Vergangenheit
Aus dem Inhalt Der einarmige Pianist Paul Wittgenstein, Wie sah Mozart wirklich aus? Sisis einziger Flirt, Die geheime Lovestory des Karl Kraus, Der Tag, an dem Marilyn starb, Was blieb vom Glanz der alten Zeit? Die letzte Greißlerin, Der Abgesang des Hauses Habsburg u. v. a.
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