Geheimakte Kampusch aufgetaucht

Geheimakte Kampusch aufgetaucht
Auch in den Archiven des Heeresgeheimdienstes schlummern Kampusch-Akten. Eine ist erst jetzt aufgetaucht.

Die Entführung der Natascha Kampusch ist die meistgeprüfte Kriminal-Causa. Mehrere Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften sowie ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss tüftelten über Aktenbergen, die noch viele Fragen offen lassen. Erst jetzt, 14 Jahre nach der Tat, stellt sich aber heraus, dass auch beim Bundesheer unentdeckte Kampusch-Erhebungsakten liegen.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss kam im Juni zum Schluss, dass die Ermittler im Entführungsfall nicht mit der ausreichenden Sorgfalt gearbeitet hätten, und dass wesentliche Fragen nicht beantwortet wurden. Kritisch wurde von den Parlamentariern im Abschlussbericht angemerkt: "Dabei wurde die Arbeit des Unterausschusses durch den Umstand, dass ihm nicht alle Akten vorgelegen sind, erschwert."

Eines dieser fehlenden Aktenkonvolute betrifft höchst sensible Erhebungen des Abwehramtes – dem Inlandsnachrichtendienst des Bundesheeres – in der Sado-Maso-Szene gegen einen Milizoffizier und einen aktiven Brigadier des Ministeriums. Das spielt nun hinein in die Frage, ob der Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil ein Einzeltäter war. Denn seinem Freund Ernst H. wird von verschiedenen Seiten Mitwisserschaft und sogar Mittäterschaft nachgesagt. Beides konnte bis jetzt nicht bewiesen werden. Laut Rufdatenerfassung hatte Ernst H. engen Kontakt zum Milizoffizier. Auch eine Pornoladen-Besitzerin spielt bei dieser Verbindung eine Rolle.

Der Kripo-Beamte Franz Kröll brachte in Erfahrung, dass gegen einen Freund des Milizoffiziers – ein Brigadier im Ministerium – schon früher vom Abwehramt wegen eines Pornoskandals ermittelt wurde. Darüber müsse es einen dicken Erhebungsakt unter dem Codenamen "Geh.Abb/98-Sonderprogramm Dürer" geben.

Polizist Kröll forderte vom Bundesheer den Akt an. Laut Aktenvermerk Krölls wurde ihm die Übermittlung verweigert, weil der Akt nicht mehr auffindbar sei.

Selbstmorde

Der Ermittler erschoss sich später zu Hause in Graz. Der Heeres-Brigadier wurde auf einer Autobahnraststätte in Deutschland erschossen aufgefunden. Und der Akt blieb verschwunden – auch für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Der BZÖ-Abgeordnete Gerald Grosz unterstellte in einer parlamentarischen Anfrage an Verteidigungsminister Norbert Darabos einem namentlich bekannten Oberst der Abwehr, der ein ausgeprägtes Naheverhältnis zum Ministerbüro hat, dass er den Akt quasi in böser Absicht vernichtet habe. Jetzt liegt die überraschende Antwort des Ministers vor: Der Oberst habe nichts angestellt. Der Akt wurde nicht vernichtet.

Jetzt sei es höchste Zeit, sagt Grosz, dass Darabos den Akt an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss übermittelt. Denn die Abgeordneten hätten auch nach der Erstellung des Abschluss-Kommuniqués ein Recht darauf, den Akteninhalt zu erfahren.

Hektik hat die Darabos-Antwort auch im Innenministerium ausgelöst. Dort lagern in einem Hochsicherheitstrakt 250 Kampusch-Aktenordner und zahlreiche Datenträger. Eine Evaluierungskommission der Justiz und des Innenministeriums soll gemeinsam mit Experten des FBI und des deutschen Bundeskriminalamtes den ganze Fall noch einmal überprüfen. Ob auch hier der Akt des Heeres fehlt, muss nun geklärt werden. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums beteuert jedenfalls, dass man in aller Transparenz alle Akten liefern werde, die von Behörden angefordert werden.

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