Eine Frage der Zeit

Jetzt ist es offiziell. Ich binalt. Zumindest mittelalt. Diese Woche flatterte die Einladung zum zehnjährigen Maturajubiläum in mein Postfach. Es folgte das obligatorische Nachgrübeln, was aus meinen Klassenkollegen wohl geworden ist, und die überraschende Erkenntnis, dass in meiner Klasse erst eine einzige Person ein Kind bekommen hat.

Während die Politik über die Kinder(un)freundlichkeit eines zwölf-Stunden-Arbeitstages und die dafür notwendige Kinderbetreuung diskutierte, stellte sich mir die Frage, ob man bei diesem Thema nicht früher ansetzen müsste. Es braucht ein größeres Umdenken.

Denn die Geburtenrate mag sich zuletzt zwar leicht im Plusbereich gehalten haben, wenn ich mich aber in meinem Freundeskreis umschaue, werde ich das Gefühl nicht los, dass sich da schon jetzt etwas nicht ausgeht. Denn viele meiner Freundinnen wollen schon länger ein Kind. Eigentlich. Einzig, der passende Zeitpunkt kommt irgendwie nicht.

Da man ohne Praktika und Auslandserfahrung mittlerweile auf keinen interessanten, gut bezahlten Job mehr zu hoffen braucht, ziehen nach dem Studienabschluss noch mehrere Jahre ins Land, in denen man sich durchschlägt, gegebenenfalls umzieht, keinesfalls aber die Sicherheit hat, ein Kind zu bekommen. Ganz zu schweigen davon, eines großzuziehen. Jetzt, mit Ende 20, haben die meisten den ersten richtigen Job gefunden. Und hier will man ja auch glänzen. Die (eigentlich verbotene) Frage "Ob man eh nicht vorhat, in nächster Zeit,ein Kind zu bekommen" beantwortet man mit "Natürlich nicht" und schiebt dieses Thema weiter nach hinten.

Kein Wunder also, dass sich das Durchschnittsalter von Müttern, die ihr erstes Kind bekommen, in den vergangenen zwei Jahrzehnten von 24 auf 29 Jahre erhöht hat. Der einzige Vorteil, wenn sich das weiter verschiebt: Die heutzutage noch arbeitenden Omas sind bereits in Pension, wenn das erste Kind der Tochter kommt und können jene Betreuung übernehmen, die der Staat (noch) nicht leistet.

annamaria.bauer@AnnnaMariaBauer

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