Dem Pflegepersonal reicht es: Neue Gewerkschaft gegründet

In den Spitälern werden immer mehr Tätigkeiten dem Pflegepersonal überantwortet – das sorgt für Frust.
Auch Dachverband der Gesundheitsberufe geplant. Umstrittene Ärzte-Vertretung Asklepios hilft bei der Gründung.

Die selbst ernannte Ärzte-Gewerkschaft Asklepios rund um den Wiener Lungenfacharzt Gernot Rainer bekommt eine Schwesterorganisation im Gesundheitsbereich: Im Oktober will die Unabhängige Pflegegewerkschaft für Krankenpfleger, Altenfach- und Diplomsozialbetreuer starten. Grund sei die branchenintern „zunehmende Frustration und Unzufriedenheit mit der Vertretung durch etablierte Gewerkschaften“.

Dem Pflegepersonal reicht es: Neue Gewerkschaft gegründet
Asklepios Ärzte Gewerkschaft Gernot Rainer
Zudem sind die Zuständigkeiten in der Branche zersplittert: Die rund 60.000 bundesweit Angestellten im gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege sowie die etwa 15.000 Sanitätshilfsbediensteten und Pflegehelfer werden – je nach Trägerschaft des Arbeitgebers – von vier Fachgewerkschaften vertreten. Von Younion (Gemeindespitäler), GÖD (Unikliniken), GPA-djp (Sozialversicherungseinrichtungen) und VIDA (Privatkliniken). Ziel der neuen Gewerkschaft sei deshalb eine gemeinsame Interessenvertretung.

Pflegepersonalmangel

„Es geht um die Pflegeplanung und die Versorgung der Patienten. Zeitressourcen müssten optimal genützt werden und wir sollten unser detailreiches Wissen im Bereich Pflege einsetzen können“, sagt Diplom-Krankenpfleger Fabian Martin aus Salzburg. Er ist gemeinsam mit seinem Kärntner Berufskollegen Lukas Ertler Initiator der neuen Pflege-Gewerkschaft.

Dem Pflegepersonal reicht es: Neue Gewerkschaft gegründet
Unabhängige Pflegegewerkschaft Krankenpfleger Fabian Martin
Stattdessen würden Krankenschwestern und -pflegern immer mehr Tätigkeiten aufgebürdet, die nicht ihren Kernkompetenzen entsprechen – allerdings ohne Aufstockung des Personals. Das Ergebnis seien Arbeitsverdichtung, Überlastung, finanzielle Einbußen und zu wenig Zeit für die Patienten.
Mit den Ärzten, sagt Martin, sitze man in einem Boot – Verbesserungen könnten nur gemeinsam erreicht werden. Mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) wolle man „partnerschaftlich“ umgehen. Mitglieder habe man zwar noch keine, aber auch ohne mediale Präsenz habe es binnen 24 Stunden bereits mehr als 100 Anfragen gegeben, erzählt Martin.

Asklepios hat dagegen mittlerweile rund 1800 Mitglieder. Bei der Gründung der neuen Gewerkschaft fungiert die Ärzte-Vertretung als Geburtshelfer. Und man plant noch weiter: Der nächste Schritt sei ein Dachverband der unabhängigen Gewerkschaften der Gesundheitsberufe (UGGB), erklärt Asklepios-Vizeobfrau Anna Kreil. Acht bis zehn Berufsgruppen – von den Hebammen bis zu den Physiotherapeuten – könnten darin zusammenfinden. Gespräche fänden bereits statt.

Mit dem Dachverband sieht Rainer die Chance, die bisher vom Bundeseinigungsamt verweigerte Kollektivvertragsfähigkeit zugesprochen zu bekommen – also das Pouvoir, Kollektivverträge für die Mitglieder ausverhandeln zu können. Ist dies doch eine Grundvoraussetzung, um als Gewerkschaft anerkannt zu werden.

„Nur ein Verein“

Bei den anderen Gewerkschaften hält man sich mit Kommentaren zur neuen „Konkurrenz“ nobel zurück. „Wir nehmen das zur Kenntnis – das ist eine ganz normale Vereinsgründung, das kann jeder tun“, sagt etwa Ronald Pötzl von Younion.

Für Willibald Steinkellner, den Vorsitzenden des Fachbereichs Gesundheit in der VIDA, ist „nicht überall, wo Gewerkschaft drauf steht, auch Gewerkschaft drinnen“. Einzelgründungen seien „weit weg von Solidarität für alle Beschäftigten“, Zersplitterungen der Gewerkschaftsbewegung würden zu einer Schwächung führen. Beim ÖGB war niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Die Grabenkämpfe zwischen Stadt Wien und Wiener Ärztekammer wollen kein Ende nehmen: Die Ärztevertreter haben am Montag kurzfristig die Teilnahme an einer für heute, Dienstag, geplanten Gesprächsrunde mit Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) abgesagt.

Auf der Agenda des Treffens steht die Zukunft der medizinischen Versorgung außerhalb der Spitäler: Von den Haus- und Kinderärzten über die Primärversorgungszentren bis hin zum Thema Ambulatorien, der zuletzt für Unstimmigkeiten gesorgt hatte.

Am Wochenende hatte Wehsely angekündigt, die Veto-Möglichkeit der Ärztekammer abschaffen zu wollen, um zu verhindern, dass die Kammer gegen die Gründung eines Ambulatoriums Einspruch erheben kann, obwohl die Stadt Bedarf nach solchen Instituten sieht.

"Scheinargumente"

In den Augen der Kammer würde Wehsely damit nur Öl in den im Hintergrund immer noch schwelenden Konflikt um die Arbeitszeiten in den Spitälern gießen. Sie forderte am Montag, dass bei den Gesprächen mit Wehsely auch Vertreter der Wiener Gebietskrankenkasse am Tisch sitzen müssten.

Für Wehsely wiederum sind die Bedenken der Kammer nur „Scheinargumente“. Es gebe offensichtlich in der Kammer „wesentliche Kräfte“, die keine sachdienlichen Lösungen wollten.

Um den Ärztevertretern den Wind aus den Segeln zu nehmen, lud sie am Montag kurzfristig WGKK-Obfrau Ingrid Reischl und andere Vertreter der Kasse zu dem Gespräch am Dienstag ein. „Jetzt müssen nur mehr die Ärzte kommen“, so Wehsely Montagabend. Daraufhin nahm die Kammer ihre Absage wieder zurück. Der Dienstag-Termin könne aber nur zur Vorbereitung eines zukünftigen Gesundheitsgipfels dienen. - Josef Gebhard

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