Warum wir der Reblaus die besten "Ananas" Österreichs verdanken

Die Erdbeerernte in Wiesen hat begonnen.
Es ist eine alte Bauernweisheit, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. In Wiesen ist diese Chance rot, rund und süß – und heißt bis heute: Ananaserdbeere.
Aber die Geschichte der berühmtesten Erdbeere Österreichs beginnt mit einem Schädling, der einst massiven Schaden in der Landwirtschaft anrichtete.
Als in den 1870er-Jahren die Reblaus erstmals im heutigen Burgenland auftauchte, verwüstete sie weite Teile der Weingärten. Besonders hart traf es die Region um Wiesen im Bezirk Mattersburg. Der Weinbau, für viele Familien Lebensgrundlage, stand vor dem Aus. In dieser Notlage suchten einige Bauern nach Alternativen – und fanden sie in der Erdbeere.
Deshalb heißt es "Ananas"
Die Wahl fiel auf die sogenannte Fragaria ananassa, eine Kulturerdbeere mit kräftigem Aroma, die ihren Namen dem lateinischen Namen verdankt. In Wiesen entwickelte sich daraus mit der Zeit ein Produkt, das zum regionalen Markenzeichen werden sollte: die Wiesener Ananas.

Die Erdbeere ist der Superstar unter den burgenländischen Obstsorten: Sie ist das erste saisonale Freilandobst, kommt ohne lange Transportwege aus und überzeugt heuer dank der relativ niedrigen Temperaturen mit besonderer Qualität. Nur bei der Menge werde man leichte Abstriche machen müssen, befürchtet LK-Präsident Niki Berlakovich.
Die Sorgen der Bauern
Wetterextreme wie Spätfrost oder Hagel machen den Anbau zunehmend riskant. Laut Berlakovich sind Investitionen in Schutzsysteme wie Hagelnetze und Bewässerung nötig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Zahl zugelassener Pflanzenschutzmittel schrumpft – für viele ein existenzielles Problem: "Ohne sie wird Freilandanbau kaum möglich sein."
Die Sorge: Wird nicht gegengesteuert, droht der Rückzug heimischer Betriebe – mit Folgen für Versorgung, Klima und Vielfalt. In Wiesen sei die Qualität heuer besonders gut. Doch die Rahmenbedingungen bereiten große Sorgen.
Die kräftig roten, saftigen Früchte mit ihrem charakteristischen feinsüßen Geschmack sind ein Aushängeschild der Region – und laut Marktmeinung "Österreichs beste Erdbeeren".
Bereits 1912 wurde in Wiesen eine eigene Erdbeer-Versuchsanstalt eingerichtet. Spätestens in den 1920er-Jahren war die Erdbeere ein fixer Bestandteil des bäuerlichen Einkommens. Auf den Wiener Märkten galten die Früchte aus Wiesen als besonders begehrt.
Einige Wiesener sprechen von ihren Beeren auch als "Bumabia". Der Ausdruck geht angeblich auf einen auffälligen Stein im Ort zurück, dessen Form einer Erdbeere ähnelt. Der Spitzname steht für eine enge Verbindung von Produkt und Region.
Zutaten:
- 500 g Erdbeeren, 1/4 l Milch, 60 g Feinkristallzucker
- 2 ausgekratzte Vanilleschoten, 30 g Maizena
- je 2 Dotter, Eiweiß, 4 Gelatine, 20 g Staubzucker, 1/4 l halb geschlagenes Schlagobers
- TK-Blätterteig, Erdbeeren zur Dekoration
Zubereitung:
- Erdbeeren fein pürieren und ev. durch ein Sieb streichen. Milch, Zucker und Vanillemark gemeinsam aufkochen, dann Maizena, Dotter, Erdbeeren und Gelatine daruntermischen. Masse unter ständigem Rühren auskühlen lassen. Schnee und Schlagobers vorsichtig verrühren und drei Stunden im Kühlschrank ziehen lassen.
- Inzwischen den Blätterteig nach Packungsangabe backen und auskühlen lassen. Portionieren und mit der Vanillemasse wie einen Turm schlichten (Teig/Masse/Teig/ Masse/Teig). Zum Schluss mit Staubzucker bestreuen und mit den restlichen Erdbeeren anrichten.

Purbacher Cremeschnitte mit Ananas.
Die Erdbeere war nicht nur wirtschaftliche Rettung, sondern auch Symbol für bäuerliche Innovationskraft. Damit steht sie in einer Reihe mit aktuellen Experimenten wie dem Seewinkler Reis, den Donnerskirchner Wassermelonen oder burgenländischem Wasabi. Der ländliche Raum erfindet sich immer wieder neu – oft aus der Not heraus.
Wenn heute rund um den Neusiedler See Kichererbsen wachsen, dann ist das nicht anders als damals in Wiesen: Klimawandel, Marktdruck und Veränderung erzwingen neue Wege. Die Wiesener Ananaserdbeere erinnert daran, dass daraus manchmal etwas besonders Gutes entstehen kann – einfach so, ganz ohne Rezept.
Kommentare