Viel Geld, aber keine Infrastruktur

Im Süden geht es im Schritttempo weiter, bezeichnend dafür ist die Insolvenz der Firma Blue Chip Energy
EU-Förderungen brachten Aufschwung, es fehlt aber an Anbindungen an das Verkehrsnetz.

"Wir haben einiges aufgeholt", sagt Jennersdorfs Bürgermeister Wilhelm Thomas, ÖVP. Seit dem EU-Beitritt 1995 sind zig Millionen an Förderungen in den Landessüden geflossen (siehe Grafik Anm.). "Wenn der Süden nicht wirtschaftlich so weit hinten gewesen wäre, wären wir nie Ziel 1 Gebiet geworden", sagt Thomas. Der Industriepark in Heiligenkreuz friste ein trauriges Dasein, meint der Stadtchef. "Es gibt Projekte. Wie sich die entwickeln, kann man noch nicht sagen", heißt es vom Wirtschaftspark.

Der Hauptgrund für fehlendes Interesse von Firmen, sei die mangelnde Infrastruktur. "Es fehlt die S7 und die Elektrifizierung der Eisenbahnlinie Szentgotthárd-Graz", sagt Thomas. Seit Jahrzehnten würden diese Dinge verschleppt.

Viel Geld, aber keine Infrastruktur
"Die Welt soll Güssing werden", erklärte Arnold Schwarzenegger bei seinem Besuch im Jahr 2012. Ökoenergie und die autarke Stadt locken Besucher aus der ganzen Welt. Mittlerweile ist es ruhiger geworden, der Glanz ist stumpf geworden. Als Wirtschaftsstandort habe man zu kämpfen. Ein herber Rückschlag für die Vorzeigestadt in Sachen Ökoenergie kam im Juli 2011 mit der Pleite des Fotovoltaik-Herstellers Blue Chip Energy. Mit rund 78 Millionen Euro Passiva gehörte sie zu den größten Insolvenzen des Burgenlandes der vergangenen Jahre. Mit einem Schlag waren 116 Arbeitsplätze weg. Andreas Kogler von der AE 111 autarke Energie GmbH mit Sitz in Liebenfels (Kärnten) kaufte den Güssinger Fotovoltaik-Hersteller schließlich im Jahr 2014. Damals hieß es, dass geprüft werde, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs möglich sei. Seither ist nichts passiert. Auf KURIER-Anfrage teilt Andreas Kogler mit: "Es gibt Pläne, aber darüber möchten wir noch keine Auskunft geben." Erst im Sommer wolle man damit an die Öffentlichkeit gehen. Auch heuer gab es bereits Insolvenzen, wie die Schließung der Zielpunkt-Filialen in Güssing, St. Michael und Stegersbach oder des Gemüseproduzenten P&K Handels-GmbH in Gerersdorf bei Güssing.

Teufelskreis

Vinzenz Knor, Bürgermeister von Güssing, kennt die Probleme. "Es ist ein Teufelskreis. Die jungen Leute gehen für ihre Ausbildung nach Wien oder Graz und bleiben dort." Auf die Frage, warum sich im Bezirk keine neuen Betriebe ansiedeln, meint er: "Wir hätten genügende Talente, aber es fehlt der unternehmerische Mut." Die immer wieder aufkeimende Kritik, dass der Landessüden gegenüber dem Norden benachteiligt wird, lässt Knor nicht gelten: "Es ist genügend Geld in den Süden geflossen, auch in die Firma Blue Chip. Der Unterschied zum Norden ist, dass es dort statt politischem Neid einen Zusammenhalt gibt." Alle würden an einem Strang ziehen.

Seit dem Jahr 2000 ist Verena Dunst SPÖ Landesrätin im Burgenland. Sie lebt in Moschendorf, Bezirk Güssing, und ist seit 2015 für Frauen, Familie, Dorferneuerung sowie den Agrarbereich verantwortlich. Vor ihrer politischen Karriere war sie Direktorin der Polytechnischen Schule Güssing. Sie ist das einzige Regierungsmitglied aus dem Bezirk Güssing.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Südburgenlandes in den vergangenen 30 Jahren?
Verena Dunst: Das Südburgenland hat sich in den letzten Jahren zu einer Vorzeigeregion in vielen Bereichen entwickelt. Der Tourismus rund um Stegersbach und anderen Regionen hat einen Aufschwung erlebt, den man sich vorher nicht erträumen konnte. Dadurch sind auch neue Arbeitsplätze entstanden und die Beschäftigungszahlen haben sich kräftig erhöht. Dennoch gilt es noch viel zu tun und weitere Synergien gehören genützt.

Als Südburgenländerin, woran fehlt es dem Süden?
Der Süden braucht vor allem einen Schulterschluss aller kreativen Menschen, die bereit sind, das Land zu gestalten und weiter zu entwickeln. Gute Einzelmaßnahmen für sich genommen können kaum etwas bewirken. Aber wenn es uns gelingt, das zweifellos vorhandene Potenzial dieser wunderschönen Landschaft, der Menschen und ihrer Erzeugnisse vor den Vorhang zu holen, damit ein positives Gesamtimage von unserem Land zu transportieren und natürlich auch selbst zu leben, dann haben wir eine gute Chance.

Was braucht das Südburgenland, um in Zukunft weiterhin Lebensqualität zu bieten?
„Weiterhin Lebensqualität zu bieten“ heißt, dass es heute hier Lebensqualität gibt – und zwar eine ausgezeichnete – und das ist auch meine Überzeugung und wir müssen uns dessen bewusst sein und das auch entsprechend kommunizieren. Damit die Menschen sich hier auch zukünftig wohl fühlen sind Beschäftigungsmöglichkeiten, wirtschaftliche und soziale Dienstleister, Freizeitangebote und auch die öffentlichen wie privaten Verkehrsnetze zur Nutzung all dieser Möglichkeiten sicher die zentralen Faktoren. Ganz wichtig dabei ist, dass wir ein Miteinander aller Generationen schaffen, sodass alle davon profitieren können.

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