Telefonseelsorge: Zuhören ist heute gefragter denn je

F. Weidinger und P. Lunzer (v.l.) haben für ihre Klienten immer ein offenes Ohr
Rund um Weihnachten ist die kritischste Zeit / Freiwillige für die Telefonseelsorge in Eisenstadt werden gesucht

„Friede, Freude, Eierkuchen – das Trugbild der heilen Welt, das einem von der Gesellschaft oft vorgegaukelt wird, findet zu Weihnachten einfach nicht statt.“ Petra Lunzer und Franziska Weidinger wissen beide, wovon sie sprechen: Die beiden Psychotherapeutinnen leiten die Telefonseelsorge im Burgenland. 70 ehrenamtliche Mitarbeiter gibt es in der Einrichtung, die von der katholischen und der evangelischen Kirche finanziert wird. Und es werden noch mehr benötigt. Denn immer mehr Menschen würden 142 – die kostenlose, rund um die Uhr besetzte Hotline der Telefonseelsorge – wählen. „Obwohl wir in einer Zeit der Digitalisierung leben, ist das Telefonieren, wo ich die Stimme meines Gegenübers höre, wo eine gewisse Nähe da ist – gefragter denn je“, sagt Weidinger.

Rund 30.000 Kontakte verzeichnet die Telefonseelsorge pro Jahr, eine der kritischsten Zeiten ist rund um Weihnachten. Einsamkeit und der Tod eines geliebten Menschen, den man in diesem Jahr verloren hat, sind die häufigsten Probleme, mit denen die Mitarbeiter der Telefonseelsorge konfrontiert werden. Oft sei es aber auch „Stammklientel“, das während er Feiertage nach einem offenen Ohr suchen. „Diese Menschen leben oft isoliert, ein soziales Umfeld ist kaum vorhanden, oder von den dessen Problemen gesättigt“, sagt Weidinger. „Wir gehen dann ein Stück des Weges mit ihnen, hören zu“, erklärt Lunzer. Gemeinsam würden nächste Schritte besprochen, die der Klient unternehmen könnte, damit es ihm besser geht.

„Nichts ist uns fremd“

Die Sorgen und Ängste der Anrufer sind vielfältig. „Uns ist nichts Menschliches fremd“, sagen die beiden Expertinnen unisono. Lunzer ist ein Fall eines Coming-out besonders deutlich in Erinnerung. Der Anrufer habe dabei von der Entdeckung seiner homosexuellen Neigung berichtet und dass er es in der Familie noch nicht besprechen konnte. „Am Land sind solche Themen sehr heikel, anders als vielleicht in der Großstadt, wo man anonymer lebt, als im kleinen Dorf.“

Franziska Weidinger von einem Gespräch, in dem eine Frau zum ersten Mal über ihre Vergewaltigung in Kindertagen erzählt hat. „So etwas ist schon sehr berührend.“

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter erhalten eine neunmonatige psychotherapeutische Ausbildung. Für den neuen Lehrgang, der im März beginnt, werden noch Freiwillige gesucht. Voraussetzungen sind u. a. psychische Belastbarkeit und Selbstreflexionsfähigkeit. Infos unter: www.martinus.at/telefonseelsorge

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