Maßnahmen werden ausgeweitet: See-Not am Neusiedler See
26 Zentimeter Wasserhöhe fehlen dem Neusiedler See auf den Stand des Vorjahres. 20 Zentimeter davon wurden unlängst aber wieder „gutgemacht“.
Allerdings nur in der Ruster Bucht und mit einem „Trick“: 11.000 Kubikmeter Schlamm wurden abgesaugt, um den Bootsverkehr aufrechtzuerhalten. 90.000 Euro hat das Projekt gekostet, im Oktober soll es an weiteren Standorten fortgeführt werden. „Die Kosten sind nichts in Relation zum möglichen Schaden“, betont der Ruster Bürgermeister Gerold Stagl (SPÖ).
Er und seine Amtskollegen rund um den See blicken in diesem heißen Sommer sorgenvoll auf den immer weiter sinkenden Wasserstand.
Auch das Land hat die Notwendigkeit zum raschen Handeln erkannt, noch heuer soll die Entscheidung über eine mögliche Wasserzuleitung fallen, sagte unlängst Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ).
Wasser muss her
Wie genau diese erfolgen soll, ist allerdings unklar. Zwar gibt es eine unterzeichnete Absichtserklärung mit Ungarn über eine Zuleitung aus der Moson-Donau. Doskozil hat unlängst aber vor einer zu großen Abhängigkeit gewarnt und neue Varianten ins Spiel gebracht – eine Zuleitung von Wulka oder Leitha beziehungsweise aus der niederösterreichischen Donau.
Wie funktioniert der Wasserhaushalt?
Der Neusiedler See speist sich zu 80 Prozent aus Niederschlägen (in den Wintermonaten; Anm.) und nur zu 20 Prozent aus Zuflüssen. Er hat keinen natürlichen Abfluss. An heißen Tagen kann die Wasserhöhe nur durch Verdunstung um rund einen Zentimeter sinken.
Warum ist der See wichtig für die Region?
Natürlich für den Tourismus, aber auch für die Landwirtschaft: Durch die große Wasserfläche entsteht ein eigenes Mikroklima, das den Anbau von Wein und anderen Kulturen begünstigt. Würde der See austrocknen, hätte das weitreichende Auswirkungen auf Ertrag und Qualität. Außerdem gibt es Berichte aus der Zeit der jüngsten Austrocknungsphase (1865 bis 1871), wonach die Anrainer des Sees wegen des hohen Salzgehalts in der Luft an Augenentzündungen litten.
Warum lässt sich der See nicht auffüllen?Weil die benötigten Wassermengen gigantisch sind. Die geplante Zuleitung aus der Donau würde etwa sieben Zentimeter Wasserhöhe jährlich bringen. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Wasserstand allerdings bereits um 26 Zentimeter gesunken.
Weniger Wasser wegen Bewässerung?
Jein. Die Landwirtschaft bezieht das Wasser für die Pumpen aus dem Grundwasser, das ist allerdings nicht direkt mit dem Neusiedler See verbunden, sondern durch eine dicke Lehmschicht getrennt – der Austausch ist minimal. Dennoch hat diese Form der Bewirtschaftung negative Auswirkungen auf den gesamten Wasserhaushalt in der Region.
Was kann den See nachhaltig sichern?
Niederschlag, viel Niederschlag – vor allem im Winter. Bleibt es allerdings über weitere Jahre in den kalten Monaten trocken und im Sommer extrem heiß, könnte die Austrocknung rascher passieren, als allen lieb ist.
Letzteres hätte vor allem auch deshalb Charme, weil das Land ohnehin eine Pipeline von Nickelsdorf nach Schwechat plant, um den ab 2026 dort produzierten Wasserstoff zur Industrie zu bringen.
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Und auch die Kosten dürften eine Rolle spielen, die ungarische Variante kostet rund 90 Millionen Euro.
„Katastrophale Folgen“
Während das Land darum kämpft, den „Naturraum Neusiedler See nachhaltig abzusichern“, wie am Donnerstag betont wurde, werden auch jene Stimmen lauter, die vor den Gefahren einer Wasserzuleitung warnen. Laut dem Biologen Bernhard Kohler vom WWF hätte das „katastrophale ökologische Folgen. Der See braucht Trockenphasen, in denen sich der angesammelte Schlamm in der Luft zersetzen kann“. Eine Zuleitung würde erst recht zur Verlandung führen.
Diskussionen gab es zuletzt auch über die Bewässerung, die sich negativ auf den Grundwasserspiegel auswirkt. Doskozil hatte kritisiert, dass diese meist um die Mittagszeit durchgeführt und außerdem hauptsächlich Saatmais bewässert werde – also ein Produkt, das nicht direkt als Lebensmittel verwendet wird, aber gute Preise am Markt erzielt. Laut Landwirtschaftskammer-Präsident Nikolaus Berlakovich werde bereits an neuen Technologien gearbeitet bzw. auf trockenresistente Kulturen umgestellt.
Im September soll es einen runden Tisch mit allen Beteiligten geben, um die weitere Vorgangsweise abzustimmen.
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