Das Schloss Rotenturm und der Wiener: So geht Märchen heute

Ein Kleinod im Südburgenland: das Schloss Rotenturm.
Von Vanessa Halla
„Du wirst ja nicht glauben, dass ich je in diese Ruine komme.“ Mit diesen Worten hat Gabriele Schinner ihrem Mann Heinz klargemacht, was sie von dessen Plänen, ein verfallenes Schloss im Südburgenland zu kaufen, hielt.
Das war 2008. Der Wiener Immobilienexperte hat „ausnahmsweise mal nicht auf meine Frau gehört“ und allen Zweifeln zum Trotz das Schloss Rotenturm trotzdem gekauft.
Was er davon hat, lesen Sie im folgenden Artikel.
Das pannonische Klima und die Nähe zu Wien haben den heute 83-jährigen Schlossherren auf der Suche nach einem neuen Bauprojekt schließlich nach Rotenturm an der Pinka geführt. Das Schloss war verfallen, seit dem großen Brand im Jahr 1924 war es unbewohnt und seine Geschichte der letzten 85 Jahre war weder märchenhaft noch schön.


Das Schloss Rotenturm
Links das Schloss Rotenturm im Jahr 1971, rechts in seinem aktuellen Zustand. Dazwischen liegen Jahre des Verfalls, ehe Heinz Schinner das Kleinod 2008 entdeckte und liebevoll restaurierte.
Schinner: „Die Ruine galt damals als nicht sanierbar. Mein erster Gedanke war: ,Das wird herausfordernd‘, aber ich mag Herausforderungen.“
Der Gerüst-Kraxler
Der Experte für alte Mauern entwirft einen Zehnjahresplan für die Renovierung des heutigen Juwels. „Fertig waren wir in nur sieben Jahren, weil ich mit meiner Frau unsere Goldene Hochzeit im Schloss feiern wollte“, erzählt Schinner bei einem Lokalaugenschein des KURIER.

Constanze und Heinz Schinner kennen jeden Winkel im Schloss Rotenturm.
Zuvor hatte das Land Burgenland jahrzehntelang auf einen seriösen Käufer gewartet. Heinz Schinner schafft es schließlich, Schloss Rotenturm aus seinem Dornröschenschlaf wachzuküssen – in Rekordzeit. 300 Handwerker aus sämtlichen Gewerken waren an den Sanierungsarbeiten beteiligt. „Vom Steinmetz bis zum Glaser war alles vertreten und ich habe mitgearbeitet, wo ich konnte.“
600 Jahre
1523 wird urkundlich ein Schloss in „Rutten-thuren“ erwähnt. Die Herrschaft war umkämpft, Peter Erdődy nahm Rotenturm 1532 mit Gewalt ein.
Altes Schloss
Ende des 17. Jahrhunderts wurde das „Alte Schloss“ gebaut und Anfang des 19. Jahrhunderts wieder abgetragen.
Neubau
Von 1862 bis 1864 wurde das Schloss nach Plänen von Antal Weber in seiner jetzigen romanisierend-orientalischen Form mit hellen Dekorationselementen auf rotgeputztem Grund errichtet.
Verheerender Brand
Das Schloss beherbergte bis 1929 die Sammlungen des kunstsinnigen gräflichen Paares Julius und
Emilie Erdődy. 1924 vernichtete ein Brand den Großteil der Inneneinrichtung.
Schlossherren
1926 starb Ludwig Graf Erdődy, dann folgte Nikolaus Széchenyi und der tschechische Geigenvirtuose Jan Kubelík. 1971 ging das Schloss in den Besitz des Landes über, seit 2008 ist es wieder in Privatbesitz.
Heinz Schinner verbringt sieben Jahre lang jeden Mittwoch und jedes Wochenende in Rotenturm, ist Bauherr, Schlossherr und Arbeiter in einem. „Dass ich in jungen Jahren Extrembergsteiger war, ist mir bei den vielen Einsätzen auf den Gerüsten im und rund ums Schloss zugutegekommen“, schmunzelt Schinner.
„San´s ma net bös“
Bei einer Führung begleitet Heinz Schinner ins Vestibül und bleibt vor einer Collage mit Bildern stehen, die diesen Teil des Gebäudes vor seiner Renovierung zeigen. Türen und Fenster im Erdgeschoß waren zugemauert, die Decke im Vestibül war eingestürzt, überall lag Schutt.
Heinz Schinner als Bauherren gelingt es, alles wieder so herzustellen, wie es der damalige Baumeister Antal Weber im 19. Jahrhundert geplant hatte.
„Bei einem Großteil der Arbeiten war eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt unerlässlich. Besonders wichtig waren alte Fotos, an denen ich mich orientieren konnte. Als der Maler mit dem Farbvorschlag für die Fassade ankam, meinte ich ,san´s ma net bös, aber die Farbe passt nicht‘. Dann habe ich so lange an der Fassade herumgekratzt, bis ich das Original gefunden habe. Die Maurer konnten gar nicht hinschauen, wie ich da oben herumgekraxelt bin“, erinnert sich Schinner lachend.
Die Eigentümer-Familie Schinner hat das Schloss im südlichen Burgenland in den vergangenen zehn Jahren zu einem Treffpunkt für besondere Anlässe und kulturelle Erlebnisse entwickelt. Die altehrwürdigen Mauern dienen unter anderem als beliebte Location für Hochzeiten, Seminare, Kongresse, Privat- oder Firmenevents.
„Symbol für Gastlichkeit“Auch Schlosskonzerte finden regelmäßig statt – dabei ist den Schlossherren die Förderung junger musikalischer Talente aus der Region ein echtes Herzensanliegen. „Gesellschaftlich ist das Schloss heute ein Symbol für stilvolle Gastlichkeit, regionale Verbundenheit und historische Substanz mit modernem Anspruch“, erläutert Constanze Schinner.
Auch für die Zukunft ist einiges geplant: „Ein Tag der offenen Türen für regionale Betriebe, ein generationenübergreifendes Kreativatelier im Schlosspark sowie exklusive Dinner-Abende mit Musik und Gesprächen unter dem Titel ,Rotenturmer Salon‘“, erzählt Schinner. „Für das kommende Jahr träumen wir sogar von einem kleinen Sommerspiele-Format im Schlosstheater und Open-Air-Theater als Bühne für junges Theater, Klassik oder Literatur.“
Alle Veranstaltungstermine finden Sie unter schlossrotenturm.at/veranstaltungen
Die Fassade des Schlosses war dem Immobilienexperten aus Wien ein besonderes Anliegen. „Damit haben die Arbeiten begonnen und als die Fassade erst einmal fertig war, war das ein großartiges Gefühl.“
Dornröschen im Jahr 2025
Die Revitalisierung des 1864 erbauten Schloss Rotenturm war ein Mammutprojekt, für das der Bauherr keine Mühen gescheut hat. Tausende Male fotografiert er den Istzustand der Ruine, vergleicht die Bilder mit jenen aus dem Archiv. „Das hätte kein Baumeister sonst gemacht.“ Ganz „nebenbei“ erwirbt und renoviert Heinz Schinner auch das angrenzende alte Theater, die ehemalige Volksschule und den elf Hektar großen Schlosspark.
Zehn Jahre sind seit dem Wachküssen des Schlosses ins Südburgenland gezogen. Familie Schinner nutzt es als Privatresidenz, öffnet die Tore aber auch für Gäste und Besucher. Tochter Constanze Schinner ist Eventmanagerin und mittlerweile auch Eigentümerin. „Man muss bereit sein, jedem, der am Tor steht oder plötzlich einen Weg ins Schloss gefunden hat, die Geschichte des Schlosses zu erklären“, sagt sie.
Und mitunter müsse man auch mit undichten Fenstern, gespenstischen Geräuschen oder überraschendem Wildverbiss im Rosengarten umgehen können. „Aber genau das macht den Reiz aus: Es ist ein echtes, lebendiges Schloss und kein Museum. Und nicht zuletzt ein Vorzeigeprojekt, das mit der Vision eines einzigen Mannes möglich wurde.“ Dass damit ihr Vater und Schlossherr Heinz Schinner gemeint ist, liegt auf der Hand.
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