ÖGB: "Jeder zweite Ausländer nicht korrekt entlohnt"
Eines weiß Ferenc N. gewiss: "Ich möchte in Zukunft nicht weniger verdienen", sagt der 30-jährige Ungar, der in einem burgenländischen Gastronomiebetrieb beschäftigt ist. Jetzt ist der muskulöse Mann, der Probleme mit dem Gehör hat, 35 Stunden beschäftigt, sein Chef möchte ihn geringfügig anmelden. Da erkundigt sich der junge Mann lieber vorher in der Eisenstädter ÖGB-Zentrale, ob es sein Boss wirklich gut mit ihm meint.
1644 arbeitsrechtliche Beratungen wurden seit 1. April 2015 im Rahmen des Projekts "Mehrsprachige Beratungsstelle im Grenzraum" (MIG) durchgeführt, berichteten ÖGB-Landessekretär Gerhard Michalitsch und Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) am Dienstag. Insgesamt ist das Service auf sechs Jahre angelegt, Sozialministerium und Land zahlen in Summe fast 1,7 Millionen Euro. Alle zwei Jahre muss um Verlängerung angesucht werden. Lohn- und Sozialdumping soll "hintangehalten" werden, sagt Michalitsch – es ganz zu verhindern, wäre illusorisch.
Arbeitsrecht
Seit der EU-Osterweiterung 2004 beschäftigt sich der ÖGB Burgenland intensiv mit der Wahrung arbeitsrechtlicher Ansprüche ausländischer Arbeitnehmer – auch um den Druck auf inländische Beschäftigte zu lindern. Ein Problem, das sich seit der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit unter anderem für Ungarn und Slowaken 2011 und für Rumänen 2014 weiter verschärft habe. 2015 kam bereits ein gutes Fünftel der knapp 100.000 Beschäftigten im Burgenland aus dem Ausland, zwei Drittel davon aus Ungarn, im Vormarsch sind Rumänen. Kein Wunder: In Ungarn liegt der Durchschnittslohn bei monatlich 750 Euro brutto. Rund die Hälfte der mehr als 22.000 ausländischen Beschäftigten werde nicht korrekt entlohnt, schätzt Michalitsch. Deren Lohn liege um 20 bis 25 Prozent zu niedrig.
Wie die Ungleichbehandlung in der Praxis funktioniert, weiß MIG-Leiter Bertold Dallos, der mit zwei Mitarbeitern und zwei Juristen die Beratungen durchführt: Facharbeiter würden als Hilfskräfte eingestuft, Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld), die man in Ungarn nicht kenne, vorenthalten oder Mitarbeiter für 20 Stunden angemeldet, obwohl sie 40 arbeiten müssten. Dallos ist überzeugt, dass ausländische Beschäftigte "bewusst ausgenutzt" werden. Und Michalitsch glaubt, dass bei durchgehend korrekter Entlohnung auch der Ausländeranteil bei den Beschäftigten deutlich sinken würde – vielleicht um ein Drittel.
"Die Aussagen des ÖGB verunglimpfen die heimische Wirtschaft", ärgert sich Wirtschaftskammerpräsident Peter Nemeth.
Kommentare