Neusiedler See: Warum Schilfdächer so gefragt sind
In den Vorjahren bewegte er sich höchstens auf dünnem Eis. Heuer fehlt es ganz.
Für Schilfschneider Erwin Sumalowitsch ist gerade Hauptsaison, bis 15. März darf das Schilf geerntet werden. Schon als Bub half der Podersdorfer dem Vater beim Schilfschneiden am Neusiedler See.
Damals wurde der zugefrorene See zum Ernten mit Maschinen befahren. Heute wird das Rohr mittels selbst adaptierten Gerätschaften, wie umgebauten Pistenraupen, geschnitten. Gefahren werden kann damit auch im Wasser.
Vor rund 30 Jahren hat er den Betrieb übernommen. Seither hat sich viel verändert.
„Früher konnten wir ganz gut vom Export des Schilfes leben, heute geht das nicht mehr.“ Neben Dachschilf und Isolierplatten verkauft Sumalowitsch nun auch Industrie-Hanf.
Die Konkurrenz aus China, die Schilf zu einem billigeren Preis verkauft und die zeitaufwendigeren Ernten haben den „Rohrschneidern“ zugesetzt.
Von den rund 15 Betrieben, die es vor 30 Jahren gegeben habe, sei etwa ein Drittel übriggeblieben.
Dennoch gibt es einen Lichtblick: „Mittlerweile haben wir uns mit guter Qualität gegen die Konkurrenz aus China behauptet.“
Vom Physiker zum Schilfdachdecker
Dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten werde, das war für Jacobus van Hoorne nicht klar.
Sein Vater war Schilfdachdecker in Holland und kam vor 30 Jahren ins Burgenland. „Vater hatte so viel Arbeit, dass er geblieben ist.“
Jacobus war fünf, als er nach Pannonien kam. „Ich habe Physik studiert, war in der Schweiz bei Cern als Teilchenbeschleuniger tätig.“
Vor zwei Jahren ist er in den elterlichen Betrieb eingestiegen.
In Weiden am See schneiden die van Hoornes nicht nur Schilf für den Export nach Holland und England. „Wir sind auch eine der letzten Schilfdachdecker in Österreich.“
Es gibt viel Arbeit, die Nachfrage nach Schilfdächern steigt. Das Thema Nachhaltigkeit spiele dabei eine Rolle. „Schilf ist ein natürliches Material.
Auch wenn es teurer ist als ein Tondach, so spart man sich im Gegenzug Kosten für eine weitere Dämmung.“ Nicht nur bei Hotels und Gastbetrieben rund um den See fertigen die van Hoornes Dächer und Fassaden aus Schilf, Interesse gebe es auch bei privaten Häuslbauern.
Man bräuchte dringend Mitarbeiter. Aber das Handwerk beherrsche kaum noch jemand. Die einstigen Schilfschneider seien entweder gestorben oder in Pension.
Deshalb und auch wegen der chinesischen Konkurrenz habe sich die Arbeitsweise im Laufe der Jahre geändert. „Wir setzen heute mehr auf maschinelle Bewirtschaftung.“
Dadurch könne man Kosten sparen, aber auch fehlendes Personal ersetzen. Das romantische Bild vom Schilfschneider, der alles händisch erledigt, das tritt immer mehr in den Hintergrund.
Bewilligung für Schilfdächer soll einfacher werden
Für die Errichtung eines Schilfdaches war es bislang schwierig, eine Bewilligung zu bekommen. Es dürfen keine brennbaren Materialien verwendet werden, so die Vorschrift.
In Holland gibt es bereits eine Konstruktionsart ohne Hinterlüftung, die von der Behörden dort anerkannt wurde, erklärt Schilfdachdecker Jacobus van Hoorne.
Unter Beiziehung eines Brandschutzgutachters sei es ihm nun gelungen nachzuweisen, dass die Schutzziele der Baugesetze auch in Österreich durch eine solche Konstruktion erfüllt werden können.
„Es wird in Zukunft also wesentlich einfacher sein, eine Bewilligung für ein Schilfdach zu bekommen.“
Der Schilfgürtel
Mit etwa 18.000 Hektar ist der Schilfgürtel des Neusiedler Sees nach jenem des Donaudeltas der zweitgrößte zusammenhängende Schilfbestand Europas.
Die wärmeren Winter und der veränderte Einsatz von Maschinen machen nun neue Initiativen zum Schutz der Schilfgürtels erforderlich.
Laut David Goldenits von der Esterhazy Betriebe GmbH, in deren Besitz ein Teil der Fläche steht, werde nun gemeinsam mit Land, Natur- und Umweltschutz sowie Schilfschneidern nach optimalen Schilfschnitttechniken gesucht.
Esterhazy plane zudem auch, das Schilf selbst zu nutzen und eventuell als Dünger für die eigenen Bio-Landwirtschaftsflächen zu nutzen.
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