Wie wäre es der gebürtigen Oberösterreicherin mit abgeschlossenem Wirtschaftsstudium und anschließender Referentinnen-Tätigkeit in der Industriellenvereinigung sonst gelungen, sich im roten Burgenland zwei Jahrzehnte lang an der zentralen arbeitsmarktpolitischen Schaltstelle zu behaupten? AMS-Vorstand Johannes Kopf ist gestern eigens ins Burgenland gekommen, um der längstdienenden AMS-Landesgeschäftsführerin für die „exzellente Arbeit“ zu danken. Lag die Arbeitslosenquote im Burgenland früher immer über dem Österreichwert, liegt sie jetzt drunter. Für heuer wird eine Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent erwartet, so niedrig wie vor 40 Jahren. „Ein fulminantes Jahr“, sagt Sengstbratl. Und Kopf erinnert sich an die Aufregung vor zwei Jahrzehnten, als sich „eine Wirtstochter“ aus dem Mühlviertel anschickte, „das AMS Burgenland zu übernehmen“.
Die erste Kür Sengstbratls 2002 war ein kleiner Staatsakt. Nach monatelangem Tauziehen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite im Verwaltungsrat sprach der damalige Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) ein Machtwort, erstmals wurde ein AMS-Chefposten per „Ersatzvornahme“ besetzt.
Dass Sengstbratl, die seit vielen Jahren in Siegendorf lebt, seither dreimal wiederbestellt wurde, hat auch zu Verstimmungen innerhalb der roten Familie geführt. 2012 zeigte sich der damalige SPÖ-Soziallandesrat Peter Rezar von Sozialminister und Parteifreund Rudolf Hundstorfer „maßlos enttäuscht“. Der wiederkehrende Vorwurf der SPÖ an Sengstbratl: Sie bemühe sich zu wenig, „offene Stellen im Burgenland mit Burgenländern zu besetzen“.
Tatsächlich ist die beachtliche Zunahme des Beschäftigtenstandes um 33,1 Prozent seit 2002 vor allem aufs Konto ausländischer – meist ungarischer – Arbeitnehmer gegangen. Aber das ist schwerlich dem Arbeitsmarktservice anzulasten, zumal die rot-blaue Landesregierung (2015-2020) mit ihrem Ansinnen, den Ausländeranteil zurückzudrängen, selbst sang- und klanglos gescheitert ist. Der Ausländeranteil stieg stattdessen stetig weiter, Ende Oktober 2022 lag er bei 28,6 Prozent (2015: 21 Prozent). Aber: Ohne ausländische Arbeitskräfte hätten in der Vergangenheit viele EU-geförderte Projekte nicht umgesetzt werden können und ohne sie blieben heute viele Gasthausküchen kalt und etliche Handels- und Gewerbebetriebe zu. Die seit 2020 amtierende rote Alleinregierung hat dieses Faktum zur Kenntnis genommen, deshalb verzichtet sie auch weitgehend auf Muskelspiele à la „Burgenländer zuerst“.
Ob sie sich 2024 für eine fünfte Amtszeit bewirbt, fragt der KURIER: „Ich bin noch nicht pensionsreif, rechnen Sie mit mir“.
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