Lernmanufaktur: Eselwandern am Stundenplan

Lernmanufaktur: Eselwandern am Stundenplan
Bildung hautnah: Renate und Martin Sprügl zeigen Kindern in Deutsch Kaltenbrunn die Natur auf besondere Art.

Versteckt zwischen ein paar Hügeln liegt der Hof der Familie Sprügl in Deutsch Kaltenbrunn. Beim Öffnen der Autotür schnattern bereits die Gänse, die Hunde bellen. Türklingel braucht es keine, um Besucher anzukündigen.

Renate und Martin Sprügl hatten schon immer das Bedürfnis, am Land zu sein. „Wir wohnten in Graz und haben schon als Studenten immer wieder einen Hof gesucht“, sagt Martin Sprügl. Die sechs Quadratmeter Garten in Graz reichten den beiden nicht mehr.

Durch Zufall hat es die Sozialpädagogin und ihren Mann ins Südburgenland verschlagen. „Der Hof hier in Deutsch Kaltenbrunn war einige Jahre nicht bewohnt. Wir haben begonnen, das Haus vor dem Verfall zu schützen und den Garten zu roden“, sagt Sprügl. Im Hinterkopf hatten die beiden schon immer die Idee ihrer „Lernmanufaktur“.

Naturerfahrungen

Den Mangel an Naturerfahrungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen kannten sie von ihrer Arbeit an Schulen. Deshalb bieten sie Workshops und Camps für Schulklassen, Kinder und Jugendliche an. „Vieles was eigentlich banal ist, ist für die Kinder heute eine wichtige Erfahrung. Man kann sich bei einem Esel nicht einfach anlehnen – es sind keine Stofftiere“, sagt Sprügl.

Bei Eselwanderungen lernen Kinder den Umgang mit anderen Lebewesen. Man müsse sich hineinfühlen können, sonst komme man mit den Tieren nicht von der Stelle.

Hebelgesetze im Wald

Es stehen aber auch Physik oder Biologie am Stundenplan. „Je nachdem was die Klassen buchen, gibt es verschiedene Workshops“, sagt Sprügl.

In Physik werden etwa die Hebelgesetze vermittelt. „Dabei werden am Anfang Steine geschleppt und die Schüler erarbeiten dann, wie es einfacher gehen könnte“, sagt Sprügl. Danach hätten die Kinder gespürt, wie es ist, am längeren Hebel zu sitzen und haben das Naturgesetz nicht einfach auswendig gelernt.

Lernmanufaktur: Eselwandern am Stundenplan

Renate Sprügl ist studierte Sozialpädagogin

Auch in Pflanzenkunde bearbeiten die Schüler unterschiedliche Hölzer und verinnerlichen so die verschiedenen Baumarten. „Die Eiche lässt sich nur grob schnitzen. Klopft man verschiedene Hölzer an einander, hört sich das anders an“, sagt Sprügl. Am Beginn der Workshop-Woche sei der Wald für die Schüler nur grün, „am Ende können die Kinder die Bäume benennen, weil sie sich so intensiv damit beschäftigt haben“, erklärt Sprügl.

Ziel der „Lernmanufaktur“ ist es, bei Kindern und Jugendlichen das Interesse an der Welt zu wecken. Auch die Erfahrung, etwas selbst herzustellen, egal ob Kräutersirup, Ketchup oder ein Windspiel, sei für die Teilnehmer „immer ein wunderbares Erlebnis“.

Feriencamp ohne Handy

Die meisten Schulen, die längere Aufenthalte buchen, sind in Wien oder Graz. „Wir bieten im Sommer auch Feriencamps an“, sagt Sprügl. Dann wird im Zelt geschlafen, es gibt Nachtwanderungen und „es gibt kein Handy“, sagt die Pädagogin. Hier dürfen die Kinder Kinder sein. „Wir greifen so wenig wie möglich ein, und es ist ganz spannend, was innerhalb einer Woche entsteht“, weiß Sprügl.

Im Moment hoffen die beiden, dass sich die Corona-Krise im Sommer gelegt hat, „die offenen Eselwanderungen und andere Events haben wir vorübergehend abgesagt“. Das Mostpressen im Herbst oder die Sommerferienwochen für Kinder und Jugendliche soll nach Möglichkeit stattfinden. „Viele haben heute kaum die Möglichkeit, solche Dinge zu erleben“, erklären die beiden.

www.die-lernmanufaktur.org

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