Das seit einigen Monaten unter Denkmalschutz stehende Haus Seedoch grenzt unmittelbar an ein 12.000 m2 großes Brachland, dessen umstrittene Bebauung auch viel mit der Commerzialbank zu tun hat
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Das denkmalgeschützte Haus Seedoch grenzt an ein 12.000 m2 großes umstrittenes Baugebiet, das mit der Commerzialbank verbunden ist.
Das Haus, ein Beispiel der Neuen Sachlichkeit, hat besondere architektonische Bedeutung für das Burgenland und steht für den gesellschaftlichen Wandel der 1930er Jahre.
Pläne für das angrenzende Areal, einschließlich eines neuen Rathauses und Wohnbauten, sind umstritten und die Baubewilligung ist abgelaufen.
Das Haus in der Mattersburger Michael-Koch-Straße 7 markiert eine architektonische Grenze zwischen kanonisierter Vergangenheit und ungewisser Zukunft.
Jenseits des Mitte der 1930er-Jahre für den Arzt Franz Seedoch und seine Frau Irene erbauten Wohnhauses, das seit wenigen Monaten unter Denkmalschutz steht, erstreckt sich eine Gstätten, die bis zur Michael-Koch-Straße 23 hinüber und hinauf bis zur parallel verlaufenden Hirtengasse reicht.
Bauherren Dr. Franz Seedoch (1889–1952) war Mediziner, seine Gattin Irene (1906–1970) entstammte der lokalen Industriellenfamilie Prost-Schreiner. Ihr Vater Anton Schreiner, ein Christlichsozialer, fungierte von 1928–1929 und von 1930–1931 als Landeshauptmann des Burgenlandes
Architekten 1935–1936 ließ sich das Ehepaar ein Wohnhaus nach Plänen der Architekten Julius Kappel (1904–1993) und Rudolf Hutter (1909–1993) errichten
Neue Eigentümer Das Ehepaar Seedoch blieb kinderlos. Nach dem Tod von Irene Seedoch stand das Haus leer, danach war hier die Kirchenbeitragsstelle untergebracht. Später stand das Haus im Eigentum von Versicherungen. Seit 1999 ist eine Mattersburgerin Alleineigentümerin
Hochzeitsbild vom späteren ÖVP-Landeshauptmann Lorenz Karall und Vilma Schreiner aus dem Jahr 1932. Zu sehen sind auch Franz und Irene Seedoch (3. und 5. von links, zweite Reihe)
Auf diesem rund 12.000 Quadratmeter großen „Pucher-Areal“ am Rand des Mattersburger Stadtzentrums ist seit bald einem Jahrzehnt Großes geplant (siehe auch Zusatzartikel weiter unten). Neben einem neuen Rathaus und einer modernen Unterkunft für das Bezirkspolizeikommando sollen hier Wohnungen, Sozialeinrichtungen und Gastronomiebetriebe Platz finden.
Höhe, Verdichtung und Qualität sind umstritten. Vor zwei Jahren hat sich aus diesem Anlass sogar die Bürgerinitiative (BI) „Lebenswertes Mattersburg“ gebildet. Ihre Kritik am Vorhaben: „Zu viel Beton, zu wenig Grün, zu hoch und zu dicht bebaut und noch mehr Verkehrsstau in der Innenstadt.“
Die Michael-Koch-Straße in den 1980er-Jahren mit vollständiger Häuserzeile
Die Entscheidung des Bundesdenkmalamtes, das Seedoch-Haus unter Schutz zu stellen, sei „ein Fingerzeig für einen behutsamen Umgang mit unserer Stadt, mit dem, was schon da und erhaltenswert ist, und mit dem, was wir daraus machen“, sagt Alexander Dworschak, Sprecher der BI.
Und weil das denkmalgeschützte Haus direkt an das brachliegende Areal grenzt, geht Dworschak auch davon aus, dass die Planung für das Bauprojekt auf den Schutzstatus des rund 90 Jahre alten Seedoch-Hauses „Rücksicht nimmt, beispielsweise bei Bauhöhen oder der Straßenfluchtlinie“.
Aber was ist das Besondere am Haus Seedoch, das auch Aufnahme in den jüngst erschienenen Band „Burgenland Modern – 100 Jahre, 100 Bauten“ von Johann Gallis und Albert Kirchengast gefunden hat?
Vielfältiges Denkmal
Laut Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom Oktober 2024 sind das „Gebäude in seiner Außenerscheinung (ohne nördlichen Anbau mit Holzpergola) und die Halle mit integriertem Treppenhaus im Gebäudeinneren“ unter Schutz gestellt. Die Erhaltung des Hauses im genannten Umfang liege daher „im öffentlichen Interesse“.
Und zwar über die 7.500-Einwohner-Stadt Mattersburg hinaus. Denn der in den Jahren 1935–1936 nach Plänen der Architekten Julius Kappel und Rudolf Hutter errichtete Bau zähle burgenlandweit „zu den wenigen erhaltenen Beispielen eines Wohnhauses in Formen der Neuen Sachlichkeit, das bis heute weitgehend authentisch erhalten ist“.
Anders als bei den stilistisch vergleichbaren öffentlichen Bauten jener Zeit – etwa in Eisenstadt – stammten die Architekten zudem nicht aus dem Wiener Raum, sondern aus der Region.
Der aus Pöttelsdorf kommende Kappel und der Loipersbacher Hutter kehrten nach ihrer Ausbildung in Wien zurück und entfalteten von Mattersburg aus ihre berufliche Tätigkeit.
Bedeutung fürs ganze Burgenland
„Dem Haus Seedoch kommt somit eine besondere Stellung in der Architektur des jungen Bundeslandes der Zwischenkriegszeit zu. Das Haus ist – im genannten Umfang – von künstlerischer Bedeutung für das Burgenland“, wird im Bescheid betont.
Ein Zeugnis von Rang ist das Haus aber auch für den tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der sich in den 1930er-Jahren des vorigen Jahrhunderts vollzog.
Aus Mattersdorf war Mattersburg geworden, aus dem bäuerlich-gewerblichen Marktflecken sollte ein „urbanes Zentrum“ werden. Dafür standen auch die Seedochs – er Bezirksamtsarzt, sie Tochter des Landeshauptmannes und Fabrikanten Anton Schreiner.
„Der Bau widersprach dem ländlich-konservativen Umfeld“, heißt es vom Denkmalamt. Geschaffen wurde „ein urbanes, mustergültiges und modernes Stadthaus“.
Die Latte für die Bebauung der angrenzenden Brache liegt also sehr hoch.
Das Seedoch-Haus grenzt unmittelbar ans "Pucher-Areal", das immer noch unbebaut ist
Baubewilligung für Pucher-Areal abgelaufen
Erstmals richtig konkret wurden die Pläne zur Bebauung des 12.000 Quadratmeter großen Areals zwischen Michael-Koch-Straße und Hirtengasse 2019. Die damalige Bürgermeisterin Ingrid Salamon (SPÖ) und Commerzialbank-Vorstand Martin Pucher präsentierten das „Impulszentrum“. Kosten: 30 Millionen Euro.
Neben neuer Bankzentrale und Wohnungen sollte auf dem Grundstück auch ein neues Rathaus Platz finden. Wirtschaftlich hätten Stadt und Impulszentrum keine Berührungspunkte gehabt, wurde betont.
2020 war die Bank pleite, das Projekt auf Eis.
Ein Unternehmer aus NÖ ersteigerte die Fläche um rund 4,6 Millionen Euro aus der Masse der Commerzialbank. Wenige Monate später wechselte das Areal wieder den Eigentümer, die Eisenbahnerwohnbaugenossenschaft BWSG mit Sitz in Wien-Favoriten sicherte sich das Bauland.
Das Bauprojekt schien wieder aufzutauen, statt einer Bank sollte nun neben Wohnungen, Gastro-Betrieben und dem Rathaus auch das Bezirkspolizeikommando angesiedelt werden.
Gegen einen Plan mit siebenstöckigen Gebäuden regte sich Widerstand. Nicht zuletzt deshalb, weil das Siegerprojekt eines zuvor von der Stadt ausgeschriebenen Ideenwettbewerbs eine „kleinteilige Bebauungsstruktur mit maximal drei Geschossen“ vorgesehen hatte.
2024 wurde bekannt, dass der NÖ-Unternehmer beim Verkauf an die BWSG rund zehn Millionen Euro Gewinn gemacht haben soll. SPÖ-Bürgermeisterin Claudia Schlager drückte „die Pause-Taste“. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil kündigte die Befassung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an.
Dort heißt es nun auf KURIER-Anfrage: „Die Ermittlungen laufen noch“. Die BWSG teilt auf die Frage, wie es weitergeht, mit: „Wir informieren Sie gerne, sobald es Neuigkeiten gibt“.
Die Baubewilligung für das Areal ist indes abgelaufen.
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